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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Modellprojekt Soziale Prävention: Sprechstunde der Jugendhilfe in der Kinder- und Jugendarztpraxis

Meeting Abstract

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  • Karl-Josef Eßer - DGKJ, Geschäftsstelle, Berlin
  • Karl-Josef Eßer - Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Geschäftsstelle, Düren

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf055

doi: 10.3205/18dkvf055, urn:nbn:de:0183-18dkvf0553

Published: October 12, 2018

© 2018 Eßer et al.
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Hintergrund: Das NRW-Modellprojekt „Soziale Prävention“ prüft einen präventiven, über das pädiatrische Behandlungssprektrum hinausreichenden Ansatz, um psychosozial belasteten Familien niedrigschwellige Unterstützung zu ermöglichen. Dies geschieht durch eine Zusammenarbeit der Pädiater mit Mitarbeitern der Jugendhilfe, zu denen problembelastete Familien, die in den Früherkennungsuntersuchungen ermittelt werden, innerhalb der Praxis weitergeleitet werden können.

Fragestellung:

1.
Ist die Nutzung der Früherkennungsuntersuchungen ein praktikabler und ausreichend niedrigschwelliger Zugang zu psychosozial belasteten Familien?
2.
Wird durch die Etablierung der Beratungsangebote innerhalb der Kinder- und Jugendarztpraxis die Funktionsfähigkeit und der Nutzwert des Hilfenetzwerks erhöht?

Methode: Getestet wird der Ansatz in drei pädiatrischen Praxen in Nordrhein-Westfalen, sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum.

Prämisse ist, dass Pädiater Ansprechpartner für Patienten aus allen gesellschaftlichen Schichten sind und eine besondere Vertrauensposition genießen. Als Rahmen für das Erfassen von Hilfebedarfen sollen die Früherkennungsuntersuchungen genutzt werden, an denen nahezu 98% aller Kinder teilnehmen.

Geleitet durch einen von den Familien ausgefüllten Fragebogen zur Lebenssituation, kann der Arzt einen Beratungsbedarf erkennen und Familien gezielt innerhalb der Praxis weitervermitteln. Somit soll die Schwelle für die Inanspruchnahme der Beratung niedrig gehalten werden. Die Pädiater selbst sollen durch die Weiterleitung an geschultes Beratungspersonal entlastet werden.

Im Rahmen der das Projekt begleitenden Feasibility Study soll die Implementierung der Intervention überprüft werden. Die Evaluation ist formativ und partizipativ angelegt und bezieht alle Beteiligten ein.

Vor der Umsetzung der Studie wurde ein positives Ethikvotum der zuständigen Ärztekammern vorbereitet und eingeholt.

Um die Veränderung der Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen durch die Zielgruppe zu erfassen, wurde in der Vorphase der Studie in den Kinder- und Jugendarztpraxen eine Datenerhebung durchgeführt und eine Vergleichsstichprobe generiert. In der Vorphase wurden zu zwei Messzeitpunkten die psychosoziale Belastung der Familien, der Bedarf nach Beratungs- und Unterstützungsleistungen sowie die Inanspruchnahme erfasst. Wird bei den Familien eine psychosoziale Belastung festgestellt, so erfolgt die Behandlung der Familien nach dem bisher üblichen Vorgehen – treatment as usual (TAU).

In der Hauptphase der Feasibility Study wurde zwischen zwei Messzeitpunkten die Soziale Prävention implementiert. Unterschiede zwischen belasteten Familien ohne Soziale Präventionsangebote (TAU) und denen mit Sozialen Präventionsangeboten können somit verglichen werden.

Um die vier Zielvariablen Inanspruchnahme, Akzeptanz, Praktikabilität der Intervention sowie ihre Strukturbildung nach Implementierung der Sozialen Präventionsangebote bewerten zu können, werden diese zusätzlich in der Hautphase der Studie erfasst.

Durch Akzeptanzprüfungen, Aufwandsmessungen sowie den Netzwerkanalysen in 3 Kommunen lassen sich Aussagen über Optimierungsnotwendigkeiten zur weitergehenden Umsetzung treffen.

Stichprobe: In die Stichprobe werden alle Kinder/Jugendlichen und ihre Sorgeberechtigten eingeschlossen, die in den N=3 Modellpraxen an den Früherkennungsuntersuchungen in dem Zeitraum 2017 bis 2019 teilnehmen.

Auf Grundlage der bisherigen Datenlage ist mit einer hohen Teilnahmequote an den Früherkennungsuntersuchungen zu rechnen. Anhand des Risiko- und Belastungsbogens kann der Unterstützungsbedarf der teilnehmenden Familien ermittelt werden. In die Stichprobe sollen zudem das medizinische Fachpersonal der Kinder- und Jugendarztpraxen sowie die beteiligten Akteure des multiprofessionellen Teams eingeschlossen werden.

Instrumente: Zur Erfassung der vier Zielvariablen Inanspruchnahme, Akzeptanz, Praktikabilität sowie der Strukturbildung wurden Fragebögen für Eltern, Akteure in der Kinder- und Jugendarztpraxis und der Jugendhilfe entwickelt. Auch wird eine Aufwandmessung je Fallgeschehen erfasst.

Des Weiteren wird eine Netzwerkanalyse durchgeführt, in dessen Rahmen beteiligte Akteure zur Prüfung der Überleitung ins Hilfesystem befragt werden.

Zu erwartende Ergebnisse der Evaluation: Die beschriebene Evaluation wird explizit keine Wirkaussagen treffen können. Die Feasibility Study liefert jedoch wesentliche Ergebnisse zur Ausweitung des Modellprojekts auf weitere Praxen (Praxistransfer).

Praktische Implikationen: Nach erfolgreicher Umsetzung im Modellstadium gilt es, die gewonnenen Erkenntnisse umzusetzen und für den Praxistransfer standardisierte Abläufe, Bewertungsinstrumentarien, Eltern-Materialien und ein praktikables Monitoring für die Erweiterung auf weitere Kinder- und Jugendarztpraxen oder Bundesländer zu entwickeln.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige. Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche. Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.