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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Sozialrechtliche Aspekte, Arbeit und Beruf – Subjektive Wichtigkeit, Informations- und Partizipationswünsche aus Sicht von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen mit und ohne Anschluss an die Selbsthilfe

Meeting Abstract

  • Peter Böhm - Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V., Geschäftsstelle, Bonn
  • Katja Raberger - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Institut für Rehabilitationsmedizin, Halle (Saale)
  • Gernot Keyßer - Universitätsklinikum Halle (Saale), Arbeitsbereich Rheumatologie, Klinik für Innere Medizin II, Halle (Saale)
  • Christoph Schäfer - Universitätsklinikum Halle (Saale), Arbeitsbereich Rheumatologie, Klinik für Innere Medizin II, Halle (Saale)
  • Wilfried Mau - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Institut für Rehabilitationsmedizin, Halle (Saale)
  • Kerstin Mattukat - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Institut für Rehabilitationsmedizin, Halle (Saale)

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf104

doi: 10.3205/18dkvf104, urn:nbn:de:0183-18dkvf1047

Published: October 12, 2018

© 2018 Böhm et al.
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Text

Hintergrund: Die vielfältigen Krankheitsfolgen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen können von geringfügigen Funktionseinschränkungen und Problemen bei der Alltagsbewältigung bis zu Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsminderung oder Pflegebedürftigkeit reichen. Dazu kommen häufig finanzielle Belastungen durch Zuzahlungen für Medikamente, Heil- oder Hilfsmittel sowie zeit- und kostenintensive Fahrten zu Therapeuten und Fachärzten. Gerade für Erwerbstätige bestehen hier organisatorische Herausforderungen. Informationen zu arbeitsbezogenen und sozialrechtlichen Themen sind daher für die Betroffenen sehr wichtig, u.a. zu Hilfen am Arbeitsplatz, Leistungsansprüchen und Zuständigkeiten. Behandelnde Ärzte als erste Ansprechpartner bei krankheitsbezogenen Fragestellungen kommen bei erhöhtem Beratungsbedarf der Patienten jedoch schnell an zeitliche Kapazitätsgrenzen. Hier bietet die Selbsthilfe (SH) den Betroffenen problembezogene, alltagsnahe Beratung an. Bislang sind jedoch kaum Untersuchungen zu diesen Themen bekannt.

Fragestellung: Wie wichtig sind die Themen „Arbeit und Beruf“ und „sozialrechtliche Aspekte“ für Betroffene mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen? Wie viel Information und/oder Austausch wollen sie dazu (im Arzt-Patienten-Gespräch) haben? Gibt es Unterschiede zwischen den Mitgliedern einer SH-Gruppe und Betroffenen ohne SH-Anbindung?

Methode: In einer explorativen Studie („Autonomie bei Rheuma“; DRKS00011517) wurden 753 Betroffene einmalig postalisch (n=363; Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga [DRL] Sachsen-Anhalt e.V.) bzw. online (n=390; deutschlandweit) zu ihrem Bedürfnis nach Information und Austausch bzgl. verschiedener krankheitsbezogener Themen sowie zu soziodemographischen, gesundheits- und versorgungsbezogenen Merkmalen befragt. Die Daten wurden deskriptiv und inferenzstatistisch ausgewertet.

Ergebnisse: Von den Befragten waren 62 % DRL-Mitglied, 21 % Mitglied in einer anderen SH-Organisation und 17 % hatten keine SH-Anbindung.

Gruppenunterschiede: DRL-Mitglieder waren häufiger männlich (14 %) als andere SH-Mitglieder (7 %) und Personen ohne SH-Anbindung (6 %). Sie waren im Mittel 14 Jahre älter als Personen mit anderer oder ohne SH-Anbindung und im Mittel 4 Jahre länger krank. Sie litten häufiger an Rheumatoider Arthritis (69 %) als Personen mit anderer (35 %) oder keiner SH-Anbindung (50 %). Spondyloarthritiden wurden häufiger von anderen SH-Mitgliedern angegeben (38 %; 25 % DRL; 20 % keine). Mitglieder anderer SH-Gruppen (42 %) und Personen ohne SH-Anbindung (39 %) gaben häufiger Kollagenosen (v.a. Sjögren, Lupus) an als DRL-Mitglieder (18 %). Die Gruppenunterschiede wurden statistisch kontrolliert.

Thema „Arbeit und Beruf“: Von 594 Personen im Alter bis 65 Jahre waren 60 % erwerbstätig, 21 % Erwerbsminderungs-berentet und 7 % arbeitslos. SH-Mitglieder waren seltener erwerbstätig (56 % DRL; 58 % andere) als Personen ohne SH-Anbindung (73 %) und häufiger EM-berentet (25 % DRL; 20 % andere; 12 % keine).

Den meisten Befragten war das Thema (sehr) wichtig (72 %), v.a. jüngeren und erwerbstätigen Personen. Gut informiert dazu fühlten sich 32 %, teils/teils 31 % und nicht gut informiert 20 %, 15 % hatten kein Interesse. Die Informiertheit war höher bei älteren Personen, mit längerer Krankheitsdauer und mit höherem Schulabschluss. Mehr Informationen (39 %) und mehr Austausch (30 %) wünschten sich eher jüngere und erwerbstätige Teilnehmer. Abiturienten wünschten sich weniger Austausch.

Thema „Sozialrechtliche Aspekte“: Von 753 Befragten fanden 71 % das Thema (sehr) wichtig, darunter v.a. SH-Mitglieder, erwerbstätige und Personen mit Realschulabschluss. Gut informiert waren 19 %, teils/teils 36 % und nicht gut informiert 38 %, 4 % hatten kein Interesse. Die Informiertheit war höher bei DRL-Mitgliedern, älteren Personen, mit längerer Krankheitsdauer und nicht (mehr) Erwerbstätigen. Mehr Informationen (58 %) wünschten sich eher jüngere und erwerbstätige Personen. Mehr Austausch (36 %) wünschten sich eher jüngere und Personen ohne Abitur.

Diskussion: Nach statistischer Kontrolle von Alter, Geschlecht, Krankheitsdauer, Erwerbstätigkeit und Schulabschluss waren v.a. das Alter, der Abschluss und die Erwerbssituation mit der subjektiven Wichtigkeit der beiden Themen sowie den diesbezüglichen Wünschen nach Information und Austausch im Arzt-Patienten-Gespräch assoziiert. Sozialrechtliche Aspekte waren SH-Mitgliedern wichtiger als Personen ohne SH-Anbindung, wobei sich DRL-Mitglieder besser informiert fühlten als andere SH-Mitglieder.

Praktische Implikationen: Vor allem jüngere und erwerbstätige Betroffene mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen haben erhöhten Bedarf nach Informationen und Austausch zu arbeitsbezogenen und sozialrechtlichen Themen. Hier kann eine fachkundige Beratung u.a. über SH-Verbände wie die DRL helfen. Die Beratungsangebote sollten sich zukünftig noch stärker an den Fragen, Problemen und Informationspräferenzen (z.B. über Online-Angebote) jüngerer Betroffener orientieren.