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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Leitlinienbasierte Qualitätsindikatoren in der onkologischen Versorgung – Ergebnisse der ersten 4 Jahre

Meeting Abstract

  • Ellen Griesshammer - Deutsche Krebsgesellschaft e.V., Berlin, Germany
  • Katharina Klein - Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Berlin, Germany
  • Christoph Kowalski - Deutsche Krebsgesellschaft e.V., Berlin, Germany
  • Simone Wesselmann - Berlin, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV030

doi: 10.3205/17dkvf137, urn:nbn:de:0183-17dkvf1373

Published: September 26, 2017

© 2017 Griesshammer et al.
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Text

Hintergrund: Mit der Etablierung des Qualitätszyklus in der Onkologie im Rahmen des Nationalen Krebsplans soll erreicht werden, dass Leitlinieninhalte flächendeckend und für eine Vielzahl von Tumorentitäten in den Versorgungsalltag implementiert werden und deren Umsetzung überprüfbar gemacht wird. Das zentrale Element für eine erfolgreiche Implementierung des Qualitätszyklus ist die Ableitung von Qualitätsindikatoren (QI). QIs werden aus den starken Empfehlungen der Leitlinien auf Basis einer vorgegebenen Methodik (siehe „Entwicklung von Leitlinien basierten Qualitätsindikatoren. Methodenpapier für das Leitlinienprogramm Onkologie.“ Version 1.0. 2013.) abgeleitet. Die Ergebnisse der QIs aus den zertifizierten Zentren werden jährlich berichtet.

Fragestellung: Wie hat sich die Umsetzung der Qualitätsindikatoren im Zeitverlauf (2012-2015) entwickelt und zeigen sich Veränderungen bei bestimmten Gruppen von Indikatoren?

Methode: Für die Darstellung der Ergebnisse von leitlinienbasierten QIs wurden Daten der Auditverfahren 2012 bis 2015 (= Behandlungsjahre 2011-2014) der nach den Anforderungen der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. zertifizierten Zentren genutzt. Für die Auswertung wurden die 3 Tumorentitäten mit der höchsten Fallzahl und hier lediglich QIs mit definierter Sollvorgabe (SV) betrachtet. Die Daten bilden einen vierjährigen Zeitverlauf ab. Berichtet werden deskriptive Angaben (Median, Spannweite) und Anteil der Zentren, die die SV erreicht haben.

Ergebnisse: Bis zum Auditjahr 2015 wurden 150 QIs aus 19 onkologischen S3-Leitlinien abgeleitet, 101 davon werden bei der Zertifizierung verwendet. 34 für die hier untersuchten Entitäten. Für 20 dieser 34 QIs wurden SV definiert. Die ausgewählten QIs wurden von 2011-2014 bei 258.460 Brustkrebs-, 115.097 Darmkrebs- und 38.990 HautkrebspatientInnen bestimmt. QIs, die die Implementierung von Prozessen erfordern, zeigen die deutlichsten Verbesserungen. Exemplarisch lässt sich das am QI „Prätherapeutische Fallvorstellung“ zeigen. Während 2011 im Median bei 91,78% der Patienten mit Rektum- bzw. Kolonkarzinom eine prätherapeutische Fallvorstellung durchführt wurde, betrug die Rate 2014 im Median 95,12% (SV: ≥95%). QIs, die sich auf chirurgische Interventionen und damit die Expertise eines Operateurs beziehen, zeigen über die Zeit annähernd unveränderte Ergebnisse, wie das Beispiel des QI „Auftreten von Anastomoseninsuffizienzen nach Kolonoperation“ zeigt (2011: Median 4,35%, 2014: Median 4,44%; SV: ≤6%). QIs, die die Durchführung von systemischen Therapien erfassen, haben im Zeitverlauf eine gleichbleibend hohe Umsetzung. Beispielhaft ist die Rate der Chemotherapie-Empfehlungen bei Patientinnen mit Hormonrezeptor negativem Mammakarzinom zu nennen (2011: Median 90%, 2014: Median: 88,0%, SV: ≥80%). Die leitlinienentsprechende Nicht-Durchführung von Chemotherapien zeigt ebenfalls eine sehr gute Erfüllung wie beim Melanom „Nicht-Durchführung der adjuvanten systemischen Therapie“ zeigt. Im ersten Jahr der Erhebung (2012) führten noch 2 Zentren eine adjuvante systemische Therapie durch (SV: 0%). In den darauffolgenden Jahren wurde die Therapie im Sinne der Leitlinienempfehlung in keinem Zentrum angewandt.

Diskussion: Allgemein lässt sich für die QIs zusammenfassen, dass die Leitlinieninhalte gut bis sehr gut in den zertifizierten Zentren umgesetzt werden. Die Versorgungsrealität wird sichtbar gemacht und Ergebnisse zwischen den Behandlungseinrichtungen werden vergleichbar. QIs, die die Implementierung von Prozessen erfordern (z.B. Prätherapeutische Fallvorstellung), zeigen eine sehr gute Verbesserung über die Zeit und verdeutlichen, dass prozessuale QI verhältnismäßig einfach, z.B. durch Verfahrensanweisungen, in den Zentren umgesetzt werden können. QIs, die die fachliche Expertise des Behandlers bzw. des OP-Teams widerspiegeln (z.B. Anastomoseninsuffizienz) zeigen nur wenig Veränderungen im Median im zeitlichen Verlauf. Es ist davon auszugehen, dass hier vor allem die personellen Fertigkeiten der Behandler verbunden mit technischen Voraussetzungen (Nahtmaterial u. -techniken) ausschlaggebend sind und daher für eine Verbesserung dieser QIs neben dem Audit weitere, gezielte Maßnahmen wie das Angebot von OP-Kursen oder Coaching vorgehalten werden sollten. QIs, die die Durchführung bzw. Nicht-Durchführung von Leitlinien gerechten systemischen Therapien fordern, zeigen eine hohe Umsetzung Die Implementierungsrate erreicht jedoch ein Plateau, bei dem die Leitlinienempfehlung den Behandlern bekannt ist, aber patientenseitige Gründe (z.B. Patientenwunsch, bestehende Komorbiditäten) eine weitere Steigerung der Rate sinnvoll verhindern.

Praktische Implikationen: QIs unterstützen die Etablierung von leitliniengerechter Behandlung im klinischen Alltag und motivieren Behandler, ihre Behandlungsergebnisse kritisch zu reflektieren. In den Auditverfahren werden diese Ergebnisse diskutiert und Maßnahmen identifiziert, die eine bessere Anwendung der Leitlinieninhalte möglich machen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird im nächsten Audit überprüft. Die an die Leitliniengruppen berichteten Ergebnisse der QI geben Information darüber, wie und in welchem Ausmaß eine Empfehlung im Alltag umgesetzt wird und bieten so weitere Hinweise für die Weiterentwicklung der Leitlinien. Die Ergebnisse dieses Beitrages verdeutlichen, dass eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen nötig ist (Ableitung von QIs aus Leitlinien, strukturierte Anwendung derselben und Auswertung der Ergebnisse mit Diskussion in jährlichen Audits vor Ort kombiniert mit Maßnahmen wie Coaching o.ä.), um Qualität nachhaltig in der Versorgungsrealität zu verankern und diese somit zu verbessern.