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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Etablierung des Deutschen Forschungspraxennetzes (DFPN)

Meeting Abstract

  • Sebastian Carnarius - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, Germany
  • Jie Wu - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, Germany
  • Jürgen Stausberg - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Essen, Germany
  • Dominik von Stillfried - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV002

doi: 10.3205/17dkvf105, urn:nbn:de:0183-17dkvf1051

Published: September 26, 2017

© 2017 Carnarius et al.
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Text

Hintergrund: In der Versorgungsforschung mit Routinedaten wurden in den letzten Jahren in Deutschland deutliche Fortschritte gemacht. Der Vorteil von Routinedaten besteht in deren Systematik und weitgehender Vollzähligkeit. Versorgungsstudien auf Basis von Routinedaten werfen aber oft Fragen auf, die mit verfügbaren Daten nicht beantwortet werden können. Um die Qualität und Leistungsfähigkeit der Versorgung, die Konsistenz von Versorgungsprozessen oder den Handlungsbedarf bei der Verbesserung von Rahmenbedingungen für die Versorgung beurteilen zu können, sind weiterführende Informationen erforderlich.

Forschungspraxennetze bieten eine wichtige Infrastruktur zur koordinierten Erhebung von Daten aus der ambulanten Versorgung und für die Durchführung von Studien zur Versorgungsrealität.

Internationale Beispiele für Forschungspraxennetze fokussieren in der Regel auf die hausärztliche Versorgung oder einheitliche fachspezifische Praxisnetze. In Deutschland steht hingegen eine große Vielfalt ambulanter Versorgungsangebote unterschiedlichster Fachrichtungen gleichberechtigt zur Verfügung.

Fragestellung: Das Deutsche Forschungspraxennetz (DFPN) befindet sich zum Jahresbeginn 2017 in der Entwicklungs- und Aufbauphase. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2017 geplant. Im Rahmen des 16. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung soll das DFPN als Infrastruktur zur Versorgungsforschung vorgestellt werden. Hierbei sollen sowohl ein Fokus auf die Fallstricke gelegt werden, die eine Etablierung einer Forschungsinfrastruktur dieser Dimension mit sich bringt, als auch die Möglichkeiten eines Forschungsnetzes in der ambulante Versorgung zur differenzierten Abbildung der Versorgungsrealität dargestellt werden.

Methode: Die Erforschung der Versorgungsrealität in Deutschland setzte einen fachübergreifenden Ansatz bei der Entwicklung des DFPN als Forschungsinfrastruktur voraus. Im Hinblick auf den Grad der Abbildung der Fachgebiete sowie ggf. ihrer Differenzierung nach Schwerpunkten im DFPN wurde ein explorativer Ansatz gewählt. Zur Ausgestaltung des Ansatzes wurden universitäre Einrichtungen mit Erfahrungen bei der Betreuung von Ärztenetzen eingebunden.

Ergebnisse: In der Konzeption des DFPN existieren neben den Forschungspraxen dezentrale Management-Zentren sowie ein zentrales Zentrum, dass die Gesamtkoordination übernimmt. Bei den dezentralen Zentren ist das wissenschaftliche Personal lokalisiert, welches zur Einhaltung notwendiger Standards bei der Datenerhebung und -auswertung sowie der Anfertigung wissenschaftlicher Publikationen unerlässlich ist. Unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse zur Bedeutung regionaler Unterschiede in den Versicherten- und Versorgungstrukturen in Deutschland, sollen die dezentralen Zentren des DFPN durch ihre Lage unterschiedliche Versorgungssituationen in Deutschland repräsentieren. Die dezentralen Zentren werden mit den für die jeweilige Region zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen verzahnt.

Einschlussberechtigt sind alle gesetzlich Versicherten, die Patienten der DFPN-Forschungspraxen sind. Die in den Forschungspraxen erhobenen Primärdaten sollen um Routinedaten der eingeschlossenen Probanden ergänzt werden. Datenschutzrechtliche Grundlage ist die informierte Einwilligung der Probanden.

In der ersten Ausbaustufe des DFPN sollen zunächst Fragen zum Einfluss des sozioökonomischen Status und der Lebensqualität auf das Inanspruchnahmeverhalten und den Therapieverlauf sowie Fragen zur Multimorbidität, zur Polypharmazie und zu nicht eingelösten Arzneimittelverordnungen beantwortet werden. Weiterhin sollen Fragestellungen untersucht werden, die sich mit dem Verlauf von Versorgungsprozessen, der tatsächlichen oder fehlenden Kooperation und Kommunikation zwischen den Beteiligten und der Effektivität sowie Effizienz der Versorgung beschäftigen.

Initial wird eine Gewinnung von 200 Praxen in sieben Regionen angestrebt. Bei einer vollzähligen Erfassung aller in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Patienten ist mit einem Probandenaufkommen von 200.000 im Jahr zu rechnen.

Diskussion: Eine repräsentative Analyse der Versorgungsrealität bedarf neuer und komplexerer Ansätze, da sowohl die Forschung mit Routinedaten und als auch ambulante spezialisierte Forschungsstrukturen an Grenzen stoßen. Anhand der Ergebnisse der ersten Ausbaustufe des DFPN ist zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen ein weitergehender Betrieb und Ausbau des DFPN als dauerhafte multizentrische und fachgebietsübergreifende Forschungsinfrastruktur durchgeführt werden kann.

Praktische Implikationen: Im Deutschen Forschungspraxennetz können perspektivisch wertvolle Erkenntnisse über den Stand des Gesundheitswesens gewonnen werden. Durch seine langfristige Anlage können longitudinale Betrachtungen von Effekten gesetzlicher Änderungen auf die Gesundheit der Patienten und Interaktionen im Gesundheitswesen dokumentiert und so wertvolle Information zur Steuerung des Gesundheitswesens geschaffen werden.