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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Erstversorgung von Herzinfarktpatienten – erste Daten zu Versorgungszeiten eines vom Innovationsfonds geförderten Projektes

Meeting Abstract

  • Ilja Jacob - Berliner Herzinfarktregister e.V., Berlin
  • Birga Maier - Berlin-Brandenburger Herzinfarktregister e.V., Berlin
  • Leonhard Bruch - Unfallkrankenhaus Berlin, Innere Medizin/Kardiologie, Berlin
  • Frank Heinrich - Rettungsdienst Oberhavel, Oberhavel
  • Andreas Kühne - Rettungsdienst Havelland, Notfallversorgung, Rathenow
  • Hans Minden - Klinik Henningsdorf, Innere Medizin, Henningsdorf
  • Stefan Poloczek - Berliner Feuerwehr, Rettungsdienst, Berlin
  • Thorsten Reinhold - Rettungsdienst Oberhavel, Landkreis Oberhavel
  • Ralph Schoeller - Berlin-Brandenburger Herzinfarktregister e.V., Berlin
  • Helmut Schühlen - Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum, Kardiologie, Diabetologie und konservative Intensivmedizin, Berlin
  • Martin Stockburger - Klinik Nauen, Medizinische Klinik I mit dem Schwerpunkt Kardiologie, Nauen
  • Heinz Theres - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie, Berlin

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf082

doi: 10.3205/18dkvf082, urn:nbn:de:0183-18dkvf0825

Published: October 12, 2018

© 2018 Jacob et al.
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Text

Hintergrund: Die Behandlung des Herzinfarkts stellt einen der häufigsten Notfälle dar, bei dem eine qualifizierte und schnelle Notfallerstversorgung eine herausragende Rolle spielt. Dieser Umstand spiegelt sich auch in den formulierten europäischen Leitlinien wieder, die eine schnelle Versorgung von Infarktpatienten mit ST-Streckenhebung im EKG (STEMI) fordern, wobei ein verschlossenes Herzkranzgefäß in den zum Erhebungszeitraum geltenden europäischen Leitlinien spätestens 2 Stunden nach Symptombeginn wiedereröffnet sein sollte. Voruntersuchungen zeigen dabei, dass die Eindeutigkeit der Erstdiagnose ‚STEMI‘ auf Basis des EKG maßgeblich die Versorgungszeiten von STEMI-Patienten beeinflusst: Erfolgt dies bereits durch den Notarzt oder durch entsprechend qualifizierte Notfallsanitäter vor Eintreffen des Notarztes, ist die Behandlungskette signifikant kürzer.

Fragestellung: Wie gestaltet sich die Versorgung von Herzinfarktpatienten von der Notfall- bis zur stationären Versorgung hinsichtlich Versorgungszeit und -qualität im Jahr 2016 in einer Großstadt und zwei ländlichen Landkreisen?

Methodik: Im Rahmen eines vom Innovationsfonds geförderten Projektes werden die stationären Daten von allen Herzinfarktpatienten aus 22 Krankenhäuser einer deutschen Großstadt und aus 2 Kliniken ländlicher Region mit dazugehörigen prästationären Daten der Rettungsdienste (RD) erhoben und verknüpft. Die KH-Daten umfassen dabei die individuellen Patienten- sowie diagnostische und strukturelle Daten; Versorgungszeiten und Primärdiagnostik (EKG-Diagnose des Notarztes) werden aus den RD-Daten extrahiert.

Datenauswertung: In unserer ersten Analyse wurden nur STEMI-Patienten, die von außen direkt in eine Katheterklinik kamen und für die die sehr kurzen Versorgungszeiten in den Leitlinien vorgeschrieben sind, eingeschlossen. Analysiert wurde der Einfluss von Versorgungsparametern auf Versorgungszeiten und Patientensubgruppen. Die Versorgungszeiten dienten dabei als Indikator für die Versorgungsqualität und als Surrogatparameter für Mortalität und Morbidität.

Die erste Auswertung erfolgte stratifiziert nach Landkreis bzw. Großstadt. Bis zum Kongress werden weitere Daten und Auswertungen vorliegen.

Ergebnisse: Eingeschlossen wurden 1687 STEMI-Patienten. Dabei verteilen sich 1527 Fälle auf die Großstadt, 160 auf die ländlichen Landkreise. Ohne wesentliche Unterschiede zwischen Stadt und Land zeigte sich die Verteilung der Charakteristika: Das mittlere Alter betrug 64,1 Jahre, der Anteil Frauen 27,3%. Die Rate der Komorbiditäten: 12.6% Niereninsuffizienz, 23.8% Diabetes, 70,9% Hypertonus. Die intrahospitale Mortalität betrug 7,8%. 1575 (93,4%) der Patienten wurden invasiv mittels primärer PCI behandelt, ohne signifikanten Unterschied zwischen Stadt und Land.

Im Vergleich zwischen Stadt und Land wurden 70,3%/75,3% (Stadt/Land) der Patienten mittels Notarztwagen (NAW) (p=0,19) eingewiesen, 11,7%/6,3% mittels Rettungswagen (RTW) (p=0,04), 4,3%/3,8% durch den Hausarzt/KV-Dienst (HA/KV) (p=0,76) und 13,7%/14,6% kamen als Selbsteinweiser (Selbst) (p=0,76).

Folgende mediane Prähospitalzeiten – definiert als Zeit vom Symptombeginn bis zur Klinikaufnahme – konnten erhoben werden (Stadt/Land): NAW: 97min/118min (p=0,02), RTW 120min/109min (p=0,88), KV/HA 369min/338min (p=0,75), Selbst 163min/186min (p=0,79). Die medianen Zeiten von Klinikaufnahme bis Katheterbehandlung ergaben: NAW: 62min/65min (p=0,26), RTW 97min/86min (p=0,36), KV/HA 77min/90min (p=0,75), Selbst 113min/80min (p=0,19).

Diskussion: Die Versorgungszeiten zeigen, dass die in den Leitlinien angestrebten Zeiten – sowohl in der Stadt, wie auch im ländlichen Gebiet – für STEMI-Patienten noch Verbesserungsbedarf aufweisen. Die signifikant häufigere Einweisung mittels RTW im städtischen Bereich sollte angesichts der Fallzahlen allerdings vorsichtig interpretiert werden. Auch signifikant zeigte sich der Zeitunterschied bei der Prähospitalzeit von Patienten, die mit NAW eingeliefert wurden. Ob dieser Unterschied systembedingt oder aber patientenbedingt ist, lässt sich hier nicht auflösen.

Der weiteren Verbesserung der Versorgungszeiten kommt eine wichtige Rolle bei dem Ziel einer breiten und flächendeckenden, leitliniengerechten Versorgung der Patienten zu. Ob sich mit spezifischen Interventionen (Schulungen, EKG-Übertragung) die Zeiten verkürzen lassen, wird im weiteren Projektverlauf untersucht.

Praktische Implikationen: Mit den Daten gelingt es, ein präziseres Bild der Notfallversorgung von STEMI-Patienten in einer Großstadt und im ländlichen Gebiet nachzuzeichnen. Noch genauere Zeitanalysen, gerade auch in Hinblick auf die Leitlinienänderung im Jahr 2017, werden im Rahmen des Projektes folgen.