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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Gedanken an Gesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Menschen mit Diabetes mellitus: Querschnittstudie

Meeting Abstract

  • Sandra Grobosch - Deutsches Diabetes-Zentrum, Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Düsseldorf
  • Nadja Chernyak - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Düsseldorf
  • Burkhard Haastert - mediStatistica, Neuenrade
  • Ute Linnenkamp - Deutsches Diabetes-Zentrum, Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Düsseldorf
  • Andrea Icks - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Düsseldorf

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf070

doi: 10.3205/18dkvf070, urn:nbn:de:0183-18dkvf0704

Published: October 12, 2018

© 2018 Grobosch et al.
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Text

Hintergrund: Menschen mit Diabetes mellitus (MmDm) haben eine niedrigere gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) als Menschen ohne Diabetes. Allerdings gibt es eine große Variation. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die bei der Messung der HRQoL bei MmDm berücksichtigt werden sollten. Beschrieben sind Zusammenhänge zwischen der HRQoL und Folgeerkrankungen oder der Art der Therapie. Es mögen aber neben dem ‚objektiven‘ diabetesbedingten Gesundheitszustand weitere Faktoren eine Rolle spielen. In einer Querschnittsstudie identifiziert Dolan (2011) einen Zusammenhang zwischen der Präsenz von Gedanken an Gesundheit und der Lebensqualität. Teilnehmende mit vielen und negativen Gedanken in Bezug auf die eigene Gesundheit waren, unabhängig von ihrem aktuellen Gesundheitszustand, bereit mehr Lebensjahre für eine Verbesserung des Gesundheitszustandes zu opfern. Studien, die den beschrieben Zusammenhang bei MmDm analysieren, fehlen aktuell. Ziel der Studie ist, den Zusammenhang zwischen Gedanken an Gesundheit und HRQoL bei MmDm zu analysieren.

Fragestellung:

  • Wie ist die Häufigkeit der Gedanken an Gesundheit bei einer Stichprobe von MmDm aus dem Versicherungskollektiv einer Krankenkasse insgesamt und in ausgewählten Subgruppen?
  • Welche Valenz haben Gefühle bei der Präsenz solcher Gedanken insgesamt und in den ausgewählten Subgruppen?
  • Wie stark ist der Zusammenhang zwischen Gedanken an Gesundheit und HRQoL?

Methode: Die Studie ist eine Querschnittstudie mit einer zufällig ausgewählten Stichprobe von MmDm aus einem Versicherungskollektiv (50% Respond). Daten zu den Gedanken an Gesundheit (Instrument nach Dolan (2011)) sowie zur HRQoL (12-Item Short Form Health Survey) wurden mittels postalischem Fragebogen erhoben. Neben deskriptiven Analysen wurden lineare Regressionsmodelle berechnet, um den Zusammenhang zu analysieren. Die Modelle wurden nach soziodemografischen (z.B. Alter, Geschlecht) und gesundheits- sowie diabetesbezogenen Merkmalen (z.B. Diabetesbehandlung, Komorbidität) adjustiert.

Ergebnisse: Analysiert wurden 783 Teilnehmende (61,8% männlich; mittleres Alter 67,7 ± Standardabweichung 9,7 Jahre; 84,9% Typ-2-Diabetes, 48,8% Diabetesdauer > 10 Jahre, 29,8% Behandlung mit Insulin). Am Vortag haben sich 46% der Teilnehmenden keine Gedanken über ihre Gesundheit gemacht. Insgesamt gaben 17,1% wenige und negative Gedanken, 21,3% wenige und positive Gedanken, 12,2% viele und negative und 3,4% viele und positive Gedanken an. Gedanken an Gesundheit waren signifikant mit einer niedrigeren gesundheitsbezogenen Lebensqualität assoziiert. So waren die physische und die psychische Komponente des SF-12 bei vielen und negativen Gedanken um 14,25 (KI [-16,75 – -11,75]) und 15,57 (KI [-17,98 – -13,17]) Punkte niedriger als bei Menschen ohne Gedanken. Bei vielen und positiven Gedanken waren die beiden Komponenten 11,32 (KI [-15,51 – -7,13]) und 9,91 (KI [-13,95 – -5,88)] niedriger.

Diskussion: Bei allen Gedankengruppen wurde eine negative Assoziation zwischen dem Vorhandensein von Gedanken an Gesundheit und der HRQoL bei MmDm identifiziert. Die Stärke und Richtung des Zusammenhangs sollte in prospektiven Studien überprüft werden. Auffallend ist, dass bereits wenige Gedanken mit der Lebensqualität assoziiert sind. Welche Gedanken im Alltag besonders präsent sind, könnte in qualitativen Studien identifiziert werden. Der Zusammenhang zwischen positiven Gedanken und einer niedrigeren HRQoL ist überraschend. Andere Studien zeigen, dass positive Gedanken auch häufig mit positiven Outcomes (z.B. Wohlbefinden) assoziiert sind. Weitere Studien mit längeren Beobachtungszeiträumen könnten zudem potenzielle Langzeitwirkungen analysieren.

Praktische Implikationen: Nach den Ergebnissen der vorliegenden Studie, scheint die Berücksichtigung der Gedanken an Gesundheit bei der Messung der Lebensqualität auch bei MmDm erforderlich zu sein. Da ein Ziel der Nationalen Versorgungsleitlinien die Stärkung der Lebensqualität bei MmDm ist, lässt sich der wahrgenommene Nutzen von Maßnahmen nur durch eine korrekte Messung der Lebensqualität bewerten. Für die Bewertung scheint es daher nötig zu sein, Gedanken an Gesundheit in den Analysen zu berücksichtigen.

Im Kontext des Diabetesselbstmanagements sind Maßnahmen, die grundsätzlich eine Förderung der Häufigkeit der Gedanken an Gesundheit bewirken können, zu überprüfen. Hierbei sind vor allem telemedizinische Anwendungen zu benennen wie Gesundheitsapps in Form von Monitoringsystemen.

Inwieweit insbesondere auch positive Gedanken in beispielweise Diabetesschulungen gefördert werden sollen, ist zu überprüfen. Zentral ist dabei die Frage, für wen, in welchem Maße und unter welchen Umständen positive Gedanken förderlich sind. Weitere Subgruppenanalysen können dazu dienen, potenziell vulnerable Gruppen mit Gedankenformen mit negativer Konsequenz zu identifizieren.