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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

„Das Leben gestalten lernen“- Welchen Einfluss haben soziale Ungleichheiten auf den Verlauf der Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2?

Meeting Abstract

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  • Astrid Fink - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Medizinische Soziologie, Halle, Saale
  • Eva-Maria Fach - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Medizinische Soziologie, Halle, Saale

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf102

doi: 10.3205/18dkvf102, urn:nbn:de:0183-18dkvf1021

Published: October 12, 2018

© 2018 Fink et al.
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Hintergrund und Fragestellung: Soziale Ungleichheiten finden sich nicht nur in der Gesundheit, sondern auch in der gesundheitlichen Versorgung. Erkenntnisse über den Einfluss sozialer Ungleichheiten auf die Versorgung bei Diabetes Mellitus Typ-2 in Deutschland liegen bislang nur bruchstückhaft vor, da häufig nur ein einzelner Versorgungssektor (z.B. Akutklinik, Rehabilitation) zumeist quantitativ analysiert wurde und oftmals nur beschreibende Ergebnisse zur Verfügung stellt. Wo die sozialen Ungleichheiten entlang des Versorgungspfades (erstmalig) auftreten und wie sie überhaupt entstehen, bleibt damit unbeantwortet. Ziel des Projektes war es den Einfluss sozialer Ungleichheiten auf den Zugang, die Inanspruchnahme und die wahrgenommene Qualität der gesundheitlichen Versorgung bei Patienten mit Diabetes Mellitus Typ-2 zu explorieren. Die Studie richtete die Aufmerksamkeit auf die Perspektive der Patienten in unterschiedlichen Versorgungbereichen und hat die bisherigen Erfahrungen des Patienten im Gesundheitssystem berücksichtigt.

Methoden: Die Teilnehmer der qualitativen Querschnittstudie wurden in drei Versorgungsbereichen bis zur theoretischen Sättigung rekrutiert. In den semi-strukturierten Interviews stand die Exploration von Versorgungsungleichheiten vermittelnder Faktoren im Fokus, um aus Patientenperspektive Schlüsselstellen im Versorgungsverlauf zu identifizieren, an denen Erfahrungen nach sozialer Herkunft variieren. Die aufgezeichneten Interviews wurden transkribiert und mit MAXQDA basierend auf der Grounded Theory analysiert.

Ergebnisse: Alle Patienten beschreiben einen Lernprozess im Umgang mit der Erkrankung, der durch Schulungen (im Rahmen des DMPs) unterstützt und durch vielfältige Barrieren behindert wird. Patienten mit weniger Bildung beschrieben ihre neuen Routinen im Detail und legten Wert auf linientreue Umsetzung der ärztlichen Empfehlungen (Ge- und Verbote). Patienten mit höherer Bildung wollten als kompetenter Patient wahrgenommen werden und legten die Empfehlungen freier aus, um ihre Lebensqualität zur erhalten. Fast alle Patienten hatten ein Messgerät zur Blutzuckerselbstkontrolle, auch Patienten, für die lt. Nationaler Versorgungsleitlinie eine Blutzuckerselbstkontrolle nicht vorgesehen ist. Auch diese Patienten hatten ein Kontrollbedürfnis und wollten ihren Stoffwechsel und die Wirkung bestimmter Nahrungsmitteln und körperlicher Aktivität kennen. Diese Patienten fühlen sich nicht gut versorgt, wenn sie keine Messstreifen verordnet bekamen und diese selber bezahlen müssen, sofern sie an der Selbstkontrolle interessiert sind.

Diskussion: Zu diskutieren ist, ob sich soziale Ungleichheiten auch in unterschiedlichen Lerntypen bezüglich des Umgangs mit der Erkrankung Diabetes mellitus Typ 2 manifestieren und in welcher Form bestehende strukturierte Patientenschulungen (DMP) die verschiedenen Lerntypen erreichen. Fraglich ist auch, in welcher Form es den bisherigen Einsatz von Blutzuckermessegräten für die Lernprozesse braucht oder ob hier andere Handreichungen hilfreicher sein können.

Schlussfolgerung: Die Schulung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 sollte die unterschiedlichen Lerntypen berücksichtigen und insbesondere Patienten mit geringerer Bildung ein erfolgreiches Selbstmanagement ermöglichen. Es sollte kritisch reflektiert werden, in welcher Form die Notwendigkeit oder Nicht-Notwendigkeit der Blutzuckerselbstmessung gegenüber dem Patienten kommuniziert wird. Dies gilt insbesondere für Patienten, die finanziell nicht in der Lage sind, die Messstreifen privat zu finanzieren.