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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Integrierte und gestufte Versorgung psychischer Erkrankungen durch Überwindung sektoraler Behandlungsbarrieren (COMET)

Meeting Abstract

  • Daniela Heddaeus - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Sarah Porzelt - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Jörg Dirmaier - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Martin Scherer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Polyklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Thomas Zimmermann - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Bernd Löwe - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Hamburg
  • Angelika Weigel - Universitätsklinikum Eppendorf
  • Kerstin Maehder - Universitätsklinikum Eppendorf
  • Olaf von dem Knesebeck - Universitätsklinikum Eppendorf
  • Silke Werner - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Soziologie, Hamburg
  • Karl Wegschneider - Universitätsklinikum Eppendorf
  • Anne Daubmann - Universitätsklinikum Eppendorf
  • Hans Helmut König - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Hamburg
  • Thomas Grochtdreis - Universitätsklinikum Eppendorf
  • Ingo Schäfer - Universitätsklinikum Eppendorf
  • Bernd Schulte - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Hamburg; Universität Hamburg, Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS), Hamburg
  • Moritz Rosenkranz - Universitätsklinikum Eppendorf
  • Martin Härter - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf049

doi: 10.3205/18dkvf049, urn:nbn:de:0183-18dkvf0499

Published: October 12, 2018

© 2018 Heddaeus et al.
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Text

Hintergrund: Fast ein Drittel der deutschen Allgemeinbevölkerung erfüllt die Krite-rien für mindestens eine psychische Störung, darunter am häufigsten Angststörungen, affektive Störungen, Substanzmissbrauch, Zwangsstörungen und somatoforme Störungen. 44% der Patienten sind von zwei oder mehr Störungen gleichzeitig betroffen. Versorgungsbarrieren wie geringe Inanspruchnahme adäquater Hilfsan-gebote, lange Wartezeit auf fachgerechte Behandlung und Schnittstellenproblematiken erschweren oft eine leitliniengerechte Behandlung.

Collaborative- und Stepped Care-Modelle stellen vielversprechende Behandlungsansätze zur Verbesserung der Versorgungssituation bestimmter psychischer Erkrankungen dar. Eine Limitation bisheriger Forschung besteht darin, dass diese überwiegend in den Vereinigten Staaten durchgeführt und nur selten für die deutsche Gesundheitsversorgung evaluiert wurden. Zusätzlich blieben viele Forschungsfragen, z. B. ob gestufte integrierte Versorgungsmodelle kosteneffektiv sind und wie sie optimal in die Regelversorgung überführt werden können, bisher offen.

Die hier beschriebene integrierte und gestufte COMET-Intervention berücksichtigt Komorbiditäten und überwindet sektorale Behandlungsbarrieren.

Fragestellung: Ist die COMET-Intervention effektiver als die Regelversorgung gemessen an der Veränderung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (SF-36 psychische Gesundheit)?

Methode: In dieser dreijährigen prospektiven, cluster-randomisierten, kontrollierten Interventionsstudie werden in 50 Hausarztpraxen (25 Interventionsgruppe, 25 Kon-trollgruppe) in Hamburg insgesamt 750 Patienten ab 18 Jahren rekrutiert, die die Kriterien einer depressiven, Angst-, somatoformen und/oder alkoholbezogenen Störung erfüllen. Ausschlusskriterien sind bereits laufende Psycho- bzw. Psychopharmakotherapie sowie ungenügende Deutschkenntnisse. Eine telefonische Befragung der Patienten erfolgt zu Baseline, nach 3, 6 und 12 Monaten.

Hauptoutcome ist die Veränderung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zwi-schen Baseline und nach 12 Monaten. Sekundäre Outcomes umfassen störungs-spezifische Symptombelastung, Response, Remission und weitere klinische und psychosoziale Variablen. Die statistische Analyse erfolgt nach dem Intentio To-Treat-Prinzip. Alle Endpunkte werden durch eine logistische Regression mit gemischten Effekten ausgewertet. Mögliche Standort- oder Clustereffekte wurden durch Adjustierung berücksichtigt.

Die COMET-Intervention umfasst:

  • integriertes multiprofessionelles Behandlernetzwerk
    - Hausärzte, Psychotherapeuten, Psychiater, stationäre Einrichtungen
    - initiale Schulung zu Leitlinien und Collaborative & Stepped Care
    - Onlineplattform zur Vermittlung von Behandlungsplätzen
    - regelmäßige Qualitätszirkel
  • systematisches und tabletgestütztes leitliniengerechtes Screening und Diagnostik
  • leitliniengerechte Behandlungspfade mit Behandlungsoptionen unterschiedlicher Intensität
  • systematisches Monitoring & Case-Management für schwer erkrankte Patienten

Ergebnisse: Das seit Februar laufende Projekt befindet sich aktuell in der Implementierungsphase. Inzwischen wurden mehr als 25 Hausarztpraxen gewonnen sowie ein Netzwerk aus primärmedizinischen, psychiatrischen, psychotherapeutischen und stationären Behandlern aufgebaut. Es wurde eine Terminvergabeplattform zur Patientenvermittlung programmiert und ein webbasiertes Screening- und Diagnostikprogramm für den Einsatz in der Hausarztpraxis entwickelt und umgesetzt. Evidenzbasierte Behandlungspfade wurden entwickelt und die Netzwerkarbeit konnte erfolgreich ge-startet werden.

Diskussion: Ziele von COMET sind die Implementierung, Ergebnis- und Prozessevaluation sowie Kosten-Effektivitätsanalyse eines innovativen integrierten und gestuften Versorgungsmodells in einem multiprofessionellen Behandlernetzwerk im Vergleich zur Regelversorgung. Ein bedeutsamer Wissensgewinn wird bezüglich der Frage erwartet, ob es möglich und effektiv ist, ein breites Spektrum psychischer Erkran-kungen und deren Komorbiditäten untereinander innerhalb eines auf evidenzbasierten Empfehlungen aufgebauten Versorgungsmodells zu behandeln.

Praktische Implikation: Um die Versorgung der Patienten mit depressiven, Angst-, somatoformen und/oder alkoholbezogenen Störungen zu verbessern, ist die Entwicklung eines komplexen integrierten und gestuften Behandlungsmodells in der Primärversorgung, und dessen Evaluation in einer randomisiert-kontrollierten Studie dringend erforderlich.

Der innovative Ansatz berücksichtigt nicht nur Komorbiditäten auf Patientenseite und gestufte, ressourcenschonende Behandlungspfade, sondern setzt zudem auf die Kooperation und Vernetzung der unterschiedlichen Behandler, um Hindernisse zwischen den Sektoren zu überwinden und die Versorgung für alle Beteiligten nachhaltig und kosteneffektiv