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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Evaluation der Langzeitwirkung von Disease-Management-Programmen unter Zuhilfenahme der arztspezifischen DMP-Einschreibequote als eine Instrumentenvariable

Meeting Abstract

  • Lukas Schötz - AOK Bayern, DLZ Versorgungsmanagement, Regensburg
  • Klaus-Peter Brünsteiner - AOK Bayern, DLZ Versorgungsmanagement, Regensburg
  • Kathrin Kagerer - AOK Bayern, DLZ Versorgungsmanagement, Regensburg
  • Anja Schramm - AOK Bayern, DLZ Versorgungsmanagement, Regensburg
  • Oliver Weidinger - AOK Bayern, DLZ Versorgungsmanagement, Regensburg
  • Roland Weigand - AOK Bayern, DLZ Versorgungsmanagement, Regensburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf064

doi: 10.3205/18dkvf064, urn:nbn:de:0183-18dkvf0647

Published: October 12, 2018

© 2018 Schötz et al.
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Text

Hintergrund: Das deutsche Gesundheitssystem bietet für unterschiedliche chronische Erkrankungen spezielle Disease-Management-Programme (DMP) an, um die Versorgung chronisch Kranker zu verbessern und die Leistungsausgaben für Folgeerkrankungen zu reduzieren. Die Teilnahme an den Disease-Management-Programmen (DMP) ist dabei für die Erkrankten freiwillig. Evaluationen aus Deutschland und Österreich zeigen, dass DMPs für Diabetes Mellitus Typ II medizinische und ökonomische Erfolge vorweisen können.

Fragestellung: Die vorliegende Studie untersucht, ob die DMP-Teilnahme einen Einfluss auf die verschiedenen Leistungsausgaben von Erkrankten hat. Der kausale Effekt der Programme Diabetes Mellitus I und Diabetes Mellitus II wird für die chronisch Kranken gesucht, welche neu auf die Einnahme von Insulin bzw. Insulinanaloga angewiesen sind und sich somit bereits in einem schwerwiegenden Krankheitsstadium befinden. Der Artikel hebt sich insofern von der bestehen Forschungsliteratur ab, dass mittels der Instrumentvariablen-Methode einem möglichen Endogenitäts-Problem begegnet wird.

Methode: Grundlage der Studie sind anonymisierte Routinedaten der AOK Bayern für den Zeitraum von 2009-2016. AOK-Versicherte, welche in den Jahren 2010, 2011 und 2012 (Basisjahre) erstmals insulinpflichtig wurden, werden identifiziert. Daraufhin werden die Erkrankten in die Gruppen Teilnehmer und Nicht-Teilnehmer eingeteilt und die Entwicklung der Leistungsausgaben über je vier Folgejahre analysiert. Neben klar zu definierenden Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern werden zudem Erkrankte betrachtet, welche eine DMP-Teilnahme abbrechen oder erst spät wahrnehmen. Es wird vermutet, dass ein Vernachlässigen der DMP-Abbrecher und der DMP-Spätstarter die Leistungsausgaben jeweils nach untern verzerren würde.

Um Bedenken auf Grund möglicher Selektionsfehler Rechnung zu tragen, wird in dieser Studie ein Instrumentvariablen-Ansatz gewählt. Eine adäquate Instrumentenvariable hat im vorliegenden Fall Einfluss auf den DMP-Status eines Erkrankten, ist aber unkorreliert mit den unbeobachteten persönlichen Charakteristika. Als Instrumentvariable wird die Einschreibequote des behandelnden Hausarztes zu Beginn des jeweiligen Basisjahres genutzt, auch sozioökonomische und gesundheitliche Informationen der Erkrankten werden beachtet. In der ersten Stufe einer 2SLS Schätzung der Schätzung zeigt sich, dass die Einschreibequote ein starkes Instrument ist. Die zweite Stufe der Schätzung zeigt den lokalen Durchschnittseffekt einer DMP-Teilnahme auf.

Ergebnisse: Untersucht wird, ob die Diabetes-DMPs einen Effekt auf die Gesamtleistungsausgaben sowie auf die Leistungsausgaben für Krankenhäuser, Ärzte und Apotheken haben. Vergleicht man die berechneten DMP-Effekte einer OLS-Regression mit den Effekten der Instrumentvariablen-Schätzung wird deutlich, dass bei der OLS-Schätzung ein Endogenitäts-Problem vorliegt. Zwar ist die Wirkrichtung der verschiedenen Effekte jeweils identisch, sie fallen aber bei der IV-Schätzung deutlich kleiner aus. Die IV bestätigt aber das Ergebnis, wonach die Leistungsausgaben für die ambulante Versorgung durch eine DMP-Teilnahme mittelfristig reduziert werden.

Diskussion: Unsere Analyse zeigt, dass die arztspezifische Einschreibequote einen sehr hohen Einfluss auf die Einschreibewahrscheinlichkeit von Erkrankten hat und somit ein starkes Instrument ist. Da die arztspezifische Einschreibequote zu Beginn der Basisjahre unabhängig von unbeobachteten Charakteristika der Neu-Insulinpflichtigen ist, ist auch die Validität des Instrumentes gegeben.

Die Wirkung des DMP wird nicht auf eine einzige definierte Behandlungsmethode zurückgeführt, sie setzt sich aus komplexen Interventionen zusammen. Die Wirksamkeit im Zusammenspiel von verschiedenen Maßnahmen wird bei der Untersuchungspopulation besonders deutlich, da sich diese aufgrund der plötzlich vorhandenen Insulinpflicht zwangsläufig mit der Krankheit auseinandersetzen muss. Wenn nur ein geschärftes Gesundheitsbewusstsein etwaige positive Effekte bewirken würde, sollten bei den hier untersuchten Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern keine Effekte auftreten.

Neben einer wirtschaftlichen Evaluation muss das Ziel zukünftiger Forschungsarbeit sein, auch gesundheitliche Aspekte (z.B. durch Qalys / Dalys) in eine umfassende Evaluation der DMPs miteinzubeziehen.

Praktische Implikationen: Die steigende Anzahl chronisch Kranker stellt das gesamte Gesundheitssystem vor finanzielle Herausforderungen. Die vorliegende Studie zeigt, dass der Einstieg in ein DMP auch in einem schwerwiegenden Krankheitsstadium mittelfristig noch Leistungsausgaben im stationären Bereich reduzieren kann.