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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Evaluation des Vertrages zur Versorgung in den Fachgebieten der Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Baden-Württemberg gemäß §73c SGB V

Meeting Abstract

  • Julia Luise Magaard - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Sarah Liebherz - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Hanne Melchior - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Alexander Engels - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Hamburg
  • Hans-Helmut König - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Hamburg
  • Levente Kriston - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Holger Schulz - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Jeanette Jahed - AOK Baden-Württemberg, Fachbereich Integriertes Leistungsmanagement, Stuttgart
  • Katrin Christiane Reber - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Hamburg
  • Martin Härter - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf048

doi: 10.3205/18dkvf048, urn:nbn:de:0183-18dkvf0488

Published: October 12, 2018

© 2018 Magaard et al.
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Text

Hintergrund: Der Selektivvertrag zur Versorgung in den Fachgebieten der Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (PNP-Vertrag) wurde gemäß § 73c SGB V von der AOK Baden-Württemberg (AOK BW) gemeinsam mit Vertragspartnern entwickelt und flächendeckend in Baden-Württemberg implementiert. Die Versorgung im PNP-Vertrag hat das Ziel, die Gesundheitsversorgung von Menschen mit psychischen und neurologischen Erkrankungen qualitativ und ökonomisch zu verbessern. Der PNP-Vertrag kann zu den Collaborative-Care-Ansätzen gezählt werden. Im Mittelpunkt steht eine von Fachärzten/-ärztinnen und Psychotherapeuten/-therapeutinnen in Verbindung mit Hausärzten/-ärztinnen gemeinsam koordinierte, evidenzbasierte biopsychosoziale Behandlung auf Grundlage einer frühzeitigen und spezifischen Diagnosestellung. Alle AOK BW-Versicherte können sich in das Haus- und FacharztProgramm der AOK einschreiben. Die Teilnahme am HausarztProgramm ist Voraussetzung für die Teilnahme am FacharztProgramm. Das FacharztProgramm umfasst unter anderem die Fachgebiete Neurologie/Psychiatrie/Psychosomatik/Psychotherapie.

Fragestellung: Untersuchungsziel ist die Evaluation (a) der Effektivität, (b) der Kosten, (c) der Detailliertheit der Diagnosen und (d) der Struktur- und Prozessqualität des PNP-Vertrags am Beispiel von acht relevanten psychischen und neurologischen Erkrankungen. Teilnehmende am PNP-Vertrag (=Interventionsgruppe IG-PNP) werden mit den Kontrollgruppen Hausarztzentrierte Versorgung (KG-HZV) und Regelversorgung (KG-UC) verglichen. Die Hauptfragestellungen zu Effektivität und Kosten sind:

1.
Ist die Behandlung von Versicherten mit einer der Fokuserkrankungen im Rahmen des PNP-Vertrags (IG-PNP) effektiver als die Behandlung in der hausarztzentrierten Versorgung (KG-HZV) und der Regelversorgung (KG-UC)?
2.
Können durch die Teilnahme am PNP-Vertrag die Kosten für stationäre und ambulante Behandlungen sowie Medikamente aufgrund einer der Fokuserkrankungen reduziert werden?

Methode: Zur Effektivitätsevaluation (a) wird eine prospektive kontrollierte, nicht-randomisierte Studie mit einer Versichertenbefragung zu Baseline und einem 12-Monats-Follow-up durchgeführt. Zur Kostenevaluation (b) und der Evaluation der Detailliertheit der Diagnosen (c) werden Routinedaten in einem retrospektiven quasiexperimentellen Design analysiert. Eingeschlossen werden Versicherte der AOK Baden-Württemberg, die mindestens 18 Jahre alt sind und aufgrund einer der acht Fokusdiagnosen krankgeschrieben wurden. Zu den Fokusdiagnosen gehören Bipolare Störungen, Depressive Störungen, Angststörungen, Anpassungsstörungen, Somatoforme Störungen, Störungen durch Alkoholabusus, Schizophrenien und Multiple Sklerose. Primäre Outcomes sind (a) gesundheitsbezogene Lebensqualität (operationalisiert über den SF-36) und (b) ambulante und stationäre Versorgungskosten sowie die Medikamentenkosten (operationalisiert über Abrechnungsdaten). Generalisierte lineare Modelle und explorative Analysen werden durchgeführt. Durch Entropy Balancing wird für mögliche Unterschiede zwischen den Gruppen kontrolliert. In einem Exploratory Sequential Design wird die (d) Struktur- und Prozessevaluation untersucht. Hierzu werden ausgewählte Behandler/-innen im PNP-Vertrag mittels halbstrukturierter Interviews befragt, darauf basierend wird ein quantitativer Fragebogen für eine Vollerhebung aller Behandler/-innen mit PNP-Vertrag erstellt.

Das Projekt wird gefördert durch den Innovationsfonds (Versorgungsforschung: Evaluation von Selektivverträgen; Förderkennzeichen: 01VSF16001) und ist im Deutschen Register Klinischer Studien registriert (DRKS00013114).

Ergebnisse: Die prospektive Primärdatenerhebung der Versicherten (n=422) sowie die Interviewbefragung der Behandler/-innen mit PNP-Vertrag (n=8) laufen aktuell. Ergebnisse liegen bislang noch nicht vor. Es wird erwartet, dass die Interventionsgruppe (IG-PNP) höhere gesundheitsspezifische Lebensqualität aufweist als die Kontrollgruppen (KG-HZV, KG-UC). Zudem wird erwartet, dass die Behandlungskosten für die Versicherten der Interventionsgruppe (IG-PNP) im Vergleich zu den Versicherten der Kontrollgruppen (KG-HZV, KG-UC) geringer sind. Die aus der Sicht ausgewählter Behandler/-innen mit PNP-Vertrag zu evaluierenden Aspekte des PNP-Vertrags sowie die Baseline-Daten können berichtet werden.

Diskussion: Durch die Evaluation wird eine umfassende Bewertung des PNP-Vertrags für die Versorgung von Menschen mit psychischen und neurologischen Erkrankungen aus der Perspektive von Versicherten, Behandlern und Krankenkassen möglich. Bislang fehlen systematische Evaluationen der Effektivität, Kosten, Qualität und Umsetzbarkeit von Selektivverträgen in der Versorgung von Menschen mit psychischen und neurologischen Erkrankungen in Deutschland.

Praktische Implikationen: Aus der Studie sollen Empfehlungen zur Verbesserung des PNP-Vertrags sowie zur Übertragbarkeit auf ähnliche Collaborative-Care-Modelle und die Regelversorgung abgeleitet werden.