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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Ermittlung der Prävalenz von Hautkrebs auf Grundlage von Routinedaten der GKV

Meeting Abstract

  • Magdalene Krensel - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hamburg
  • Jana Petersen - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hamburg
  • Katharina Müller - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hamburg
  • Matthias Augustin - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hamburg
  • Ines Schäfer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hamburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf002

doi: 10.3205/18dkvf002, urn:nbn:de:0183-18dkvf0028

Published: October 12, 2018

© 2018 Krensel et al.
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Text

Hintergrund: Der Hautkrebs ist die häufigste aller Krebserkrankungen in Deutschland. Eine Hochrechnung der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister für 2014 ergab 20.000 Neuerkrankungen am malignen Melanom (MM) und 138.000 Neuerkrankung am nicht-melanozytären Hautkrebse (NMSC) in Deutschland. Diese Daten eignen sich jedoch nicht um die Versorgung von Hautkrebspatienten abzubilden. Eine Datenquelle, die dies ermöglicht, stellen die Routinedaten der GKV dar. Die erste Herausforderung besteht dabei in der Identifizierung der Hautkrebspatienten.

Fragestellung: Das Ziel dieser Studie besteht in einer Gegenüberstellung und dem Vergleich der Hautkrebsprävalenz nach Stadien basierend auf Routinedaten unter Anwendung verschiedener Falldefinitionen. Für die Quantifizierung des Versorgungsbedarfs werden bei der Prävalenz die Stadien approximiert.

Methoden: Die Datengrundlage bildet eine 40%ige repräsentative Stickprobe von Versicherten der DAK-Gesundheit, die vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 durchgängig versichert waren.

1.
In der ersten Falldefinition wurden alle Versicherten, die mindestens eine gesicherte Hautkrebs-Diagnose im ambulanten Bereich oder eine Hauptdiagnose mit stationären Bereich aufweisen, als Hautkrebspatienten gezählt.
2.
Eine strengere Falldefinition bezieht im ambulanten Bereich lediglich Fälle ein, bei denen die Kodierung durch einen Dermatologen erfolgt ist.
3.
Im dritten Ansatz der Falldefinition werden ebenfalls stationär behandelte Personen mit einer Metastase in der Haupt- und Hautkrebs in einer Nebendiagnose als Hautkrebspatienten gezählt.
4.
In einer alternativen Falldefinition muss zusätzlich eine hautkrebsspezifische Leistung erbracht oder ein spezifisches Arzneimittel verordnet werden.

Da bei Hautkrebs aus der ICD-Kodierung nicht direkt das Stadium der Erkrankung abgeleitet werden kann, wird der Schweregrad auf Grundlage der Kodierung von Metastasen approximiert.

Ergebnisse: Die Hautkrebs-Prävalenz variiert stark in Abhängigkeit von der gewählten Falldefinition. Wenn eine Person bereits bei einmaligem Vorliegen einer gesicherten ambulanten Diagnose oder einer stationären Hauptdiagnose als Hautkrebspatient gezählt wird, beträgt die Prävalenz des MM 0,43% und die Prävalenz des NMSC 1,72%. Die Berücksichtigung von Hautkrebs in stationären Nebendiagnosen bei gleichzeitiger Kodierung von Metastasen in der Hauptdiagnose hat keine Auswirkung auf die epidemiologische Maßzahl. Die Aufnahme der Dokumentation durch einen niedergelassenen Dermatologen in die Falldefinition im ambulanten Bereich führt zu einem deutlichen Absinken der Prävalenz auf 0,24% für das MM und auf 1,16% für den NMSC. Wird die Erbringung einer Hautkrebs-spezifischen Therapie in die Falldefinition einbezogen, sinkt die Prävalenz auf 0,15% für das MM und auf 0,79% für den NMSC.

Unter Verwendung aller 4 Falldefinitionen ist bei den meisten Hautkrebspatienten keine Metastase im selben Fall wie die Hautkrebsdiagnose kodiert worden, so dass der Erkrankung das Stadium I/II zugeteilt wurde. Im Stadium I/II lag die Prävalenz für MM zwischen 0,1489% und 0,4253%, für NMSC zwischen 0,7892% und 1,7150%.

Bei den fortgeschrittenen Stadien ergab sich bei Anwendung von Definitionen, die Metastasen als Hauptdiagnose einschließen, eine höhere Prävalenz. In Stadium III variiert die Prävalenz für MM zwischen 0,0023% und 0,0041%, für NMSC zwischen 0,0011% und 0,0015%. In Stadium IV betrug die Prävalenz für MM zwischen 0,0034% und 0,0048%, für NMSC zwischen 0,0009% und 0,0012%.

Diskussion: Die Anwendung der strengen Definition weist Limitationen auf: Hautkrebs wird häufig mit spezifischen Rezepturen, behandelt, die sich nicht anhand ihrer Kodierung in den GKV-Daten identifizieren lassen, wodurch die Fallzahl unterschätzt werden kann. Bei anderen spezifischen ambulant-ärztlichen Leistungen besteht die Möglichkeit, dass sie erbracht werden, wenn lediglich ein Verdacht auf Hautkrebs besteht. Auch bei den weniger strengen Definitionen besteht das Risiko einer Überschätzung der Fallzahl. Für ihre Anwendung spricht, dass bei einer potentiell schwerwiegenden Erkrankung wie Hautkrebs davon ausgegangen werden kann, dass die Diagnose nur als gesichert kodiert wird, wenn sie auch tatsächlich vorliegt und dass die Versorgung nicht bereits Teil der Falldefinition ist. Die Bestimmung des Schweregrades kann nur unter zu Hilfenahme von Annahmen erfolgen. Die Verwendung der Metastasen-Kodierung scheint hierbei die zuverlässigste Alternative zu sein.

Praktische Implikation: Routinedaten stellen eine wertvolle Datenquelle für die Versorgungsforschung dar. Die Gegenüberstellung verschiedener Falldefinitionen verweist auf die Notwendigkeit, insbesondere bei Sekundärdatenauswertungen, die zugrundeliegenden Ziehungsalgorithmen jeweils explizit zu beschreiben. Erst dann ist eine zuverlässige Interpretation und Vergleichbarkeit z.B. epidemiologischer Maßzahlen gegeben.