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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

BGM-innovativ: Arbeitsplatznahes, trägerübergreifendes Versorgungsmanagement der Betriebskrankenkassen

Meeting Abstract

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  • Patricia Bothe - Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Holger Pfaff - Humanwissenschaftliche Fakultät und Medizinische Fakultät der Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Lara Lindert - IMVR - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft, Köln, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP238

doi: 10.3205/17dkvf185, urn:nbn:de:0183-17dkvf1854

Published: September 26, 2017

© 2017 Bothe et al.
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Hintergrund: Das Programm BGM-innovativ für Beschäftigte mit Muskel-Skelett-Erkrankungen ist eine Antwort auf den Bedarf an gesundheitlicher Versorgung in Betrieben. Ziel des Programmes ist es, erkrankten oder gefährdeten Beschäftigten eine gezielte und auf individuelle Bedürfnisse ausgerichtete Unterstützung im Versorgungsprozess anzubieten, die durch eine träger- und sektorenübergreifend koordinierte Versorgung von Betriebskrankenkasse, Betrieb und Rentenversicherung geschieht.

Bei präventiven, kurativen und rehabilitativen Leistungen stehen die verschiedenen Sozialversicherungsträger vor einem ähnlichen Handlungsbedarf, ihre Maßnahmen finden bisher jedoch eher unverbunden und unkoordiniert nebeneinander statt. BGM-innovativ sieht eine enge Kooperation und Abstimmung der zuständigen Akteure vor und ist somit ein Ansatz zur Überwindung der mangelnden sektorenübergreifenden Zusammenarbeit. Zentrale Innovation ist ein Fallmanager der Betriebskrankenkassen, der persönlicher Ansprechpartner für die Beschäftigten ist und Schnittstellen der verschiedenen Akteure koordiniert. Die Beschäftigten werden vom Fallmanager durch den Versorgungsprozess geleitet und an allen Planungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt. Das Programm ist multimodal aufgebaut (Modul A, B und C) und sieht je nach Krankheitsstadium und Schweregrad der Beschäftigten arbeitsplatzbezogene, individualisierte und sektorenübergreifende Versorgungsmaßnahmen vor, wie z.B. stufenweise Wiedereingliederung, erweiterter Reha-Aufenthalt, gezieltes körperliches Training.

Fragestellungen: Folgende primäre Fragestellungen werden untersucht:

  • Hat das Programm BGM-innovativ einen positiven Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit sowie auf die von Muskel-Skelett-Erkrankungen bedingten Arbeitsunfähigkeits-Zeiten?
  • Reduziert das Programm BGM-innovativ Schmerzen im Bewegungsapparat?
  • Erhöht das Programm BGM-innovativ die Selbstwirksamkeitserwartung?
  • Ist das Programm BGM-innovativ bezogen auf diese primären Outcomes effektiver als die Regelversorgung?

Methode: Das Evaluationskonzept bedient sich quantitativer und qualitativer Methoden (Mixed-Methods-Ansatz). Zur angemessenen Berücksichtigung der Heterogenität und Komplexität der neuen Versorgungsform erfolgt sowohl eine summative als auch eine formative Evaluation.

Im Rahmen der summativen Evaluation wird anhand einer randomisiert kontrollierten Studie (RCT) die Wirksamkeit des Programmes überprüft. Dazu werden alle Teilnehmer der jeweiligen Module vor Beginn des Programms zufällig zwei Behandlungsgruppen zugeordnet. Die Kontrollgruppe erhält eine an der Regelversorgung orientierte Behandlung, zusätzlich findet eine intensive Beratung der Beschäftigten statt und es werden Informationsmaterialien und Kontaktadressen weitergegeben. Die Interventionsgruppe erhält die jeweils modulspezifische Intervention und die Betreuung durch die Fallmanager. Bei allen Teilnehmern findet eine zweimalige schriftliche prä-post Befragung mittels eines standardisierten Fragebogens statt. Darüber hinaus werden die Arbeitsunfähigkeitszeiten ausgewertet.

Begleitend zum Programm findet eine formative Evaluation mit qualitativen Methoden statt, die hemmende und fördernde Faktoren der Programm-Implementierung identifizieren soll. Zu mehreren Zeitpunkten während der Projektlaufzeit werden leitfadengestützte Fokusgruppen und Experteninterviews mit relevanten Akteuren (Fallmanagern, Betriebsärzten) durchgeführt.

Ergebnisse: Erste Ergebnisse werden Ende 2018 erwartet. Anhand der Erfahrungen aus einem Pilot-Projekt wird vermutet, dass das Programm einen positiven Einfluss auf die primären Outcomes hat. Anhand von Subgruppenanalysen können die Ergebnisse krankenkassenspezifisch ausgewertet werden. Die formative Evaluation soll dazu beitragen, eine weitere Ausrollung des Programmes zu unterstützen.

Diskussion: Der Mixed-Methods-Ansatz berücksichtigt den komplexen Charakter der Intervention BGM-innovativ. Durch das RCT-Design können belastbare Aussagen über die Wirksamkeit getroffen werden. Je nach Ergebnissen der formativen Evaluation kann gegebenenfalls noch während der Projektlaufzeit die weitere Implementierung optimiert werden.

Praktische Implikationen: BGM-innovativ ist ein Meta-Konzept. Statt der Schaffung zusätzlicher Strukturen und Angebote soll das systemübergreifende Denken und Bewusstsein der verschiedenen Akteure gestärkt werden. Maßgebliche Faktoren wie der Fallmanager, der für die Beschäftigten eine Lotsenfunktion im Versorgungsprozess übernimmt, werden einmalig implementiert und können bei nachgewiesenen positiven Effekten auf andere Kontexte, Krankheiten mit hoher Prävalenz, Betriebe, Regionen und Krankenkassen übertragen werden. An dem Programm nehmen 15 Betriebskrankenkassen, über 20 Betriebsstandorte sowie mehrere Rentenversicherungsträger teil. Das hohe Interesse der Praxis zeugt von dem Willen, das Konzept der arbeitsplatznahen, trägerübergreifenden Versorgung und der Unterstützung durch einen Fallmanager umzusetzen.