gms | German Medical Science

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Interventionsregion und Vergleichsregionen in einer quasi-experimentellen Studie der regionalen Versorgungsforschung: Eine Methodik zur Auswahl strukturähnlicher Vergleichsregionen

Meeting Abstract

  • Achim Siegel - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen
  • Patrik Dröge - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Qualitäts- und Versorgungsforschung, Berlin
  • Erik Farin-Glattacker - Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Freiburg
  • Max Geraedts - Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Medizin, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg
  • Erika Graf - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert‐Ludwigs‐Universität Freiburg, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Freiburg
  • Peter Ihle - Universität zu Köln, PMV Forschungsgruppe, Köln
  • Ingrid Köster - Universität zu Köln, PMV Forschungsgruppe, Köln
  • Claudia Mehl - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg
  • Jutta Schmitz - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg
  • Ingrid Schubert - Universität zu Köln, PMV Forschungsgruppe, Köln
  • Dominikus Stelzer - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert‐Ludwigs‐Universität Freiburg, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Freiburg
  • Werner Vach - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert‐Ludwigs‐Universität Freiburg, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Freiburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf029

doi: 10.3205/18dkvf029, urn:nbn:de:0183-18dkvf0299

Published: October 12, 2018

© 2018 Siegel et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund: Der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss fördert die Evaluation der populationsbezogenen Integrierten Versorgung Gesundes Kinzigtal (IVGK). Das Einzugsgebiet der IVGK (Postleitzahlen 77709-77797, 78132) ist eine ländlich und kleinstädtisch geprägte Region, deren Hauptsiedlungsgebiete in einer breiten Talsohle zwischen Nord- und Südschwarzwald liegen. Bereits vor Einführung der IVGK im Jahr 2006 war im Kinzigtal ein Ärztenetz aktiv. In der laufenden Studie soll für die Jahre 2005-15 die Qualität der Gesundheitsversorgung im Kinzigtal (Interventionsregion) mit zwei größeren Kontrollgruppen verglichen werden: zum einen mit einer Reihe strukturähnlicher Vergleichsregionen in Baden-Württemberg (Kontrollgruppe 1), zum anderen mit einer Zufallsstichprobe von AOK-Versicherten aus dem gesamten Baden-Württemberg mit Ausnahme des Kinzigtals (Kontrollgruppe 2). Grundlage der Evaluation sind Routinedaten des WIdO (Wissenschaftliches Institut der Ortskrankenkassen) bzw. der AOK Baden-Württemberg. Eine erste Herausforderung der Studie ist die Festlegung von Kontrollgruppe 1.

Fragestellung: Gemäß Vorhabensbeschreibung sind für die Interventionsregion ca. 10 strukturähnliche Vergleichsregionen datengestützt auszuwählen; in der Hälfte der Vergleichsregionen sollte ein Ärztenetz aktiv gewesen sein.

Methodik: Als erstes Kriterium zur Auswahl einer Vergleichsregion wurde festgelegt, dass diese ein geographisch zusammenhängendes Gebiet bilden und als Siedlungsformen nur Landgemeinden, Kleinstädte und allenfalls kleine Mittelstädte (Städte bis unter 50.000 Einwohner) enthalten sollte. Stichtag zur Bestimmung der Einwohnerzahl war der 31.12.2015 (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg). Die Untergruppe der Vergleichsregionen ohne aktives Ärztenetz sollte zudem – wie die Interventionsregion – durch ein Flusstal geprägt sein; für die Untergruppe der Vergleichsregionen mit aktivem Ärztenetz wurde dieses Kriterium aufgegeben, damit eine hinreichend große Untergruppe zustande kommen konnte. Die Eigenschaften der Ärztenetze wurden anhand einer online verfügbaren Liste der Agentur deutscher Arztnetze sowie der Webseiten der betreffenden Netze erhoben; ergänzend wurden telefonisch oder per E-Mail die Netz-Ansprechpartner befragt. Um potentielle Vergleichsregionen hinsichtlich sozio-ökonomischer und versorgungsstruktureller Merkmale mit der Interventionsregion vergleichen zu können, erhoben wir für die in den einzelnen Regionen liegenden Gebietskörperschaften die folgenden 9 Kennziffern: (1) Arbeitslosigkeit 2005-07, (2) Einkommenssteueraufkommen 2005-07, (3) Pendlersaldo 2014, (4) mittlere Entfernung zum nächsten Krankenhaus in Pkw-Fahrminuten, (5) Ausländeranteil 2015, (6) Anteil der Beschäftigten ohne Berufsabschluss 2015, (7) Anteil der Beschäftigten mit Hochschulabschluss 2015, (8) Anzahl Einwohner pro niedergelassenem Hausarzt 2015, (9) Anzahl Einwohner pro niedergelassenem Vertragsarzt oder –psychotherapeuten 2015. Die Kennziffern (1) bis (4) wurden direkt der Datenbank INKAR online entnommen, die Daten für die Kennziffern (5) bis (7) erhielten wir vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg. Die Daten für die Kennziffern (8) und (9) entnahmen wir Berichten der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg.

Ergebnisse: In einem ersten Schritt wurden 29 potentielle Vergleichsregionen identifiziert, die (a) das Kriterium Siedlungsform erfüllten und (b) durch ein Flusstal geprägt waren und/oder in denen im fraglichen Zeitraum ein Ärztenetz aktiv war. In einem zweiten Schritt wurden die 29 Regionen hinsichtlich ihrer sozio-ökonomischen und versorgungsstrukturellen Merkmale (sowie noch einmal genauer hinsichtlich ihrer Siedlungsform) mit der Interventionsregion verglichen; wichen die Merkmale einer potentiellen Vergleichsregion dem Augenschein nach stark von denen der Interventionsregion ab, wurde die Region ausgeschlossen. Ebenfalls ausgeschlossen wurden Regionen, deren Einwohnerzahl weniger als die Hälfte der Interventionsregion betrug oder die in unmittelbarer Nähe eines Krankenhauses der Maximalversorgung lagen. Im Ergebnis wurden 13 Vergleichsregionen in die Studie eingeschlossen; in 7 dieser Regionen war ein Ärztenetz aktiv.

Diskussion: Das gewählte Vorgehen generierte eine genügend große Anzahl von Vergleichsregionen, die der Interventionsregion hinreichend ähnlich sind. Um die Vergleichbarkeit der Regionen weiter zu verbessern, erwägen wir eine Adjustierung der Studien-Outcomes unter anderem mittels des German Index of Socio-Economic Deprivation (GISD).

Praktische Implikationen: Das von uns gewählte Vorgehen bei der Auswahl von Vergleichsregionen für eine gegebene Interventionsregion erscheint hinreichend zielführend und praktikabel. Es kann für ähnliche Studien der regionalen Versorgungsforschung empfohlen werden.

Das diesem Abstract zugrunde liegende Projekt wird mit Mitteln des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss unter dem Förderkennzeichen 01VSF16002 gefördert.