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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Implementierung und Evaluation einer Intervention zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung in Pflegeheimen – Studienprotokoll des Projekts CoCare (Coordinated Medical Care)

Meeting Abstract

  • Erik Farin-Glattacker - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Germany
  • Rüdiger Kucher - Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg, Stuttgart, Germany
  • Simone Kunert - Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg, Stuttgart, Germany
  • Sebastian Voigt-Radloff - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Germany
  • Margrit Ott - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Germany
  • Bruno Rosales Saurer - nubedian GmbH, Karlsruhe, Germany
  • Thomas Knapp - nubedian GmbH, Karlsruhe, Germany
  • Christoph Zimmermann - FZI Forschungszentrum Informatik, Karlsruhe, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP230

doi: 10.3205/17dkvf176, urn:nbn:de:0183-17dkvf1767

Published: September 26, 2017

© 2017 Farin-Glattacker et al.
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Text

Hintergrund: In der Literatur finden sich zunehmend Studien, welche eine unzureichende ärztliche Versorgung im Pflegeheim belegen. Diese Situation führt u.a. zu kostenaufwändigen, zum Teil vermeidbaren und für die Heimbewohner belastenden Klinikeinweisungen. Erschwert wird die Versorgung durch die Vielzahl an beteiligten Leistungserbringern sowie der teilweise unklaren Zuständigkeit. Es zeigt sich die Notwendigkeit einer systematischen Kooperation zwischen den Ärzten und dem Personal im Pflegeheim. Als wesentlicher Erfolgsfaktor werden hierfür Absprachen, definierte Ansprechpartner in den Pflegeheimen sowie regelmäßige Heimbesuche der Ärzte genannt.

Fragestellung: Die Zielsetzung des im Innovationsfonds Versorgungsforschung (Neue Versorgungsformen) ab Frühjahr 2017 geförderten Projekts besteht aus der Implementierung und wissenschaftlichen Evaluation einer Intervention zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung in vollstationären Pflegeheimen. Die komplexe Intervention besteht aus mehreren Komponenten, u.a.:

  • Hausärztliche Versorgung: Teams von Hausärzten versorgen gemeinsam die Bewohner einer Pflegeeinrichtung und koordinieren die Einbindung weiterer Arztgruppen.
  • Fachärztliche Versorgung: Regelmäßige Patientenvisiten bestimmter Facharzt-gruppen unter Begleitung einer verantwortlichen Pflegekraft.
  • Einführung von Standards und strukturierten Ablaufprozesse zwischen dem Ärzteteam und dem Pflegeheimpersonal in organisatorischen und medizinisch-pflegerischen Belangen.
  • Maßnahmen zur Kooperation, Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegeheim (z.B. mindestens einmal pro Jahr eine gemeinsame Besprechung aller teilnehmenden Ärzte und der Pflegeheimkoordinatoren)
  • Zur Verbesserung des Dokumentations-, Informations- und Datenmanagements wird eine gemeinsame elektronische Patientenakte eingeführt.

In Interventionsgruppe 1 wird das Konzept vollumfänglich implementiert und die einzelnen ärztlichen Interventionen zusätzlich vergütet. Bei Interventionsgruppe 2 werden ausgewählte zentrale Maßnahmen eingeführt und nur der erhöhte Dokumentationsaufwand vergütet. Die Kontrollgruppe erhält Usual Care.

Methode: Die Evaluation erfolgt mittels zwei Bausteinen: einer formativen Prozess- und einer summativen Ergebnisevaluation, was den Empfehlungen bei der Evaluation komplexer Interventionen entspricht. Den Kernteil der Evaluation bildet eine kontrollierte Studie mit Prä- und Post-Messungen (vor und nach der Intervention). In zwei Interventionsgruppen und in der Kontrollgruppe werden jeweils ein verdichteter und ein ländlicher Landkreis aufgenommen. In den drei Gruppen sollen jeweils N=2.000 Personen aus ca. 35-40 Pflegeheimen einbezogen werden. Im Folgenden werden die Elemente der summativen Evaluation aufgelistet:

Kostenbezogene Routinedaten der GKV (z.B. Krankenhauseinweisungen, stationäre Versorgung, ambulante Versorgung, Verordnungsdaten); Datenanalysen: u.a. Kosten-Wirksamkeits-Analysen; statistisch adjustierte Vergleiche mit Propensity Scores

Medizinische Qualität: Audits/Peer-Bewertung von Patienten- und Heimunterlagen

Vom Bewohner erlebte Qualität der Versorgung (z.B. Versorgungs- und Lebensqualität, Zufriedenheit, wahrgenommener Gesundheitszustand); Datenanalysen: statistisch adjustierte Vergleiche

Vom Behandler beurteilte Qualität der Versorgung; Datenanalyse: Vergleiche zwischen den Untersuchungsgruppen und prä-post.

Zu erwartende Ergebnisse: Die Studie wird Entscheidungen über folgende zentrale Hypothesen erlauben:

1.
Die Veränderung der Qualitäts- und Kostenindikatoren fällt in beiden Interventionsgruppen auch nach Adjustierung relevanter Einflussgrößen statistisch signifikant besser aus als in der Kontrollgruppe.
2.
Die Veränderung der Qualitätsindikatoren fällt in Interventionsgruppe 1 statistisch signifikant besser aus als in Interventionsgruppe 2. Hinsichtlich der relativen Überlegenheit der beiden Interventionsstränge im Hinblick auf die Kosteneffizienz erfolgt eine explorative Untersuchung.

Diskussion und praktische Implikationen: Das Potenzial, die neue Versorgungsform nach Ende der Förderung in eine reguläre Versorgungsform zu überführen, wird aufgrund der praxisnahen Gestaltung des Interventionskonzepts und der zu erwartenden Einsparungen in anderen Versorgungsbereichen als hoch eingeschätzt und könnte durch folgende Maßnahmen erzielt werden:

  • Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen und Nutzung standardisierter Schnittstellen zum Einsatz einer gemeinsamen elektronischen Patientenakte im Pflegeheimbereich
  • Erstellung einer GBA-Richtlinie zur koordinierten ärztlichen Pflegeheimversorgung oder ggf. Änderung der bestehenden Anlage 27 Bundesmantelvertrag Ärzte
  • Übernahme derjenigen ärztlichen Vergütungspositionen in den EBM, welche im Rahmen des Projekts als erfolgsrelevant für die Verbesserung der Versorgung identifiziert werden
  • Anpassung der Pflegesätze, z. B. in Form von Zuschlägen, für Pflegeheime, die die erweiterte koordinierte ärztliche Versorgung umsetzen.