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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Die heterogene Population tracheotomierter Patienten in der neurologisch-neurochiurgischen Frührehabilitation – Ist eine Behandlungsoptimierung notwendig?

Meeting Abstract

  • Maria-Dorothea Heidler - Universität Potsdam, Potsdam, Germany
  • Annett Salzwedel - Universität Potsdam, Potsdam, Germany
  • Michael Jöbges - Brandenburg Klinik, Bernau, Germany
  • Olaf Lück - Kliniken Beelitz, Beelitz-Heilstätten, Germany
  • Christian Dohle - MEDIAN Klinik Berlin-Kladow, Berlin, Germany
  • Michael Seifert - MEDIAN Klinik Grünheide, Grünheide, Germany
  • Andrea von Helden - Vivantes Klinikum Spandau, Berlin, Germany
  • Heinz Völler - Universität Potsdam, Potsdam, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP183

doi: 10.3205/17dkvf373, urn:nbn:de:0183-17dkvf3736

Published: September 26, 2017

© 2017 Heidler et al.
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Text

Hintergrund: Die Klientel der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation (FR) hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Im Vergleich zu 2002 sind die Patienten heute im Mittel etwa sieben Jahre älter, werden früher aus dem Akutkrankenhaus in die Frührehabilitation entlassen und weisen ein breites Spektrum von vital bedrohlichen Erkrankungen auf (Pohl et al., 2016). Für die häufig erforderliche Langzeitbeatmung resultiert daraus eine Zunahme tracheotomierter Patienten, die der FR zugewiesen werden.

Fragestellung: Wie sind tracheotomierte Patienten in der FR hinsichtlich Soziodemografie, Grunderkrankungen und Komorbiditäten derzeit charakterisiert? Wie hoch ist die Rate erfolgreich durchgeführter Dekanülierungen?

Methode: Zwischen 09-2014 und 03-2016 wurden 834 tracheotomierte Patienten nach erfolgreicher Beatmungsentwöhnung konsekutiv in eine prospektive multizentrische Querschnittserhebung an fünf Rehabilitationseinrichtungen im Raum Berlin/Brandenburg eingeschlossen. Soziodemografische (Alter, Geschlecht) wie auch klinische und therapeutische Routinedaten (z.B. Grunderkrankung, Komorbiditäten, Komplikationen, Beatmungszeitraum, Dekanülierung und Entlassungsart) wurden dokumentiert und deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Die Patienten waren im Mittel 66 Jahre alt (65,4±12,9), 68,1% waren männlich. Bei den neurologischen Akutdiagnosen dominierten Critical-Illness-Polyneuro-/myopathie (37,5%), gefolgt von Hirninfarkten (22,7%), nichttraumatischen Blutungen (24,2%), Schädel-Hirn-Traumata (13,3%), hypoxischen Hirnschädigungen (13,7%), Hirntumoren (2,2%), Meningitis (2,5%) und anderen (5,7%). 87,6% der Patienten hatten außerdem eine akute pulmonale Erkrankung, 36,3% eine akute kardiologische Erkrankung (insbesondere Myokardinfarkte, Herzrhythmusstörungen und Klappenerkrankungen), 18,3% waren akut gastrointestinal, 14,5% akut renal, 6,2% akut orthopädisch und 2,9% akut onkologisch (extrazerebral) erkrankt. Darüber hinaus erlitten 37,5% aller untersuchten Patienten eine Sepsis und 28,4% waren akut psychiatrisch auffällig (Delir). Die Patienten verblieben im Mittel 66,0±48,4 Tage in der FR. 471 Patienten (56,5%) konnten erfolgreich dekanüliert werden. Die Entlassung erfolgte in 32,3% der Fälle in die Phase C zur weiteren Rehabilitation. Ein Großteil der Patienten wurde jedoch auch in Pflegeheime (31,3%) bzw. akut verlegt (12,4%), 10,8% wurden in die Häuslichkeit entlassen und 7,4% der Patienten verstarben.

Diskussion: Die untersuchten Patienten in der FR sind durch eine hohe Heterogenität und Multimorbidität charakterisiert. Dies betrifft neben dem Alter insbesondere die Art der akuten Erkrankungen, die Behandlungsdauer und nicht zuletzt die Rate einer erfolgreichen Dekanülierung. Daher bedarf diese komplexe Patientenpopulation einer multiprofessionellen und fachgebietsübergreifenden Betreuung im Rahmen einer standardisierten und an Qualitätsindikatoren ausgerichteten Versorgung.

Praktische Implikationen: Die Versorgungssituation der überwiegend komplex erkrankten Patientenpopulation in der FR ist bislang insbesondere in Bezug auf die verschiedenen sektorenübergreifenden Behandlungspfade nicht hinreichend untersucht. Um die Gesamtpopulation tracheotomierter Patienten über die FR hinaus zu erfassen, ist ein Register unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Settings (z.B. Akutversorgung, FR, ambulante Pflege) erforderlich.