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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Bedeutung von Rehabilitation und Kurzzeitpflege in der Versorgung älterer (pflegebedürftiger) Menschen

Meeting Abstract

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  • Ramona Auer - AOK Baden-Württemberg, Stuttgart, Germany
  • Julia Frankenhauser-Mannuß - AOK Baden-Württemberg, Stuttgart, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV117

doi: 10.3205/17dkvf072, urn:nbn:de:0183-17dkvf0722

Published: September 26, 2017

© 2017 Auer et al.
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Hintergrund: Das Hinauszögern von Pflegebedürftigkeit oder die Verhinderung einer Verschlechterung des Zustands von pflegebedürftigen Menschen ist ein erklärtes Ziel in der Versorgung. Mit dem Grundsatz „Rehabilitation vor Pflege“ wurde dies sogar vom Gesetzgeber im Sozialgesetzbuch verankert (§ 31 SGB XI). Mit Inkrafttreten des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes wurde daher auch ein bundeseinheitliches und strukturiertes Verfahren zur Feststellung des rehabilitativen Bedarfs im Rahmen der Pflegebegutachtung festgelegt. Dennoch sehen sich die Gesetzliche Krankenversicherung und der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht im bedarfsgerechten Umfang Rehabilitationsmaßnahmen nach § 40 SGB V zu empfehlen. Die Gründe für die geringe Inanspruchnahme sind vielschichtig und noch nicht abschließend geklärt. Eine fehlende Rehabilitationsfähigkeit kann hier nach einem Akutereignis gerade beim älteren Menschen der Grund für die Nicht-Inanspruchnahme bzw. Nicht-Beantragung einer Rehabilitation sein.

Fragestellung: Die Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI kann zur Überbrückung und zur Herstellung einer Übungsstabilität einen wichtigen Beitrag in der Versorgung älterer Menschen leisten. Die leitende Fragestellung ist daher:

Wie werden pflegebedürftige Menschen nach einem Akutereignis versorgt und welche Bedeutung haben hierbei die Kurzzeitpflege und die Rehabilitation?

Methodik: Ausgewertet wurden pseudonymisierte Abrechnungsdaten der AOK Baden-Württemberg aus dem stationären, rehabilitativen und pflegerischen Leistungsbereich. Insgesamt konnten dabei 116.901 Personen in der Analyse berücksichtigt werden. Im stationären Bereich umfasst der Zeitraum der Auswertung Leistungsdaten aus dem vierten Quartal 2015 bis einschließlich drittes Quartal 2016. Um das an den stationären Aufenthalt anschließende Versorgungsgeschehen im rehabilitativen und pflegerischen Bereich abbilden zu können wurde hier der Analysezeitraum um ein Quartal verlängert und endet somit mit dem vierten Quartal 2016. Die Grundgesamtheit bilden Versicherte mit einer Pflegestufe, die einen indikationsunabhängigen Krankenhausaufenthalt im Auswertungszeitraum hatten. Ausgehend von dieser Population wurde im nächsten Schritt ermittelt wie viele dieser Versicherten im Anschluss an den stationären Aufenthalt direkt in eine Rehabilitationsmaßnahme übergingen bzw. Leistungen aus der Kurzzeitpflege erhielten. Dafür musste das Anfangsdatum der Rehabilitation bzw. der Kurzzeitpflege entweder identisch mit dem Entlassdatum des Krankenhaus‘ sein bzw. durften nicht mehr als zwei Tage zwischen der Entlassung und des Beginns der Rehabilitation bzw. Kurzzeitpflege liegen. Das weitere Versorgungsgeschehen dieser Versicherten wurde hinsichtlich eines Übergangs nach der Kurzzeitpflege entweder in die Langzeitpflege oder in eine Rehabilitationsmaßnahme weiter verfolgt. Darüber hinaus wurde ermittelt wie viele dieser Versicherten nach der Kurzzeitpflege direkt wieder in ihr häusliches Umfeld zurückgekehrt sind oder verstarben.

Ergebnisse: Im Beobachtungszeitraum lassen sich rund 117.000 Krankenhausfälle bei Personen mit Pflegebedürftigkeit verzeichnen. Davon beginnen 4,4 % direkt im Anschluss an den Akutaufenthalt eine Rehabilitation. Nahezu 70 % davon weisen Pflegestufe 1 auf. Pflegebedürftige, die vor dem Akutereignis in der Häuslichkeit versorgt wurden, nehmen zu einem Anteil von 15,7 % im Anschluss eine Kurzzeitpflege in Anspruch. Jeder/e zweite dieser Patientinnen und Patienten ist hier in Pflegestufe 1 eingruppiert (53 %). Direkt in die Langzeitpflege gehen davon 42,4 % und eine Rückkehr in die Häuslichkeit ist 53 % möglich. Lediglich 4 % nehmen nach der Kurzzeitpflege eine Rehabilitation in Anspruch. Überproportional ist auch hier die Pflegestufe 1 (77 %) vertreten.

Diskussion: Die Rehabilitation als Instrument zur Sicherung der Teilhabe und damit der Lebensqualität älterer und pflegebedürftiger Menschen kommt mit 4,4 % zu gering zum Einsatz. Die Kurzzeitpflege als Intermedär wird bislang zu wenig genutzt, um nach einem Akutereignis eine Trainingsstabilität und damit Rehabilitationsfähigkeit herzustellen. Auffallend ist außerdem die hohe Inanspruchnahme bei niedrigen im Vergleich zu hohen Pflegestufen, dessen Ursachen noch festzustellen sind.

Praktische Implikationen: Zur zielgenaueren Nutzung der Kurzzeitpflege als stabilisierendes Element in der Versorgung pflegebedürftiger Menschen, sollte über eine Kombination von Kurzzeitpflege mit rehabilitativen Modulen nachgedacht werden. Auch im Hinblick auf die neue Leistung nach § 39 c SGB V, wonach Personen ohne Pflegestufe Anspruch auf eine Kurzzeitpflege erhalten. Auch für diesen Personenkreis sollte über einen zielgenauen Einsatz der Kurzzeitpflege diskutiert werden.