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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Physiotherapeutische Versorgungssituation in Deutschland: Analyse der Leistungen aus dem Heilmittelkatalog der Physikalischen Therapie von 2007 bis 2016 und Prognose für 2026

Meeting Abstract

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  • Christian Kopkow - Hochschule für Gesundheit, Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Bochum
  • Sandra Garsch - Dresden International University, Zentrum für Gesundheitswissenschaften und Medizin, Dresden

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf004

doi: 10.3205/18dkvf004, urn:nbn:de:0183-18dkvf0049

Published: October 12, 2018

© 2018 Kopkow et al.
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Hintergrund: Laut Heilmittelbericht 2017 vom Wissenschaftlichen Institut der AOK beliefen sich die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenkassen 2016 insgesamt auf 223 Mrd. Euro. Rund 6,5 Mrd. Euro (2,9 Prozent) entfielen dabei auf Ausgaben für Heilmittelleistungen, wobei Leistungen der Physiotherapie den größten Anteil darstellen. Dabei wurde bereits in der Vergangenheit eine Zunahme von Leistungen aus dem Heilmittelkatalog der Physikalischen Therapie in Deutschland festgestellt, ebenso eine heterogene Versorgungssituation. Bedingt durch einen bereits existierenden Fachkräftemangel erscheint eine Zunahme von Leistungen problematisch und zu Versorgungsdefiziten zu führen.

Fragestellung: Ziel der Studie war die Analyse der Inanspruchnahme verordneter physikalischer Heilmittel sowie der entsprechenden Bruttoumsatzentwicklung von Versicherten der GKV im Beobachtungszeitraum von 2007 bis 2016 sowie die Prognose für 2026 in Bezug auf Leistungen aus dem Heilmittelkatalog, Bruttoumsatz sowie des zukünftigen Bedarfs an physiotherapeutischen Fachkräften.

Methode: Um Informationen zur Versorgung von Leistungen aus dem Heilmittelkatalog der Physikalischen Therapie in Deutschland abzubilden, wurde das frei zugängliche Heilmittel-Informations-System des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-HIS) herangezogen. Zur Datengewinnung wurden sowohl die Berichte der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen als auch der Bundesbericht genutzt und Informationen zu Leistungen der Physikalischen Therapie für den Zeitraum 2007 bis 2016 extrahiert. Zusätzlich wurden die Daten aus der KM 6 Statistik sowie die Personaldaten der Physiotherapie des Statistischen Bundesamtes genutzt.

Für die Prognose der Inanspruchnahme an Verordnungsblättern bis 2026 wurden die Absolutwerte der Gesamtverordnungsblätter pro Jahr im Beobachtungszeitraum extrahiert. Die geschätzte Inanspruchnahme bis 2026 wurde mit der Funktion des Prognoseblattes aus Microsoft Excel 2016 berechnet (SCHÄTZER.ETS sowie SCHÄTZER.ETS.KONFINT). Außerdem wurde die Prognose der Entwicklung des Bruttoumsatzes in Tsd. [€] (absolut) anhand der Jahresumsätze erstellt.

Ergebnisse: Im Beobachtungszeitraum konnte eine Zunahme der Inanspruchnahme von physiotherapeutischen Leistungen aus dem Heilmittelkatalog sowie eine heterogene Versorgungssituation in Deutschland festgestellt werden. Für die Anzahl der ausgestellten Verordnungsblätter zeigte sich ein Anstieg von 26.717.607 (2007) auf 31.475.424 (2016) im Beobachtungszeitraum. Auch für die Bruttoumsatzquote konnte ein Anstieg von 43.481 € je 1.000 GKV Versicherte (2007) auf 65.115 € je 1.000 GKV Versicherte (2016) identifiziert werden.

Sachsen zeigte sich über den gesamten Beobachtungszeitraum als das Bundesland mit der höchsten Inanspruchnahme an Verordnungen je 1.000 GKV Versicherte (Jahr 2007: 535; Jahr 2015: 626). . In Nordrhein-Westfalen (2007: 250; 2016: 351) und Hessen (Jahr 2007: 321; Jahr 2016: 373) ist gleichbleibend die geringste Inanspruchnahme an Verordnungen je 1.000 GKV Versicherte im Beobachtungszeitraum erkennbar.

Bis 2026 wurde ein kontinuierlicher Anstieg der Verordnungsblätter und des Bruttoumsatzes in Tsd. [€] anhand der vorliegenden Daten berechnet. Dabei könnte bis 2026 mit einem Anstieg der Verordnungsblätter um ca. 26% und für den Bruttoumsatz in Tsd. [€] um 63% im Vergleich zum Referenzjahr 2015 gerechnet werden. Um die prognostizierte steigende Inanspruchnahme der Verordnungen in der therapeutischen Versorgung langfristig sicherzustellen, könnten im Jahr 2026 schätzungsweise 53.521 mehr Therapeuten*innen als noch 2015 benötigt werden (Anstieg um 23 %).

Diskussion: Die Ergebnisse der Studie zeigen eine kontinuierliche Zunahme sowie eine heterogene Versorgungssituation von Leistungen aus dem Heilmittelkatalog der Physikalischen Therapie in Deutschland. Ursachen können auf Basis der analysierten Daten nicht identifiziert werden und zeigen den hohen Bedarf an weiteren Untersuchungen auf.

Um die steigende Inanspruchnahme von Leistungen aus dem Heilmittelkatalog der Physikalischen Therapie in Deutschland sicherzustellen, muss geprüft werden, ob und wenn ja, in welchen Bereichen Über-, Unter– oder Fehlversorgung existiert. Zudem muss einem Fachkräftemangel mit geeigneten Strategien entgegengewirkt werden.

Praktische Implikationen: Die Entwicklung von Kriterien von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zur Evaluation von physiotherapeutischen Leistungen ist notwendig, um die Versorgungsqualität adäquat abbilden zu können und möglicherweise existierende Über-, Unter- oder Fehlversorgung zu identifizieren. Um die zukünftige physiotherapeutische Versorgung auf einem qualitativ hohen Behandlungsniveau sicherstellen zu können, ist eine professionsübergreifende und am Patientennutzen ausgelegte Forschung erforderlich.