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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Zahlungsbereitschaft von Eltern für Prävention von Übergewicht und Adipositas bei Kindern: Zusammenhänge mit Gesundheitseinstellungen und Gesundheitsverhalten der Eltern

Meeting Abstract

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  • Romy Lauer - Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany
  • Jürgen Michael Steinacker - Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany
  • Dorothea Kesztyüs - Institut für Allgemeinmedizin, Ulm, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP115

doi: 10.3205/17dkvf349, urn:nbn:de:0183-17dkvf3496

Published: September 26, 2017

© 2017 Lauer et al.
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Hintergrund: Übergewicht und Adipositas im Kindesalter sind in Deutschland und weltweit omnipräsent, mit steigender Tendenz. Sie haben vielseitige und weitreichende Folgen für das Kind, dessen Familie und letztendlich auch für das Gesundheitssystem. Untersuchungen zur Zahlungsbereitschaft für Verbesserungen der Gesundheit im Allgemeinen, und speziell für die Reduktion von Übergewicht und Adipositas bei Kindern, sind selten. Diese können jedoch für Kosten-Effektivitätsanalysen von Präventions- und Gesundheitsförderprogrammen im Kindesalter genutzt werden. Zusammenhänge zwischen Gesundheitseinstellungen und Gesundheitsverhalten der Eltern und deren Zahlungsbereitschaft können gezielt Implikationen für Maßnahmen liefern.

Fragestellung: Wie hängt die elterliche Zahlungsbereitschaft für die Prävention von Übergewicht und Adipositas bei Kindern mit den Gesundheitseinstellungen und dem Gesundheitsverhalten der Eltern zusammen?

Methode: Daten der cluster-randomisierten Interventionsstudie mit Wartekontrollgruppendesign zur Evaluation des schulbasierten Gesundheitsförderprogramms „Komm mit in das gesunde Boot“ bei Grundschülern und ihren Eltern in ganz Baden-Württemberg wurden ausgewertet. Geschultes Personal erhob standardisiert anthropometrische Parameter der Kinder. Elternfragebögen erfassten Angaben der Väter und Mütter zur eigenen Anthropometrie, soziodemographischen Faktoren, verschiedenen Gesundheitseinstellungen (Körperbild, allgemeine Gesundheit) sowie dem eigenen Gesundheitsverhalten, gemessen an Medienkonsum (Fernsehsendungen und Videofilme, Computernutzung), körperlicher Aktivität und dem Rauchverhalten. Die Zahlungsbereitschaft für eine Halbierung der Inzidenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern wurde mit ja/nein erfragt. Um Unterschiede für zahlungsbereite und nicht-zahlungsbereite Eltern zu untersuchen, wurden Fisher´s exakte Tests berechnet, mit einem Signifikanzniveau für zweiseitige Tests von α < 0.05.

Ergebnisse: Daten zur generellen Zahlungsbereitschaft ihrer Eltern lagen für 1451 Kinder vor, wobei knapp die Hälfte (48,9%, n=710) der Eltern grundsätzlich zahlungsbereit waren. Zahlungsbereite Eltern empfanden Übergewicht und Adipositas signifikant häufiger als Gesundheitsproblem und hatten ein signifikant höheres Familieneinkommen (p<0.001) als nicht-zahlungsbereiten Eltern. Kinder von zahlungsbereiten Eltern waren signifikant häufiger übergewichtig (p<0.05), adipös und abdominal adipös (p<0.01). Zahlungsbereite Mütter waren signifikant häufiger übergewichtig (p<0.01), adipös (p<0.001) und schätzten sich selbst als zu dick ein (p<0.001). Zahlungsbereite Väter und Mütter waren signifikant häufiger der Meinung, dass es wichtig ist dünn zu sein, um attraktiv zu sein (p<0.01), fanden ihr Kind häufiger zu dick (p<0.001), fanden Ihr Kind sollte abnehmen (p<0.001) und ermahnten ihr Kind häufiger, auf sein Gewicht zu achten (p<0.01). Medienkonsum, körperliche Aktivität sowie das Rauchverhalten beider Eltern zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen zahlungsbereiten und nicht-zahlungsbereiten Eltern.

Diskussion: Etwa die Hälfte der Eltern war bereit, etwas für die Reduktion der Inzidenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern zu bezahlen. Die Übergewichtsprävalenz der Kinder und Mütter sowie die Gesundheitseinstellungen, besonders das Körperbild und das Bewusstsein beider Eltern, dass Übergewicht und Adipositas negative Auswirkungen haben, zeigen sich in einer höheren Zahlungsbereitschaft. Das elterliche Gesundheitsverhalten hängt nicht mit der Zahlungsbereitschaft zusammen. Dies sind wichtige Erkenntnisse für die Planung von zukünftige Studien und Maßnahmen. Aufgrund der geringen Präsenz von ähnlichen Studien ist eine Einordnung der Ergebnisse schwierig. Längsschnittuntersuchungen sind notwendig. Die Zahlungsbereitschaft kann jedoch ein wichtiges Maß für Kosten-Effektivitätsanalysen bieten.

Praktische Implikationen: Die größere elterliche Zahlungsbereitschaft für von Übergewicht und Adipositas betroffene Familien und deren damit zusammenhängende Gesundheitseinstellungen reflektieren das Bewusstsein der Problematik und die Bereitschaft, etwas dagegen zu tun. Politische Entscheidungsträger sollten dies in landesweite Maßnahmen umsetzen. Gesundheitsfördernde Interventionen für Kinder sollten demnach neben deren Verhaltensänderung, die bekanntermaßen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit hat, auch auf eine Veränderung der Gesundheitseinstellungen der Eltern zielen.