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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Sterbeort von Patienten onkologischer Spitzenversorgung – Eine retrospektive Erhebung für ein deutsches Comprehensive Cancer Center

Meeting Abstract

  • Julia Berendt - Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Germany
  • Stephanie Stiel - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
  • Peter Stachura - Klinikum Bayreuth GmbH, Bayreuth, Germany
  • Matthias Beckmann - Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Germany
  • Christoph Ostgathe - Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV196

doi: 10.3205/17dkvf156, urn:nbn:de:0183-17dkvf1565

Published: September 26, 2017

© 2017 Berendt et al.
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Text

Hintergrund: Der Sterbeort ist international als ein Indikator für die Qualität der Versorgung am Lebensende anerkannt. Im Jahr 2015 sind 46,2% (n=427.200) aller Sterbefälle (N=925.200) einem Tod im Krankenhaus zuzuordnen, obwohl die Mehrheit im privaten Rahmen versterben möchte. Zahlen für Einrichtungen der onkologischen Spitzenversorgung, die Comprehensive Cancer Center (CCCs), sind für Deutschland bisher nicht bekannt.

Fragestellung: Wo versterben Patienten, die mit einer Tumordiagnose an einem CCC behandelt werden? Wie lässt sich das Patientenklientel, das in einem CCC verstirbt, im Vergleich zu anderen Sterbeorten beschreiben?

Methode: In einer retrospektiven Untersuchung wurden Patientendaten aus dem Tumorregister #Region#, SAP-System CCC #Stadt# und den regionalen Standesämter erhoben. Dabei handelt es sich um Patienten, die zwischen 2009 und 2013 verstorben sind und am CCC Standort #Stadt# vor oder im angegebenen Zeitraum mit einer Tumordiagnose in Behandlung waren. Dazu wurde der Sterbeort im Standesamt #Stadt# über einen Adressenabgleich in a) Klinisches Setting (CCC, anderes Krankenhaus) und b) Setting mit privatem Charakter (Zuhause, Hospiz, Pflegeheim) kategorisiert. Die Datenauswertung erfolgte über deskriptive Analysen und Häufigkeitsberechnungen sowie Pearson Chi-Quadrat-Tests und T-Tests in SPSS.

Ergebnisse: Für 5.855 verstorbene CCC Patienten (weiblich: 44,8%) ist für 60,2% der Fälle ein klinisches Setting als Sterbeort vermerkt (davon 28,9% im CCC und 31,3% in einem anderen Krankenhaus). In 21,5% wurde der Tod Zuhause festgestellt, bei 4,8% im Hospiz und 13,5% im Pflegeheim. Patienten, die im CCC versterben (66,3 Jahre) waren im Durchschnitt jünger als Patienten, die in anderen Krankenhäusern verstorben sind (67,8 Jahre; p=0,034). Auf der Palliativstation des CCC lag das durchschnittliche Sterbealter bei 65,6 Jahren.

Innerhalb des klinischen Settings (57,1% zu 48,2%; p=0,000) wie auch in der Häuslichkeit (58,5% zu 41,5%; p=0,004) sind zu einem höheren Anteil

Männer verstorben, während Frauen mehrheitlich im Hospiz (54,4% und 45,6%; p=0,001) oder Pflegeheim (55,5% zu 44,5%; p=0,000) verstorben sind. Die Zahl der jährlich im CCC Verstorbenen ist von 2009 bis 2013 gestiegen (p=0.002), so dass der Anteil Verstorbener im CCC (31,6%; p=0,012) 2013 höher ist, als der Patientenanteil, für dessen Tod ein anderes Krankenhaus (28,9%; p=0,029) zugeordnet werden konnte.

Von allen Patienten, die einen Tumor der männlichen Geschlechtsorgane oder des zentralen Nervensystems haben (Auge, Gehirn u.a.), sind überwiegend in einem (Versorgungs-) Kontext mit privatem Charakter verstorben (p=0,000). Bei einer hämatologischen Tumorerkrankung (p=0,000), einem Tumor der Atmungsorgane (p=0,012) oder Harnwege (p=0,01) ist der Anteil der im klinischen Setting zu Tode gekommen Patienten größer.

Patienten, die letztendlich auch im CCC verstorben sind, waren häufiger in einem metastasierten Stadium (50,1%; p=0,046) und hatten einen Erkrankungsverlauf von ≤ 1 Jahr (48,8%; p=0,000) im Vergleich zu Todesfällen anderenorts.

Knapp ein Drittel (31,3%) der im CCC verstorbenen Patienten hatten innerhalb der letzten 30 Lebenstage Kontakt mit der spezialisierten Palliativmedizin (SPM) (p=0,000).

Diskussion: Patienten aus einem CCC versterben häufiger im Krankenhaus als die Normalbevölkerung. Da ein CCC sich neben einer evidenzbasierten Versorgung durch Forschung zu neuen Therapieansätzen auszeichnet, sind offensichtlich die in einem CCC verstorbenen Patienten mit einer Tumorerkrankung vergleichsweise jünger oder befinden sich in einem metastasierten Erkrankungsstadium. CCCs haben demnach einen Bedarf, Beratungs- und Behandlungsangebote für Menschen mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung in existenziellen Lebenssituationen, wie der SPM, vorzuhalten, aktiv anzubieten und einzubinden. Die Einbindung der SPM in den letzten 30 Lebenstagen eines CCC-Patienten spiegelt die Sichtbarkeit des SPM in der Spitzenversorgung wider, und liegt weit über dem Anteil von insgesamt 10% aller Todesfälle in Deutschland, die Bedarf für SPM haben sollen.

Praktische Implikation: Die Implementierung und Evaluation von Strukturen der SPM, Qualitätsindikatoren zur Therapieintensität am Lebensende sowie von Behandlungspfaden zum Umgang mit Sterbesituationen ist für ein CCC von hoher Bedeutung, um im Zuge der Hochleistungsmedizin durch Menschlichkeit ein Lebensende im klinischen Setting abzuwägen, würdig zu gestalten oder den privateren Rahmen zu gewährleisten.