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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Inanspruchnahme und Nutzbarkeit regionaler Angebotsstrukturen bei Demenz

Meeting Abstract

  • Hannah Gröber - Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Köln, Germany
  • Liane Schirra-Weirich - Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Köln, Germany
  • Nadine van der Meulen - Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Köln, Germany
  • Henrik Wiegelmann - Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Köln, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP158

doi: 10.3205/17dkvf391, urn:nbn:de:0183-17dkvf3912

Published: September 26, 2017

© 2017 Gröber et al.
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Text

Hintergrund: Der Großteil von Menschen mit Demenz wird von Angehörigen zu Hause versorgt (Frewer-Graumann, 2014). Versorgende Angehörige stellen wichtige Akteure im Versorgungssystem dar. Sie sind aufgrund der Situation stark belastet, nehmen jedoch Unterstützungsangebote wenig in Anspruch. Bedürfnisse der Angehörigen müssten fokussiert werden um langfristig häusliche Versorgungsarrangements zu stabilisieren.

Fragestellung: Wie ist die aktuelle Angebotsstruktur in der Region? Das regionale Versorgungsangebot soll analysiert werden.

Wie und von wem werden die Angebote in Anspruch genommen? Ergebnisse sollen Informationen über die Nutzungsrate und Prädiktoren der Angehörigen identifizieren. Es soll die Inanspruchnahme und Nutzbarkeit von Unterstützungsleistungen untersucht werden.

Welche Barrieren gibt es hinsichtlich der Nutzung von Angeboten? Individuelle, systemische und institutionelle Barrieren für die Inanspruchnahme sollen ermittelt werden.

Welche regionalen Versorgungslücken gibt es? Es soll herausgefunden werden, welche Personen nicht mit aktuellen Angeboten erreicht werden. Ausgehend davon, dass der ländliche Raum unterversorgt ist, liegt ein Fokus des Projektes in der Analyse der Unterschiede der Versorgung von ländlichem und städtischem Raum.

Methode: Es handelt sich um ein „Mixed-Method“ Projekt (Ernst, 2004). Nach einer Literaturrecherche werden drei Arbeitspakete durchgeführt.

Drei Fokusgruppen (qualitativ) (Schulz et al., 2012) mit an der Versorgung von Menschen mit Demenz beteiligten AkteurInnen (versorgende Angehörige, Anbieter, Experten) zu folgenden Themen: Inanspruchnahme, Nutzbarkeit von Angeboten, Barrieren, Versorgungslücken. Die Auswertung erfolgte über qualitative Inhaltsanalysen.

Anbieterbefragung (quantitativ) (Raab-Steiner et al., 2016): Online-Fragebogen (n=70); Analyse der Anbieterperspektive.

Angehörigenbefragung (quantitativ): Schriftliche Befragung (n=250); Analyse der NutzerInnenperspektive und des nutzungsspezifischen Verhaltens.

Ergebnisse: Aktuelle Ergebnisse der Fokusgruppen: TeilnehmerInnen der Angehörigengruppe berichten von Belastungen durch die Pflege und Betreuung, vor allem aber durch den notwendigen organisatorischen Aufwand. Außerdem wird eine fehlende Unterstützung durch eine Grundversorgung als sozialstaatliche Daseinsvorsorge bemängelt. Barrieren der Inanspruchnahme sind die mangelnde Flexibilität und eine fehlende unabhängige Beratung. Häufig greifen versorgende Angehörige auf das private Netzwerk (informelle Hilfen) zurück. Im Optimalfall ergänzen sich formelle und informelle Versorgung.

Die ExpertInnen merken an, dass es im ländlichen Raum an qualifizierter Grundversorgung (Fachärzte, Pflegedienste) fehlt. Der Zugang zu passgenauen Angeboten wird u.a. durch lange Wege und Wartezeiten erschwert. Deutlich wird, dass Netzwerke aufgrund von Konkurrenz zwischen den Anbietern nicht zu Stande kommen, Anbieter nicht individuenzentriert arbeiten und unzureichend an andere Anbieter weitervermitteln.

Ein weiteres Ergebnis ist die fehlende Versorgung von jung erkrankten Menschen (unter 50 Jahren) gleichermaßen im städtischen und ländlichen Raum. Ebenso fehlen Angebote für Erkrankte mit einer früh gestellten Diagnose. Angebote werden hier dringend benötigt.

Zukünftige Ergebnisse: Die Schlussfolgerungen der Fokusgruppe werden zukünftig durch Ergebnisse der bevorstehenden Befragungen ergänzt. Mithilfe der vorliegenden Ergebnisse werden die Befragungen konzipiert. Es sollen Ergebnisse zu Angebotsstrukturen, zur Nutzungsrate, zu Prädiktoren, zu Versorgungslücken und zu Barrieren gewonnen werden.

Diskussion: Die Ergebnisse verdeutlichen, wie komplex, heterogen und individuell die Versorgungssituation ist und dementsprechend flexible und passgenaue Unterstützungsangebote notwendig sind. Erkenntnisse über Prädiktoren, Barrieren und Nutzbarkeit sollen zu einer passgenauen Weiterentwicklung von Versorgungsangeboten führen.

Oft verhindert Bürokratie professionelle, bedarfsgereiche Angebote, die für Wohlbefinden der Betroffenen sorgen könnten. Deutlich wird daher: Die Kommune muss diese Problematik erkennen, weil sich nur über die Wirtschaftlichkeit im ländlichen Raum die Frage nach der Passgenauigkeit von Angeboten und Bedarfen nicht lösen lässt. Notwendig sind Anreize durch die Kommune, damit dort Angebote etabliert werden. Hierzu leistet das Projekt im Sinne einer Entwicklung einer gesamtgesellschaftlichen Versorgungsstruktur einen Beitrag.

Praktische Implikationen: Ergebnisse des Projektes sollen eine passgenaue Weiterentwicklung der Angebotsstrukturen ermöglichen. Akteure der Region erhalten die Ergebnisse als Manual mit Hinweisen zur Verbesserung der Versorgungssituation.