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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Entwicklung eines Modells zur Quantifizierung des patientenseitigen Aufwands bei Arztbesuchen

Meeting Abstract

  • Nicole Zander - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Ines Schäfer - Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE), Hamburg, Germany
  • Matthias Augustin - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Jobst Augustin - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV107

doi: 10.3205/17dkvf112, urn:nbn:de:0183-17dkvf1125

Published: September 26, 2017

© 2017 Zander et al.
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Text

Hintergrund: Die Praxis zeigt, dass Patienten auf Grundlage individueller Entscheidungen einen Arzt aufsuchen und dafür oftmals hinsichtlich der Distanz einen höheren Aufwand in Kauf nehmen, als eigentlich notwendig wäre. Bislang gibt es nur wenige Erkenntnisse darüber, nach welchen Kriterien Patienten den Arzt auswählen und was ihre Mobilitätsbereitschaft beeinflusst.

Fragestellung: Es soll der Frage nachgegangen werden, unter welchen Umständen ein Patient einen Mehraufwand in Kauf nimmt und welchen Einfluss dabei sozidemographische, klinische, regionale und systembedingte Merkmale haben.

Methode: Zunächst wurde eine Pilotstudie zur Analyse patientenseitiger Entscheidungsmuster bei der Arztwahl unter Berücksichtigung soziodemographischer und sozioökonomischer Merkmale durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgte mittels einer multizentrischen Querschnittsstudie am Beispiel niedergelassener und in einer Universitätsklinik tätigen Dermatologen in Hamburg. Es wurden Patienten mit Psoriasis und chronischen Wunden u.a. zu ihrer Arztwahl und Mobilitätsverhalten befragt. Distanzen wurden mittels einer Netzwerkanalyse in GIS (Geographisches Informationssystem) berechnet. Die weitere Datenauswertung erfolgte anhand deskriptiver und multivariater Verfahren mittels SPSS.

Um die Ergebnisse der Pilotstudie in einen übergreifenden Kontext zu bringen und in den aktuellen Forschungsstand einordnen zu können, werden diese mit einer systematischen Literaturrecherche ergänzt. Hierbei sollen alle Determinanten, die den patientenseitigen Aufwand bei der Arztwahl beeinflussen, herausgestellt und in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden.

Am Ende wird ein Modell entwickelt, welches den patientenseitigen Aufwand unter Einbeziehung aller Determinanten beschreibt.

Ergebnisse: Daten von 309 Patienten (50,5 % männlich, mittleres Alter 58,3 Jahre) wurden analysiert. 211 wurden in der Ambulanz eines Universitätsklinikums erhoben, 98 bei niedergelassenen Dermatologen. Die Entscheidung einen Arzt aufzusuchen wurde primär von der Kompetenz des Arztes, seinem Leistungsangebot sowie dem Arzt-Patienten-Verhältnis beeinflusst. Die Aussicht auf eine bessere Therapie sowie eine Verschlechterung der Lebensqualität erhöhten die Bereitschaft, einen längeren Weg zum Arzt in Kauf zu nehmen. Alter und Geschlecht des Arztes spielten eine untergeordnete Rolle. Als signifikante Prädiktoren für den in Kauf genommenen Mehraufwand konnten bei Psoriasis-Patienten der Schulabschluss und der Schweregrad ermittelt werden. Bei den Wund-Patienten spielten außerdem noch das Alter, die Mobilitätseinschränkung und das Nettoeinkommen eine Rolle.

Die Literaturrecherche wird derzeit durchgeführt und voraussichtlich im September 2017 abgeschlossen. Erste Zwischenergebnisse zeigen, dass neben oben genannten individuellen Präferenzen, systembezogene Komponenten und regionale Gegebenheiten die Arztwahl maßgeblich beeinflussen. Dies sind zum Beispiel Wartezeiten, Arztdichte oder auch die Verkehrsinfrastruktur. Diese Komponenten können regional stark variieren.

Diskussion: Die Zwischenergebnisse haben, wie auch schon andere Studien, ein komplexes Arztwahlverhalten gezeigt. Die Kompetenz des Arztes sowie sein Leistungsangebot haben dabei einen besonderen Einfluss auf die Entscheidung des Patienten. In vielen Fällen zeigte sich, dass Patienten dann auch längere Wege zum Arzt zurücklegen, als eigentlich notwendig wären. Es ist zu vermuten, dass dieses individuelle Patientenverhalten durch die äußeren Gegebenheiten, also systembedingte Komponenten, stark beeinflusst wird. In welchem Maße und wie der patientenseitige Aufwand bei Arztbesuchen umfassend dargestellt werden kann, soll im weiteren Verlauf der Arbeit herausgestellt werden.

Praktische Implikationen: Durch die Analyse von individuellem Patientenverhalten in Abhängigkeit der äußeren Umstände soll dazu beigetragen werden, eine umfassende Darstellung der Determinanten, die die Arztwahl beeinflussen, zu erreichen. Die Einbeziehung von Systemkomponenten und regionalen Aspekten ermöglicht es, die Rollen dieser Unterschiede, z.B. zwischen über- und unterversorgten Regionen, zu quantifizieren. Das zu entwickelnde Modell soll als Grundlage für zukünftige versorgungswissenschaftliche Studien in diesem Bereich dienen.