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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Sanitopia – Regelbasierter Ansatz für ein patientenorientiertes, evidenzbasiertes und effizientes Gesundheitssystem

Meeting Abstract

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  • Klaus Piwernetz - medimaxx health management GmbH, Geschäftsführung, Aschau i. Ch.
  • Edmund A.M. Neugebauer - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neuruppin; Universität Witten/Herdecke, Versorgungsforschung, Witten/Herdecke

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf050

doi: 10.3205/18dkvf050, urn:nbn:de:0183-18dkvf0504

Published: October 12, 2018

© 2018 Piwernetz et al.
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Hintergrund: Deutschland hat ein selbstverwaltetes Gesundheitssystem mit vier Ebenen: Gesundheitspolitik, Selbstverwaltung, Versorgungseinrichtungen und Leistungserbringung. Trotz guter Ansätze weist das Gesundheitssystem einige – auch vom Sachverständigenrat mehrfach benannte - Probleme auf, die vermeidbar wären. Für das Gesundheitssystem werden keine Ziele sondern Strukturen vorgegeben. Gleichzeitig werden insbesondere die Konflikte zwischen Makro- und Mikroebene sowie zwischen Qualität und Ökonomie nicht bearbeitet.

Fragestellung: Lassen sich Probleme des Gesundheitssystems auf Konstruktionsfehler zurückführen? Könnten diese Probleme beseitigt oder vermeiden werden?

Methode: Analytische Beobachtung. Systemkonstruktion.

Ergebnisse: Zahlreiche Probleme des Gesundheitssystems lassen sich darauf zurückzuführen, dass in der Regel nicht Ergebnis- sondern Strukturforderungen vorgegeben werden. Induktiv werden - ausgehend von der Patienten-Arzt-Beziehung - 12 Gebote abgeleitet, mit denen sich das Gesundheitssystem zielorientiert und evidenzbasiert aufbauen ließe. Für alle Gebote gelten die Forderungen nach Evidenz, Qualität, Transparenz, Effektivität, allokativer Effizienz, Angemessenheit und Ethik sowie die einschlägigen Gesetze.

Die Gebote beginnen mit der Prämisse "Das Gesundheitssystem gehört den Versicherten und Bürgern". Daraus folgt unmittelbar, dass Entscheidungen zur Ausprägung des Systems primär an Ihrem Nutzen ausgerichtet werden müssen. In letzter Konsequenz müssten Bürger und Versicherte auch an grundlegenden systemischen Entscheidungen beteiligt werden.

Die Gebote im Einzelnen: Versorgungsebene: 1. Bei allen Behandlungsmaßnahmen muss der Nutzen den Schaden überwiegen (daraus folgen etwa "Nil nocere" und "Quod tibi hoc alteri"). 2. Der Patient entscheidet und verantwortet, was geschieht. 3. Der Arzt verantwortet, wie das konkret umgesetzt wird.

Einrichtungsebene: 4. Die Einrichtungen bekommen operative Gesundheits- und Versorgungsziele (GVZ) als Vorgaben zusammen mit angemessenen Ressourcen. 5. Die Ziele werden über patientenorientierte und evidenzbasierte Prozesse erreicht. 6. Effektivität und Effizienz werden regelmäßig und transparent für die Öffentlichkeit an die Selbstverwaltung (SV) berichtet.

Ebene der Selbstverwaltung: 7. Die gemeinsame Selbstverwaltung (gSV) erstellt jährlich regionale GVZ und definiert Versorgungsaufgaben für die Einrichtungen und die einzelnen Organe der SV. 8. Die gSV optimiert die Ressourcenzuordnung im Sinne der allokativen Effizienz und gleicht Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit aus. 9. Die SV stellt sicher, dass die Versorgungsaufgaben in allen Regionen und unabhängig von Alter, Geschlecht und sozialer Schicht der Patienten erfüllt werden.

Ebene der Gesundheitspolitik: 10. Die Gesundheitspolitik (GesPol) definiert in breitem Konsens nationale GVZ und ordnet die erforderlichen Mittel zu. 11. Die GesPol legt die Rahmenbedingungen und ethischen Maßstäbe fest. 12. Die GesPol delegiert die Zielerreichung an die gSV.

In allen Ebenen gilt die Forderung, dass die jeweils Verantwortlichen bei gegebenen Zielen und adäquaten Ressourcen in der Lage sein müssen, die erforderlichen Prozesse zu definieren und umzusetzen.

Diskussion: Aus den Geboten lässt sich ein schlüssiges System konstruieren und deduktiv verifizieren. Vor der praktischen Umsetzung müssen die Gebote operationalisiert werden. Dabei leiten sich weitere Forderungen für die Beteiligten und Betroffenen ab. Zahlreiche aktuelle Zielkonflikte und lassen sich auf Gebotsverletzungen zurückführen. Gleichzeitig ergeben sich daraus Hinweise auf Lösungsansätze. Im weiteren Verlauf sollen die Gebote auf folgende Eigenschaften untersucht werden: axiomatisch, disjunkt, orthogonal.

Praktische Implikationen: Mit den Geboten und dem daraus konstruierten Gesundheitssystem lassen sich zahlreiche Probleme beschreiben, auf den Kern möglicher Ursachen zurückführen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.