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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

One size fits all? Community Health Assessments als Planungsgrundlage für lokale Gesundheitszentren der Primär- und Langzeitversorgung

Meeting Abstract

  • Kerstin Hämel - Universität Bielefeld, Bielefeld, Germany
  • Tom Kafczyk - Universität Bielefeld, Bielefeld, Germany
  • Jonas Vorderwülbecke - Universität Bielefeld, Bielefeld, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP044

doi: 10.3205/17dkvf304, urn:nbn:de:0183-17dkvf3047

Published: September 26, 2017

© 2017 Hämel et al.
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Text

Hintergrund: Das Potential ‚Lokaler Gesundheitszentren für die Primär- und Langzeitversorgung’ (SVR 2014) wird in Deutschland erst seit wenigen Jahren intensiv diskutiert. Die Zentren sollen eine wohnortnahe Versorgung auch in schwer zu versorgenden Regionen ermöglichen und regionalen Schieflagen durch eine bedarfsorientierte Angebotsplanung entgegenwirken. Als Planungsgrundlage für die regional differenzierte Angebotsentwicklung und Versorgungsgestaltung in den Zentren werden empirisch gestützte Daten benötigt. Vor diese Herausforderung sind auch die Kooperationspartner des von der Stiftung Wohlfahrtspflege des Landes NRW geförderten Modellversuchs „Pflege stationär – Weitdenken!“ gestellt. Ihre Intention ist eine bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgung älterer, chronisch kranker, hilfe- und pflegebedürftiger Menschen im Stadtteil und Quartier durch die Weiterentwicklung stationärer Pflegeeinrichtungen hin zu sektorenübergreifenden, multiprofessionellen Gesundheits- und Pflegezentren in vier unterschiedlichen städtischen Quartieren. Im Rahmen der Evaluation des Modellprojekts wurden Community Health Assessments durchgeführt; die Methodik und die Ergebnisse werden in der Präsentation vorgestellt.

Fragestellung: In dem Beitrag werden die Möglichkeiten wie auch die methodischen Herausforderungen von Community Health Assessments als Planungsgrundlage für die Entwicklung lokaler Gesundheits- und Pflegezentren betrachtet.

Methode: Für die Durchführung der Community Health Assesements wurde ein mehrperspektivischer Zugriff erprobt. Er umfasste a) die Aufbereitung von Daten zur demografischen, sozio-ökonomischen und gesundheitlichen Situation der Bevölkerung, b) die Erhebung vorhandener Versorgungsangebote und Ableitung von Indikatoren der ‚Versorgungsdichte’, sowie c) leitfadengestützte Interviews mit regionalen Expert/inn/en und potentiellen Nutzer/inne/n der Zentren in den Quartieren. Die Auswertung der Interviews erfolgte inhaltsanalytisch, mit dem Ziel, relevante Themen standortspezifisch zu kondensieren und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Ergebnisse: Während Daten zur Gesundheitssituation der Bevölkerung auf kleinräumiger Ebene kaum verfügbar waren, ermöglichte die unterschiedliche demografische und sozio-ökonomische Situation in den Quartieren erste Rückschlüsse auf unterschiedliche Bedarfslagen in den Quartieren. Die Verfügbarkeit von Versorgungsangeboten folgt dem Bedarf nur bedingt, allerdings erlaubt sie keine Gewissheit darüber, ob fehlende Angebote im Quartier durch Nutzung externer Anbieter kompensiert werden. Die Interviewaussagen geben wichtige Aufschlüsse, wie sich Versorgungsprobleme darstellen. Sie bestätigen teils anfängliche Hinweise zu Versorgungsschieflagen, verdeutlichen aber darüber hinaus auch spezifische Hürden der Inanspruchnahme in Quartieren mit hoher Angebotsdichte, insbesondere ein aus Nutzersicht unübersichtliche Angebotslandschaft und räumliche Barrieren der Inanspruchnahme für ältere, mobilitätseingeschränkte Menschen im Quartier. Empfehlungen für eine regional differenzierte Angebotsplanung an den Modellstandorten und die verstärkte Ansprache vulnerabler Zielgruppen können abgeleitet werden.

Diskussion: Die Studie stand vor der Herausforderung, angesichts einer unzureichenden Datenlage auf kleinräumiger Ebene aussagekräftige Daten für die Versorgungsplanung zu liefern. Durch das multiperspektivische Vorgehen konnte dennoch die Versorgungssituation in den Quartieren charakterisiert werden. Ein wichtiger Schritt, um den Transfer der empirisch gestützten Handlungsempfehlungen in die Praxis zu ermöglichen, war die anschließende Diskussion mit den Entscheidungsträgern im Modellvorhaben. Dieser Prozess sollte als integraler, methodischer Bestandteil von Verfahren des Community Health Assessments angesehen werden.

Praktische Implikationen: Datengrundlagen für eine regional differenzierte Versorgungsplanung sind dringend erforderlich. Hierfür sind geeignete Methoden zu entwickeln. Community Health Assessments bieten großes Potential. Damit sie es entfalten können empfiehlt sich, Instrumente und Verfahren für ihren Einsatz in Deutschland weiterzuentwickeln.