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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Evaluationsstudie zur Implementierung von Kinderorientierung in Drogenberatungsstellen

Meeting Abstract

  • Kira Hower - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Humanwissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln (KöR), Köln, Germany
  • Holger Pfaff - Humanwissenschaftliche Fakultät und Medizinische Fakultät der Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Jörg Kons - Information und Hilfe in Drogenfragen e.V. Wesel, Wesel, Germany
  • Sandra Groß - Information und Hilfe in Drogenfragen e.V. Wesel, Wesel, Germany
  • Lena Ansmann - Universität zu Köln, Köln, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP010

doi: 10.3205/17dkvf273, urn:nbn:de:0183-17dkvf2736

Published: September 26, 2017

© 2017 Hower et al.
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Text

Hintergrund: Derzeit leben etwa 50.000 Kinder drogenabhängiger Eltern in Deutschland. Schätzungen zufolge beziehen nur 10% der Beratungsstellen Kinder suchtkranker Eltern mit in die Hilfeplanung ein. Die Suchthilfe ist demnach bisher nicht auf die Arbeit mit Kindern eingestellt. Die Drogenberatungsstelle Wesel hat vor vielen Jahren ein Programm entwickelt, um das Kinderthema in die Suchtberatungsstellen zu tragen – das Fitkids-Programm. Fitkids bietet einen unterstützenden Rahmen, der das Thema kontinuierlich im Gespräch hält und Raum schafft für Fortbildungen, Informationen und Umsetzungsprozesse. Die Evaluationsstudie EvaFit zielt auf die Erfassung von Kinderorientierung in Drogenberatungsstellen Bezug auf die Bereitschaft und Berücksichtigung in Strukturen und Prozessen bevor und nach Implementierung von Fitkids. Gleichzeitig werden personale und organisationale Determinanten erfolgreicher Implementierung erfasst.

Fragestellung: Die Implementierung meist komplexer Interventionen, wie Fitkids, in Versorgungsorganisationen des Gesundheits- und Sozialwesens bedarf grundlegender Veränderungen von Handlungsprozessen und Strukturen. Rund 70% aller Veränderungsprozesse in Organisationen scheitern. Deutlich wird ein Bedarf, Implikationen organisationaler Veränderungen differenziert zu betrachten und Ansatzpunkte zu ermitteln, um Implementierungsprozesse erfolgreich zu gestalten. Der zugrundeliegenden Evaluationsstudie liegt daher die Frage zugrunde, welche organisationalen und personalen Determinanten mit dem Erfolg der Implementierung von Fitkids assoziiert sind. Es wird der Frage nachgegangen, ob die Bereitschaft der Mitarbeitenden und der Organisation sowie verschiedene Ausprägungen der personalen und organisationalen Konstitution als Determinanten des Implementierungserfolgs abgeleitet werden können.

Methoden: In einem Quasi-Experiment mit Vorher-Nachher-Design werden die Beratungsstellenleitungen und -mitarbeiter sowohl vor dem Start des Fitkids-Programms (t0) als auch ein Jahr nach Programmstart (t1) schriftlich mit einem standardisierten Fragebogen befragt. Die Angaben der Leitungen und Mitarbeiter wurden verknüpft und über die beiden Zeitpunkte hinweg verglichen. Dabei werden u.a. die organisationale und personale Konstitution sowie Veränderungsbereitschaft als Ansatzpunkte der Untersuchung von Determinanten erfolgreicher Implementierung erfasst. Unter Berücksichtigung der hierarchischen Struktur der Daten mittels Mehrebenenanalysen wurden die Determinanten hinsichtlich des Einflusses auf das finale Outcome des Implementierungsgrads, als Umsetzung kinderorientierter Prozesse und Strukturen, analysiert.

Ergebnisse: An der Vorher- und Nachher-Befragung nahmen alle 15 Beratungsstellen teil. An den Befragungen beteiligten sich 17 von 19 Leitungskräften (90%) und 188 von 237 Mitarbeitern (79%). Erste Ergebnisse weisen auf eine geringe organisationale Kinderorientierung sowie eine relativ hohe Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden hin. Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden ist mit organisationalen Determinanten (z.B. Qualitätsbewusstsein) sowie der bisherigen Kinderorientierung (z.B. Berücksichtigung im Anamnesebogen) assoziiert. Ergebnisse derzeitiger Auswertungen zu z.B. den der Einflüsse von Determinanten des Implementierungserfolgs werden in Kürze vorliegen.

Diskussion: In Bezug auf mitarbeiterbezogene Faktoren, das Zusammenspiel organisationaler und personaler Faktoren sowie Effekte von Implementierungsstrategien im Kontext des Implementierungserfolgs fehlt es insgesamt noch an Widerspruchsfreiheit und Evidenz. Die Evaluation der Implementierung komplexer Interventionen erfordert nicht nur die Betrachtung erhoffter Endziele (gesundes Aufwachsen von Kindern), sondern auch der dazu notwendigen organisationalen Veränderungsprozesse und Bedingungen. Der Nutzen der Evaluation besteht darin, Wirkzusammenhänge und Einflussfaktoren erfolgreicher Implementierung offenlegen zu können.

Praktische Implikationen: Die Evaluationsergebnisse liefern Ansatzpunkte für eine nachhaltige Optimierung der Implementierungs- und Programmqualität von Versorgungsinnovationen. Notwendig dafür ist das Wissen um Wirkzusammenhänge und Einflussfaktoren, um an diesen ansetzen zu können. Das Vorhaben leistet folglich einen Wissensbeitrag, den Initiatoren von Veränderungsprozessen in Versorgungseinrichtungen wie Drogenberatungsstellen nutzen können, um Einfluss auf den Implementierungserfolg nehmen zu können und um eine nachhaltige Veränderungskultur zu schaffen.