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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Wie leistungsstark ist die Mobile Geriatrische Rehabilitation? Bedarf und Verlaufsanalyse einer neuen Versorgungsform

Meeting Abstract

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  • Heinz Janßen - Hochschule Bremen, Bremen, Germany
  • Leonore Köhler - Hochschule Bremen, Bremen, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV016

doi: 10.3205/17dkvf123, urn:nbn:de:0183-17dkvf1236

Published: September 26, 2017

© 2017 Janßen et al.
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Hintergrund: Mit Inkrafttreten des GKV Wettbewerbsstärkungsgesetzes wurde 2007 die mobile, wohnortnahe Rehabilitation in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen. Diese Versorgungsleistung spricht eine wachsende Bevölkerungsgruppe an, der anderweitig kein Zugang zur Rehabilitation gewährt wird. Betroffen sind Patienten mit multimodaler Symptomatik, die nicht selten auch demenziell erkrankt sind. Die Kontextfakoren der Versorgung spielen eine zentrale Rolle.

Fragestellung: Untersucht wird hier die mobile, geriatrische Rehabilitation bei einem Klientel in stationären Pflegeeinrichtungen. Wie hoch ist hier der Bedarf und welche Besonderheiten zeigen sich im Verlauf der Rehabilitation? Ist die mobile Rehabilitation nachhaltig und effektiv?

Methode: Die mobile geriatrische Rehabilitation ist relativ neu und ihr Verlauf entsprechend wenig erforscht. Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projektes wird eine Analyse über den Bedarf und den Verlauf mobiler geriatischer Rehabilitation in stationären Pflegeeinrichtungen in Deutschland vorgenommen. Die Untersuchung ist als multizentrische Studie über fünf Standorte angelegt. Untersucht wird mittels fachärztlicher Begutachtungen der Bedarf an (mobiler) Rehabilitation an Standorten in West-, Ost-, Mittel- und Süddeutschland. 760 Bewohnerinnen und Bewohner aus insgesamt 13 Pflegeeinrichtungen wurden begutachtet . In einer Verlaufsstudie wurden weiterhin zu vier Messzeitpunkten (im Halbjahreszeitraum) Daten über einen Fragebogen erhoben. Gemessen wurden mit Alter, Geschlecht, Pflege- und Versichertenstatus soziodemographische Merkmale sowie Diagnosegruppen und der kognitive Status. Die Messvariablen sind: Barthel Index, Transferleistung, Bewegungsradius, Teilhabeziele (mit Zielerreichung) und Lebensqualität (mit Zufriedenheit). Die Studie weist ein Kontrollgruppendesign aus. Geplant werden 100 Rehabilitanden 40 Personen ohne Rehabilitation aber mit Bedarf (Kontrollgruppe) gegenübergestellt. Neben den Outcomes der Intervention (Halbjahreszeitraum) werden Daten zu Struktur und Prozess der Intervention erhoben: Art, Umfang, Dauer und Kosten der Rehabilitationsmassnahme

Ergebnisse: Die Bedarfsanalyse zeigt, dass etwa jeder fünfte Bewohner einen Bedarf an (mobiler) Rehabilitation hat. In der Langzeitpflege liegt der Rehabilitationsbedarf bei 23% der Heimbewohner. Derzeit wird in Deutschland u.a. aufgrund fehlender Angebote nur ein kleinster Bruchteil hiervon rehabilitativ versorgt.

Die Maßnahme mobiler Rehabilitation verbessert den Grad der Selbstversorgung. Es kann von einer generellen Wirksamkeit ausgegangen werden (vgl. u.a. Lübke 2016). Der Barthel-Index weist in den bisherigen Studien mit Ende der Maßnahme eine Verbesserung von über zehn Punkten aus. Ein Standort aus der multizentrischen Studie weist eine Verbesserung über den Selbständigkeitsindex FIM mit über zehn Punkten aus, zudem verbessert sich der kognitive Status leicht (vgl. MDK Rheinland-Pfalz 2016). Ein weiterer Standort zeigt als erste Teilauswertung eine Verbesserung des Barthel-Index in der Interventionsgruppe von knapp 14 Punkten am Ende des Halbjahreszeitraums, wo hingegen die Vergleichsgruppe sich um 4 Punkte verändert. Dies deutet auf Aspeke einer nachhaltigen Versorgungsleistung hin.

Diskussion: Die fachärztlich ausgewiesene Bedarfsquote gibt voraussichtlich nur bedingt die tatsächliche Nachfragesituation wieder. Bis zur Inanspruchnahme einer Rehabilitation sind weitere Faktoren bedeutend. Zu fragen ist auch, ob und wie der Bedarf überhaupt gedeckt werden kann. Es gibt nur wenige Anbieter Mobiler Rehabilitation, hier fehlen deutlich die Anreize. Jedoch wie effektiv ist eine mobile Rehabilitation und wie verläuft die Behandlung vor Ort? Die hier vorgelegte Studie lässt weitergehende Erkenntnisse mit einer Vergleichsanalyse zu. Neben dem Grad zur Verbesserung der Selbstversorgung, wird der Grad der Zielerreichung als weiteres zentrales Reha-Ziel hier ausgewiesen. Ebenso können Analysen zu Lebensqualität im Vergleich vorgenommen werden.

Praktische Implikationen: Der Gesetzgeber gibt die "Rehabilitation vor Pflege" als versorgungsleitende Maxime vor. Dies kann den Pflegeaufwand vermindern helfen, die Qualität der Versorgung verbessern und Kosten einsparen lassen. Die Versorgungsanforderung einer Rehabilitation geriatrischer, multimorbider Patienten mit oftmals kognitiven Einschränkungen steht in Konzept, Qualität und Leistung noch weit am Anfang einer auch gesellschaftlich-ethischen Erörterung.