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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Zugangsbarrieren zu risikobezogenen Informationsangeboten und deren Rolle für die präferenzsensitive Entscheidungsfindung – Ein systematische Übersichtsarbeit

Meeting Abstract

  • Kristina Enders - Universitätsklinikum Köln (AöR), Köln, Germany
  • Anna Genske - Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Saskia Jünger - Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Kerstin E. Rhiem - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Rita Schmutzler - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Christiane Woopen - Universität zu Köln, Köln, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV012

doi: 10.3205/17dkvf119, urn:nbn:de:0183-17dkvf1198

Published: September 26, 2017

© 2017 Enders et al.
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Text

Hintergrund: Brustkrebs ist weltweit die häufigste Krebsdiagnose bei Frauen in der stationären, ambulanten und rehabilitativen Versorgung. Etwa 30% der Brustkrebserkrankten zeigen dabei eine familiäre Disposition im Hinblick auf eine genetische Verursachung. Die am häufigsten identifizierbaren Mutationen beim familiären Brust- und Eierstockkrebs finden sich in den so genannten Hochrisikogenen BRCA1 und BRCA2. Wenn eine BRCA1/2-Mutation nachgewiesen werden konnte, ist von einem lebenslang deutlich erhöhtem, mit dem Alter steigenden Risiko, an Brust- bzw. Eierstockkrebs zu erkranken, auszugehen.

In Deutschland stehen Betroffenen und Ratsuchenden zum Thema familiäre Brust- und Eierstockkrebsbelastung etablierte Versorgungsstrukturen zur Verfügung, bestehend aus interdisziplinärer Beratung, Gentestung, individueller Risikokalkulation und Prävention (intensivierte Früherkennung und prophylaktische Operationen).

Durch neue Sequenzierungsverfahren ("next generation sequencing") sowie diagnostische Möglichkeiten durch Multigenanalysen und Paneldiagnostik können heute bereits weitere bekannte Risikogene für familiären Brust- und Eierstockkrebs identifiziert und untersucht werden. Die schnelle Entwicklung der technischen wie diagnostischen Möglichkeiten, die damit einhergehenden risikobezogenen Erkenntnisgewinne und Handlungsoptionen, aber auch die Angebotsvielfalt an universitären oder klinischen Versorgungsnetzwerken, gentestenden Privatlaboren und Start-up-Unternehmen, verlangen von den Ratsuchenden einen kompetenten Umgang mit den zur Verfügung gestellten risikobezogenen Informationen und dem sich damit eröffnenden Bedarf an präferenzsensitiven Entscheidungen.

Die breite Nutzbarmachung des Wissens um individuelle Erkrankungsrisiken und Handlungsalternativen im Sinne der klientenzentrierten Prävention, stellt besondere Anforderungen an die Gesundheitskompetenz der Ratsuchenden. Der Zugang zu risikobezogenen Informationen ist hierbei die Voraussetzung, um den Prozess hin zum gesundheitskompetenten Handeln einzuleiten. Zugangsbarrieren zu risikobezogenen Informationsangeboten – seien sie individuell oder strukturell - stehen einer präferenzsensitiven Entscheidungsfindung demnach im Wege.

Fragestellung: Ziel dieser systematischen Übersichtsarbeit ist es, auf Basis der bislang publizierten Fachliteratur einen Überblick über die Zugangsmöglichkeiten zu risikobezogenen Informationen angesichts familiärer Brust- und Eierstockkrebsbelastung zu erhalten. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Frage, welche Rolle den Zugangsbarrieren in der präferenzsensitiven Entscheidungsfindung zukommt.

Methode: Es wurde eine systematische Literatursuche in vier Datenbanken (PubMed, Cochrane Library, PsycINFO, Web of Sciende) durchgeführt; diese folgte einem vierstufigen Verfahren: 1) Die Suchterme wurden entwickelt und über PubMed getestet. Neben dem Zugang zu risikobezogenen Informationen sollte explizit das Risiko angesichts einer familiären Brust- und Eierstockkrebsbelastung in der Studie thematisiert worden sein. Die Suchterme wurden in englischer und deutscher Sprache getestet. 2) Nach dem Pretest wurden die englisch- und deutschsprachigen Studien einem Titel-Abstract-Screening unterzogen. Ergänzende Suchterme wurden identifiziert und in die Suchstrategie übernommen. 3) Nach der Finalisierung wurde die Suche auf die vier Datenbanken angewendet. 4) Die Treffer wurden um datenbankübergreifende Doppler bereinigt. Die Auswertung der eingeschlossenen Volltexte erfolgte systematisch durch drei unabhängige Reviewer mittels quantitativer Inhaltsanalyse.

Ergebnisse: Zahlreiche Studien nehmen den Zugang zu risikobezogenen Informationen angesichts einer familiären Brust- und Eierstockkrebsbelastung in den Blick. Unterschiedliche Informationszugänge werden analysiert, die sich an eine heterogene Gruppe von Ratsuchenden (z.B. Erkrankte an familiärem Brust- und/oder Eierstockkrebskrebs, nichterkrankte Mutationsträger/Previvors, Angehörige von Mutationsträgern, usw.) richten. Es werden verschiedene individuelle wie strukturelle Merkmale (z.B. Bildungsstand, Alter, Migrationshintergrund, Wohnort usw.) benannt, die Barrieren im Zugang zu risikobezogenen Informationsangeboten darstellen und damit einer präferenzsensitiven Entscheidungsfindung im Wege stehen könnten.

Diskussion und praktische Implikationen: Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass die Zugangsmöglichkeiten zu risikobezogenen Informationsangeboten in empirischen Studien breite Beachtung erfahren. Zugangsbarrieren werden diskutiert. Hinsichtlich der Rolle des Informationszugangs für die präferenzsensitive Entscheidungsfindung besteht weiterer Forschungsbedarf, um darauf aufsetzend zielgruppengenaue Informationsangebote zu entwickeln und im Sinne der klientenzentrierten Prävention zu etablieren.