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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Behandlungsqualität beim kolorektalen Karzinom: Ein Überlebenszeitvergleich vor und nach Etablierung zertifizierter Darmkrebszentren

Meeting Abstract

  • Vinzenz Völkel - Tumorzentrum Regensburg, Institut für Qualitätssicherung und Versorgungsforschung der Universität Regensburg, Regensburg, Germany
  • Teresa Draeger - Tumorzentrum Regensburg, Institut für Qualitätssicherung und Versorgungsforschung der Universität Regensburg, Regensburg, Germany
  • Michael Gerken - Tumorzentrum Regensburg, Institut für Qualitätssicherung und Versorgungsforschung der Universität Regensburg, Regensburg, Germany
  • Alois Fürst - Caritas-Krankenhaus St. Josef, Regensburg, Germany
  • Monika Klinkhammer-Schalke - Tumorzentrum Regensburg, Institut für Qualitätssicherung und Versorgungsforschung der Universität Regensburg, Regensburg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP179

doi: 10.3205/17dkvf369, urn:nbn:de:0183-17dkvf3696

Published: September 26, 2017

© 2017 Völkel et al.
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Text

Hintergrund: In Deutschland können sich Kliniken, die hohen Ansprüchen an die Prozessqualität genügen, als spezialisierte Darmkrebszentren zertifizieren lassen. Noch ist nicht abschließend geklärt, ob Patienten langfristig davon profitieren können.

Fragestellung: Ist eine Behandlung an zertifizierten Darmkrebszentren mit einem messbaren Überlebensvorteil für die Patienten verbunden?

Methode: Als Datengrundlage für die retrospektive Kohortenstudie diente die Tumordatenbank eines deutschen klinischen Krebsregisters, welches bevölkerungsbezogen und sektorübergreifend sämtliche malignen Tumordiagnosen innerhalb einer Region mit ca. 1,1 Millionen Einwohnern erfasst. Zu jedem Patienten lagen demographische Angaben, Tumorcharakteristika, Behandlungsverlauf, sowie onkologische Begleiterkrankungen vor. Für einen Überlebenszeitvergleich von Zentrums- mit Nicht-Zentrumsfällen wurden 2312 Patienten herangezogen, deren kolorektales Adenokarzinom (ICD-10 C18, C19, C20) im Zeitraum von 01.01.2010 bis 31.12.2013 radikal entfernt wurde. Die Versorgungssituation vor Einführung der Zertifizierung betrachteten wir anhand von 2544 Patienten aus dem Zeitraum von 01.01.2004 bis 31.12.2007. Notfalleingriffe und Patienten mit syn- oder metachronen kolorektalen Tumoren wurden a priori ausgeschlossen. Bei einem medianen Follow-up von 4,4 Jahren für die Schlüsselgruppe der ab 2010 Behandelten wurde der Beobachtungszeitraum in allen Vergleichen auf 3 Jahre begrenzt. Zur Analyse des Gesamtüberlebens ab Diagnose nutzten wir das Kaplan-Meier-Verfahren, sowie multivariable Cox-Regressions-Modelle. Gleichzeitig erfolgte eine Sensitivitätsanalyse für fehlende Daten.

Ergebnisse: Im Beobachtungszeitraum ab 2010 zeigen Zentrums-Patienten gegenüber Nicht-Zentrums-Patienten einen signifikanten Überlebensvorteil (3-Jahres-Überlebensrate: 71,6% vs. 63,6%), welcher auch nach Adjustierung für relevante Kovariablen wie Alter oder Tumorlokalisation erhalten bleibt: HR = 0,808; p = 0,032. Fast identisch stellt sich die Situation im „Vor-Zertifizierungs-Zeitraum“ bis 2007 dar: Auch hier ergibt sich ein signifikanter Überlebensvorteil für Prä-Zentrumsfälle (Patienten zukünftiger Darmkrebszentren): HR = 0,807; p = 0,015. Vergleicht man Prä-Zentrums- mit Zentrumsfällen, zeigt sich in der multivariablen Analyse ein marginaler, jedoch nicht signifikanter Überlebensvorteil nach der Zertifizierung: HR = 0,964; p = 0,580.

Diskussion: Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Überlebenszeitvergleich im Bereich der Versorgungsforschung nur als Registerstudie durchgeführt werden kann. Nachteile wie unvollständige Risikoadjustierung aufgrund fehlender Angaben zu nicht-onkologischen Begleiterkrankungen müssen dabei in Kauf genommen werden. Durch den höheren Anteil an Patienten mit fehlenden Daten unter den Nicht-Zentrumspatienten kam es außerdem zu einem unvermeidlichen Selektions-Bias. Die Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse weisen allerdings auf eine daraus resultierende tendenzielle Unterschätzung des Überlebensvorteils für Zentrumspatienten hin.

Praktische Implikationen: Die Behandlung an zertifizierten Darmkrebszentren geht mit einem signifikanten langfristigen Überlebensvorteil einher. Die Zertifizierung als verdiente Auszeichnung hoher Behandlungsqualität kann Patienten als zuverlässiges Kriterium bei der Krankenhauswahl dienen.