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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren ambulanter MRSA-Eradikationen – Eine Versorgungsanalyse unter Nutzung ambulanter Routinedaten

Meeting Abstract

  • Michael Erhart - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, Germany
  • Amelie Rouche - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, Germany
  • Dominik von Stillfried - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV205

doi: 10.3205/17dkvf060, urn:nbn:de:0183-17dkvf0604

Published: September 26, 2017

© 2017 Erhart et al.
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Hintergrund: Trotz insgesamt stagnierender Inzidenzen von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) Infektionen stellen diese nach wie vor eine große Herausforderung für das stationäre Versorgungssystem dar. In zunehmendem Maße wird auch das ambulante Versorgungssystem mit MRSA konfrontiert. Dementsprechend ist in 2012 die „Vergütungsvereinbarung für ärztliche Leistungen zur Diagnostik und ambulanten Eradikationstherapie von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA)“ in der vertragsärztlichen Versorgung in Kraft getreten und wurde mittlerweile in die Regelversorgung übernommen. Mit der Vergütungsvereinbarung wurden verschiedene Gebührenordnungspositionen (GOP) zur MRSA-Diagnostik und Behandlung implementiert, die auch Auskunft über Erfolg oder Misserfolg der Eradikationstherapie geben.

Fragestellung: Verschiedene Eradikationshemmende Faktoren wie bspw. Wunden oder Hautinfektionen sind aus der Literatur bekannt. Patientenseitige Faktoren die mit dem Erfolg oder Misserfolg von MRSA Eradikationen assoziiert sind, wurden bis heute jedoch kaum für ambulante Dekolonisationen untersucht. Diese Arbeit untersucht daher die Patientenseitigen Risikofaktoren führ erfolglose ambulante Eradikationstherapien.

Methode: Ausgewertet wurden die vertragsärztlichen Abrechnungsdaten von über 41 tausend Patientenentitäten bei denen zwischen dem 2. Quartal 2012 und dem dritten Quartal 2014 mindestens eine ambulante Eradikationstherapie durchgeführt wurde, und die über mindestens 5 Quartale in den Abrechnungsdaten nachbeobachtet werden konnten. Aufgrund des Fehlens taggenauer Behandlungsdaten konnte ein Misserfolg nur über die Abrechnung eines positiven Kontrollabstrichs in einem Quartal nach der Eradikation oder einem positiven und keinem negativen Kontrollabstrichen im Quartal der Eradikation operationalisiert werden. Potentielle Erfolgs und Misserfolgsfaktoren wurden - basierend auf einem Review relevanter Literatur - aufgrund klinischer Überlegungen definiert und über Diagnosedaten, Leistungsdaten und Patientenmerkmale operationalisiert.

Ergebnisse: Die ambulanten Eradikationspatienten sind im Durchschnitt 71 Jahre alt. 50,2% sind Frauen. Ein hoher Prozentsatz der Patienten weisen Komorbiditäten aus verschiedenen ICD-10 Hauptkapiteln auf. Zu den häufigsten (Ko-)Morbiditäten gehören Erkrankungen des Kreislaufsystems sowie Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten.

Unter den Patienten die mindestens noch über 5 Quartale in den Daten verfolgt werden konnten, betrug die initiale Misserfolgsrate einer ambulanten Eradikation über 18%. Aufgrund fehlender stationärer Abstrichbefunde liegen bei 29% der Patienten keine Informationen zum Sanierungsergebnis vor. Bei weiteren 12% waren die Informationen aufgrund der fehlenden Informationen nicht eindeutig interpretierbar.

In einer multiplen logistischen Regression waren das Vorhandensein eines Katheders, ein Hautulcus, Hautinfektionen, bakterielle Zoonosen und andere schwerwiegende bakterielle Infektionen (auch Staphylokokkeninfektion!), eine Sepsis, andere Infektionen, Diabetes-Mellitus, Hydrozephalus/andere schwerwiegende Hirnschädigungen, Mukoviszidose, Bösartige Neubildungen der Lippe/Mundhöhle/Pharynx, Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane, Pulmonale Herzkreislauferkrankungen und Dekubitalgeschwüre mit einem erhöhten Risiko eines Misserfolgs assoziiert. Heimbewohnerstatus und die Anzahl bereits vorher durchgeführter MRSA Sanierungen waren ebenfalls mit einem erhöhten Risiko eines Sanierungsmisserfolgs assoziiert. Die entsprechenden ORs reichen von 1,1 bis 3,3. Die Diskriminationsfähigkeit des Gesamtmodells liegt mit einer Fläche unter der ROC-Kurve von 0,67 allerdings noch (knapp) unter der Grenze von 0,7 für eine akzeptable Diskrimination.

Diskussion: Die vorliegenden Befunde identifizieren verschiedene Patientenseitige Faktoren die mit einem erhöhten Risiko erfolgloser MRSA-Eradikationen assoziiert sind. Einige dieser Faktoren stellen jedoch gleichzeitig Risikofaktoren für MRSA-Infektionen und potentiell ungünstige Verläufen entsprechender Infektionen dar, sind somit Ausdruck eines erhöhten Bedarfs für eine MRSA-Eradikation. Für die niedergelassenen Ärzte könnte damit die Abwägung zwischen Erfolgswahrscheinlichkeit und Sanierungsbedarf eine Dilemma-Situation darstellen. In zukünftigen Studien sollte daher auch der langfristige klinische Nutzen ambulanter Eradikationen anhand klinischen Outcomes untersucht werden. Die Befunde weisen außerdem auf die Bedeutung des Zugangs zu sektorenübergreifenden Versorgungsdaten für eine aussagekräftige Versorgungsforschung über den Nutzen und den Erfolg entsprechender Therapien hin. Zukünftige Versorgungsanalysen zu ambulanten Eradikationen sollten außerdem soziale Risikofaktoren wie bspw. enge Wohnverhältnisse, weitere MRSA-Träger im sozialen Umfeld sowie stationäre Aufenthalte mitberücksichtigen. Diese sind in den hier ausgewerteten ambulanten Versorgungsdaten nicht verfügbar.