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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Gesundheitsökonomische Evaluation von Modellprojekten zur Versorgung psychisch kranker Menschen nach §64b SGB V – erste Ergebnisse von 12 Kliniken

Meeting Abstract

  • Roman Kliemt - WIG2-Institut, Leipzig
  • Franziska Claus - WIG2-Institut, Leipzig
  • Ines Weinhold - WIG2-Institut, Gesundheitsökonomie, Leipzig
  • Fabian Baum - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden
  • Stefanie March - Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie (ISMG), Magdeburg
  • Anne Neumann - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden
  • Olaf Schoffer - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Center for Evidence-based Healthcare, Dresden
  • Martin Seifert - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden
  • Enno Swart - Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie (ISMG), Magdeburg
  • Jochen Schmitt - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der TU Dresden, Dresden
  • Dennis Häckl - WIG2-Institut, Leipzig

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf065

doi: 10.3205/18dkvf065, urn:nbn:de:0183-18dkvf0659

Published: October 12, 2018

© 2018 Kliemt et al.
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Text

Hintergrund: Primäre Ziele von Modellprojekten zur Versorgung psychisch kranker Menschen nach § 64b SGB V sind die Verbesserung der Behandlungsqualität sowie ein effizienter Einsatz vorhandener Ressourcen. Derzeit werden in 20 Krankenhäusern sowie einem rein ambulanten Modell neue Versorgungs- und Finanzierungskonzepte im Rahmen von Modellvorhaben nach § 64b SGB V erprobt, wobei 18 Kliniken in der nach § 65 SGB V bundesweit einheitlichen Evaluation EVA64 evaluiert werden.

Fragestellung: Hauptaugenmerk der Evaluation liegt auf der Frage, ob und in welchem Maße durch Modellvorhaben eine bessere Behandlungsqualität bei einem bestimmten Ressourceneinsatz gegenüber der Routineversorgung erreicht werden kann. Der Beitrag stellt erste modellspezifische und modellübergreifende Ergebnisse der anhand von Routinedaten von mehr als 59 gesetzlichen Krankenkassen durchgeführten bundeseinheitlichen Evaluation von 12 Krankenhäusern vor.

Methoden: Bei der Studie handelt es sich um eine sekundärdatenbasierte, nicht randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie, wobei zur Auswertung den Patienten der Interventionsgruppe (Patienten der Modellklinik) geeignete Kontrollpatienten (aus den Kontrollkliniken der Regelversorgung) über ein zweistufiges Matchingverfahren gegenübergestellt werden. Datengrundlage für die Analyse bilden anonymsiserte, versichertenbezogene Stammdaten und Leistungsdaten zu Diagnosen, Prozeduren sowie Entgelten von stationären und ambulant im Krankenhaus durchgeführten Behandlungen von 59 gesetzlichen Krankenkassen. Weiterhin standen Daten zu Diagnosen und abgerechneten Gebührenziffern des vertragsärztlichen Bereichs, zu Arznei- und Heilmitteln sowie zu Arbeitsunfähigkeitsepisoden zur Verfügung. Zur Messung der Behandlungsqualität wurden die primären Outcomes der stationären Behandlungstage sowie der AU-Tage untersucht. Zusätzlich wurden u.a. die Inanspruchnahme ambulanter Leistungen analysiert. Zentrales Outcome der gesundheitsökonomischen Analyse sind die aus Perspektive der Krankenkassen entstehenden Kosten der psychiatrischen Behandlung sowie die Kosteneffektivität der Modelle.

Die Analyse berücksichtigt derzeit den patientenindividuellen Zeitraum von einem Jahr vor Interventionsbeginn sowie einen einjährigen Nachbeobachtungszeitraum. Unterschiedliche Ausgangsniveaus der Outcomes zwischen Modell- und Kontrollkliniken werden durch eine Difference-in-Difference-Betrachtung berücksichtigt.

Ergebnisse: Die Auswertung berücksichtigt Daten von 12.598 der Interventionsgruppe zugeordneten Patienten (11.766 Patienten der Erwachsenenpsychiatrie und 832 Patienten der Kinder- und Jugendpsychiatrie) sowie je Modellklinik die gleiche Anzahl an Kontrollpatienten, die abhängig davon, wann der Modellvertrag der jeweiligen Klinik begann, zwischen dem 01.01.2013 und 31.12.2014 für die Studie selektiert wurden.

Für die Gruppe derjenigen Patienten, die mit Interventionsbeginn erstmalig in einer Modell- bzw. Kontrollklinik behandelt wurden, fallen im Jahr nach Studieneinschluss über alle Patienten und Kliniken hinweg in der Interventionsgruppe rund 6,21 vollstationäre Behandlungstage (gewichtetes Mittel) weniger an als in der Kontrollgruppe. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangsniveaus des Prä-Zeitraums sind es 6,12 Tage weniger in der IG.

Bezüglich der Kosten sind die Unterschiede zwischen IG und KG zwischen den einzelnen Kliniken sowohl bei den bereits im Vorfeld behandelten als auch bei den erstmalig behandelten Patienten insgesamt heterogener, wobei hier unterschiedliche Vergütungssysteme und Preiseffekte ausschlaggebend sind. Für die Gruppe der erstmalig behandelten Patienten ergeben sich um durchschnittlich 119 € höhere psychiatrische Versorgungskosten je Patient der IG gegenüber der KG.

Fazit: Bei ähnlichem Ressourceneinsatz zeigt sich in der IG ein geringerer Anstieg in den vollstationären Behandlungstagen, wodurch die Kosteneffektivität der Modelle angenommen werden kann. Unter Berücksichtigung der zwischen Modell- und Kontrollkliniken variierenden Pflegesätze, die die höheren Versorgungskosten im Wesentlichen begründen, deuten die Ergebnisse zudem auf einen Trend hin, der eine kostengünstigere Versorgung in den Modellkliniken vermuten lässt. Allerdings konnten aufgrund der noch geringen Studienpopulation in Verbindung mit der Varianz in den Ergebnissen modellspezifisch teilweise keine statistisch signifikanten Effekte nachgewiesen werden. Ob sich die positive Tendenz bestätigen lässt, muss in nachfolgenden Evaluationsphasen, die auf größeren Stichproben und längeren Beobachtungszeiträumen (bis zu 3 Jahre nach Interventionsbeginn) basieren, analysiert werden.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse der Zwischenberichte sowie des Abschlussberichtes der Evaluation bilden die Grundlage zur Entscheidung dafür, ob die auf zunächst auf acht Jahre befristeten Modellvorhaben verlängert werden und ob Behandlungs- und Finanzierungsformen auch in die Regelversorgung übernommen werden sollten.