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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Akzeptanz gesundheitspolitischer Maßnahmen zur Reduktion des Tabakkonsums in Deutschland: Ergebnisse einer repräsentativen Befragung (DEBRA Studie)

Meeting Abstract

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  • Sabrina Kastaun - Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin, Schwerpunkt Suchtforschung und klinische Epidemiologie, Düsseldorf
  • Daniel Kotz - Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin, Schwerpunkt Suchtforschung und klinische Epidemiologie, Düsseldorf
  • Melanie Böckmann - Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin, Schwerpunkt Suchtforschung und klinische Epidemiologie, Düsseldorf

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf043

doi: 10.3205/18dkvf043, urn:nbn:de:0183-18dkvf0434

Published: October 12, 2018

© 2018 Kastaun et al.
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Text

Hintergrund: Die Behandlung der Tabakabhängigkeit ist von großem Interesse für die öffentliche Gesundheit. Dennoch liegt die Prävalenz des Tabakrauchens in Deutschland weiterhin auf hohem Niveau (28%). Laut Rahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakkonsums (WHO-FCTC) sollten Länder wie Deutschland, die die WHO-FCTC ratifiziert haben, gesundheitspolitische Maßnahmen umsetzen, die eine effektive Behandlung der Tabakabhängigkeit für alle gesellschaftlichen Gruppen gewährleisten. Solche Maßnahmen beinhalten das breitflächige, kostenfreie Angebot evidenzbasierter Tabakentwöhnungstherapien, das routinemäßige Angebot von Kurzberatung zur Tabakentwöhnung in der medizinischen Primärversorgung und die Ausbildung von im Gesundheitswesen tätigen Personen darin, rauchende Patientinnen und Patienten beim Rauchstopp zu unterstützen. Gegenüber anderen europäischen Ländern ist die Umsetzung dieser Maßnahmen in Deutschland bislang nur unzureichend: Kurzberatung zur Tabakentwöhnung wird in der medizinischen Primärversorgung selten angeboten; eine Erstattung der Kosten evidenzbasierter Therapien erfolgt nicht oder nur teilweise. Die gesellschaftliche Akzeptanz genannter Maßnahmen stellt eine relevante Grundlage für deren Umsetzung dar.

Fragestellung: Wie ist die Akzeptanz für WHO-FCTC-konforme gesundheitspolitische Maßnahmen in Deutschland? Ist die Akzeptanz mit Soziodemographie oder Rauchverhalten der Befragten assoziiert?

Methode: Die Deutsche Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA Studie, www.debra-study.info, DRKS00011322) ist eine repräsentative, fortlaufende, computer-gestützte, persönlich-mündliche Haushaltsbefragung, die zweimonatlich soziodemographische Daten sowie Tabak- und E-Zigarettenkonsum von je ca. 2.000 Personen im Alter von 14 Jahren oder älter erhebt. Daten zur Befürwortung oder Ablehnung (Antwortoptionen: etwas, stark, weder noch, keine Angabe) folgender gesundheitspolitischer Maßnahmen wurden in Welle 2 (August/September 2016) der DEBRA Studie in einer Stichprobe von 2.087 Personen ermittelt: "(1) Jeder/r Raucher/in die/der möchte, sollte evidenzbasierte Behandlung zur Tabakentwöhnung mit Kostenerstattung erhalten; (2) alle in der direkten medizinischen Patientenversorgung tätigen Personen sollten in der Tabakentwöhnung geschult sein; Tabakentwöhnung sollte als Standardtherapie für Raucher/innen mit chronischen (3) körperlichen oder (4) psychischen Erkrankungen angeboten werden."

Die Einstellung zu diesen Maßnahmen wurde deskriptiv mit für die Bevölkerung Deutschlands gewichteten Daten dargestellt. Zusammenhänge zwischen der Einstellung der Befragten (dichotome abhängige Variable: Zustimmung Ja vs. Nein) und Parametern des Rauchverhaltens (Rauchstatus, Motivation zum Rauchstopp, erfolgter Rauchstoppversuch im letzten Jahr) sowie soziodemographische Variablen (Alter, Geschlecht, Schulbildung, Haushaltsnettoeinkommen) wurden explorativ über multivariate logistische Regressionsanalysen mit ungewichteten Daten ermittelt.

Ergebnisse: Stichprobenzusammensetzung: 51,9% Frauen, im Mittel 51,8 Jahre alt (+ 20 Jahre), 1.107 (53,7%, 95%Konfidenzintervall (KI)=51%-55%) Nichtraucher/innen, 369 (17,9%, KI=16%-19%) Ex-Raucher/innen und 586 (28,4%, KI=26%-30%) aktuelle Raucher/innen.

Mehr als 50% der Bevölkerung würden die Einführung kostenfreier Therapie zur Tabakentwöhnung (KI=50-55%) sowie Tabakentwöhnung als Standardtherapie für Raucher/innen mit chronischen psychischen Erkrankungen (KI=47-52%) befürworten. Über 60% würden die Schulung in der direkten medizinischen Patientenversorgung Tätiger (KI=60-64%) und die Einführung von Tabakentwöhnung als Standardtherapie für Raucher/innen mit chronischen körperlichen Erkrankungen (KI=66-70%) unterstützen. Unter aktuellen Rauchern/innen ist die prozentuale Zustimmung vergleichbar hoch. Verglichen mit Raucher/innen befürworten Nichtraucher/innen die Maßnahmen 2 und 4 häufiger (Odds ratio (OR) 1.43 (KI=1.14-1.79); OR 1.39 (KI=1.11-1.73)). Männer unterstützen die Maßnahmen 1 und 3 dagegen seltener als Frauen (OR 0.80 (KI=0.66-0.97); 0.74 (KI=0.60-0.91)). Weitere Zusammenhänge zu Soziodemographie oder Parametern des Tabakkonsums zeigten sich keine (p-Werte aller ORs >0.05).

Diskussion: Sowohl in der rauchenden als auch in der nichtrauchenden Bevölkerung Deutschlands zeigt sich eine breite Zustimmung für die Einführung genannter gesundheitspolitischer Maßnahmen. Soziodemographie sowie Merkmale des Rauchverhaltens scheinen damit nicht wesentlich assoziiert zu sein. Allerdings wurden Unterschiede in Abhängigkeit des Geschlechts festgestellt.

Praktische Implikationen: In der medizinischen Gesundheitsversorgung in Deutschland ist die Umsetzung von Maßnahmen zur Senkung individueller und gesellschaftlicher Auswirkungen des Tabakkonsums dringend notwendig. Für gesundheitspolitische Entscheidungen zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die in der WHO-FCTC empfohlenen Maßnahmen zumindest aus Sicht der Bevölkerung breite Zustimmung erhalten würden.