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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Versorgung im interdisziplinären Netzwerk – Accountable Care in Deutschland

Meeting Abstract

  • Verena Leve - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf
  • Wiebke Schüttig - Ludwig-Maximilians-Universität München, Fachbereich Health Services Management, München
  • Ronja Flemming - Ludwig-Maximilians-Universität München, Fachbereich Health Services Management, München
  • Olaf Reddemann - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf
  • Christiane Höhling - AOK Rheinland/Hamburg – Die Gesundheitskasse, Unternehmensbereich Stat. Versorgung, Düsseldorf
  • Olga Dortmann - AOK Rheinland/Hamburg – Die Gesundheitskasse, Stabsbereich Politik – Gesundheitsökonomie – Presse, Düsseldorf
  • Miguel Tamayo Korte - Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, Abt. Medizin und Versorgung, Düsseldorf
  • Barbara Gentges - Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, Accountable Care in Deutschland, Düsseldorf
  • Stefan Wilm - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf
  • Leonie Sundmacher - Ludwig-Maximilians-Universität München, Fachbereich Health Services Management, München

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf051

doi: 10.3205/18dkvf051, urn:nbn:de:0183-18dkvf0517

Published: October 12, 2018

© 2018 Leve et al.
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Text

Hintergrund: In der Koordination der Versorgung von Patienten*innen sowohl innerhalb der ambulanten Versorgung als auch zwischen ambulantem und stationärem Bereich bestehen besondere Herausforderungen. Wenn beispielsweise bei der Entlassung aus dem Krankenhaus Probleme für die ambulante Weiterbehandlung entstehen, steigt das Risiko einer erneuten Aufnahme. So wurde im Jahr 2014 etwa jede*r dritte Herzinfarkt-Patient*in nach der Entlassung innerhalb eines Jahres erneut aufgrund einer Herzerkrankung aufgenommen. Das Projekt zielt darauf ab, die Zusammenarbeit in der ambulanten Versorgung zu stärken. Studien aus Kanada und den USA belegen, dass ein regelmäßiger, informeller Austausch zwischen den an der Versorgung Beteiligten und abgestimmte Behandlungspfade erneute Krankenhausaufnahmen effektiv reduzieren können. Im Projekt sollen daher in der Versorgung zusammenarbeitende Akteure identifiziert und miteinander vernetzt werden. Gründe für Probleme in der Versorgung sollen erforscht und die kontinuierliche Behandlung der Patienten*innen verbessert werden. In der ersten Projektphase wird eine Fokusgruppenstudie durchgeführt zur Entwicklung der Intervention, die im weiteren Projektverlauf in einer cluster-randomisierten Studie auf ihre Wirksamkeit hin untersucht wird.

Fragestellung: Für die Fokusgruppenstudie und Pilotierung stehen folgende Fragen im Vordergrund:

  • Wie ist das eigene Netzwerk aus Sicht der Versorgenden konstruiert?
  • Wie sind Behandlungspfade im Netzwerk organisiert und wie ist die Verantwortlichkeit im Netzwerk geregelt?
  • Welche Unterstützungsbedarfe haben Netzwerke für die Verbesserung der kontinuierlichen Versorgung?

Methode: Zunächst werden in Nordrhein-Westfalen Fokusgruppen mit ambulanten Versorgenden aus unterschiedlichen Disziplinen durchgeführt (Allgemeinmedizin, Kardiologie, Urologie, Pneumologie etc.). In den Fokusgruppen werden Bedarfe zur Unterstützung der Netzwerkarbeit im Rahmen von Feedbacksystemen ermittelt. Die transkribierten Aufzeichnungen werden in einem multiprofessionellen Team inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergänzend werden basierend auf Routinedaten zwei Einheiten (Netzwerke) von ambulanten Akteuren identifiziert, die Patienten*innen gemeinsam versorgen und somit für diese „verantwortlich“ (accountable) sind. Im Rahmen von 3-4 aufeinanderfolgenden Netzwerktreffen werden diese Akteure vernetzt und entwickeln die Basis für ein strukturiertes Feedback im Rahmen von moderierten Netzwerktreffen. Es werden lokal spezifische Behandlungspfade für ausgewählte Krankheitsbilder entwickelt, die eine kontinuierliche Versorgung der Patienten*innen optimieren sollen. Die Datenerhebung in den Pilotnetzwerken erfolgt über Beobachtungsverfahren, Dokumentation der Arbeitsergebnisse sowie Protokolle der Treffen. Die Daten der Fokusgruppen werden mit den Daten aus den Pilotnetzwerken in der Auswertung verknüpft.

Ergebnisse: In Bezug auf die Konstruktion von Netzwerken zeigt sich, dass ein reines „Mitbehandeln“ von Patienten*innen nicht als Arbeit im Netzwerk empfunden wird. Wesentlich für die Zugehörigkeit zu einem Netzwerk wird der Grad an erlebter Kooperation zwischen den beteiligten Versorgenden benannt. Zuträglich für die Zugehörigkeit zum Netzwerk sind insbesondere Verhaltensweisen, die mit positiven Effekten für das Wohl der Patienten*innen und als erleichternd im eigenen Arbeitsalltag erlebt werden.

Wünsche für die Zusammenarbeit im Netzwerk betreffen die Verbesserung der niedrigschwelligen Zugänge unter ambulanten Akteuren (telefonische Erreichbarkeit, Möglichkeiten zur direkten Ansprache u.ä.), zuverlässige Informationsweitergabe sowie den fallbezogenen kollegialen Austausch. Auch die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen ambulanter und stationärer Versorgung wird als wichtig bewertet.

Diskussion: Methoden zur Initiierung wechselseitiger Austausch- und Feedback-Prozesse zwischen den Teilnehmenden tragen zur Stärkung von Netzwerken bei. Eine Kombination aus moderiertem Feedback und kollegialem Austausch im Rahmen von Netzwerktreffen erscheint vielversprechend. Das Format der Qualitätszirkel dient hier zur Orientierung. Um interdisziplinäre Netzwerke zu initiieren, muss für Teilnehmende ein Mehrgewinn durch die Vernetzung im Vergleich zur aktuellen Versorgungssituation und bereits bestehenden Angeboten sichtbar sein. Ein Zugang kann dabei die Teilnehmendenzentrierung sein, die sich in der inhaltlichen Ausgestaltung moderierter Austauschprozesse abbildet. Weiterhin gilt, es netzwerkspezifisch Strategien zur Stärkung intersektoraler Kooperationen zu entwickeln.

Praktische Implikationen: Die Mitgestaltung der Inhalte einzelner Interventionselemente durch Studienteilnehmende über den gesamten Studienverlauf trägt zu hohem Praxisbezug der Intervention bei. Dies unterstützt den kollegialen Austausch zu netzwerkrelevanten Versorgungsfragen und leistet einen Beitrag zur Stärkung der Netzwerke.