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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Welchen Einfluss hat die Veröffentlichung der PRISCUS Liste auf die Verordnung von potentiell altersindadäquaten Arzneimitteln bei BARMER Versicherten?

Meeting Abstract

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  • Daniel Grandt - Klinikum Saarbrücken, Saarbrücken, Germany
  • Ursula Marschall - BARMER, Wuppertal, Germany
  • Christoph Straub - BARMER, Berlin, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV208

doi: 10.3205/17dkvf053, urn:nbn:de:0183-17dkvf0536

Published: September 26, 2017

© 2017 Grandt et al.
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Text

Hintergrund: Für einige Arzneimittel besteht eine Altersabhängigkeit des Risiko-/Nutzen Verhältnisses mit Überwiegen der Risiken bei Patienten in fortgeschrittenem Lebensalter. Derartige Arzneimittel werden in den USA in der Beers Liste, in Kanada in der McLeod Liste und in Deutschland in der PRISCUS Liste aufgeführt. Es besteht Expertenkonsens in Deutschland, dass in der 2010 publizierten PRISCUS Liste enthaltene Arzneimittel bei Patienten ab 65 Jahren soweit möglich vermieden werden sollen. „Potentiell indadäquat“ deutet an, dass hier keine absolute, wohl aber eine relative Kontraindikation des Einsatzes dieser Arzneimittel gesehen wird. Auch muss beachtet werden, dass für einen Teil der aufgeführten Arzneimittel die Beurteilung dosisabhängig ist, d.h. dass die Verordnung des Arzneimittels in einer niedrigen Dosis adäquat, ab der in der PRISCUS Liste angegebenen Schwellendosis potentiell inadäquat ist.

Bisher ist für Deutschland unzureichend untersucht, welchen Einfluss die Veröffentlichung der PRISCUS Liste (2010) auf die Häufigkeit des Einsatzes der gelisteten Arzneimittel im Zeitverlauf entwickelt hat. Auch fehlen Untersuchungen, welche die Prävalenz von PRISCUS Arzneimitteln getrennt nach dosis- und dosisunabhängig potentiell inadäquaten Arzneimitteln und nach Regionen analysieren.

Fragestellung:

1.
Welchen Einfluss hat die Veröffentlichung der Priscus Liste 2010 auf die Verordnung der benannten potentiell inadäquaten Arzneimittel im Jahr 2015 entwickelt?
2.
Welche regionalen Unterschiede des Verordnung von Priscus Arzneimitteln und gab es 2010 und 2015?

Methode: Analysiert wurden personenbezogene, anonymisierte Verordnungsdaten BARMER-Versicherten ab einem Alter von 65 Jahren aus den Jahren 2010 und 2015. Als Versicherter wurde gezählt, wer während des analysierten Jahres mindestens einen Tag bei der BARMER versichert war. Die Arzneiverordnungen umfassen die in Apotheken zulasten der BARMER abgegeben Arzneimittel. Untersucht wurde die Prävalenz verordneter, abgegebener Arzneimittel der PRISCUS Liste anhand der ATC Codes. Hierbei wurden (1) alle Arzneimittelwirkstoffe der PRISCUS Liste, sowie Arzneimittelwirkstoffe der Priscus Liste die (2) unabhängig von der verordneten Dosierung als potentiell inadäquat und (3) nur ab einer definierten Dosis als potentiell inadäquat eigestuft werden.

Ergebnisse: In den auf die Publikation der Priscus Liste folgenden 5 Jahren ist die Prävalenz der Verordnung von Priscus Arzneimitteln bei Versicherten der BARMER Versicherten von 28,7% auf 24,5% zurückgegangen. Sowohl bei Betrachtung aller, als auch bei Betrachtung nur der Priscus Arznei-mittel, die unabhängig von der gewählten Dosis potentiell inadäquat sind, ist eine um 4,2% (absolut) niedrige Prävalenz im Zeitverlauf zu finden.

Der Anteil von Versicherten ab 65 Jahren, die mehr als ein PRISCUS Arzneimittel erhalten haben ist von 8% in 2010 auf 6% in 2015 zurückgegangen. Der Anteil von Patienten mit 5 oder mehr PRISCUS Arzneimitteln hat sich in dieser Zeit fast halbiert.

Betrachtet man die Verordnung von Priscus Arzneimitteln nach Regionen (KV-Bezirken), stellt man fest, dass 2010 die Prävalenz zwischen 25,2% und 33,4% und 2015 zwischen 22,1% und 28,5% betrug. Mindestens jeder 5. Patient über 65 Jahre erhielt in 2015 ein PRISUCS Arzneimittel.

Diskussion: Die Analysen zeigen, dass bei BARMER Versicherten ab 65 Jahren die Prävalenz der Verordnung von potentiell ungeeigneten Arzneimitteln gemäß Priscus Liste in den 5 Jahren nach Veröffentlichung nur um 15% (absolut: 4,2%) zurückgegangen ist. Während 2015 in 4 KV Regionen die Prävalenz <23% betrug, lag sie in 4 KV Bereichen >25%. In Brandenburg (-1,5% abs.) und Mecklenburg-Vorpommern (-1,6% abs.) hatte die Veröffentlichung der Priscus Liste den geringsten Einfluss auf das Verordnungsverhalten der genannten Wirkstoffe.

Praktische Implikationen: Die Priscus Liste hat in den ersten 5 Jahren nach ihrer Veröffentlichung nur einen geringen Einfluss auf das Verordnungsverhalten gehabt. Ursachen der unzureichenden Aufnahme und Umsetzung der Empfehlungen müssen untersucht und effektive Implementierungsstrategien entwickelt und evaluiert werden.