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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Arbeitsteilung von Hausärzten und Pflegefachpersonen in der ambulanten Demenzversorgung: Ergebnisse zum Dementia Care Management der DelpHi-M-V Studie

Meeting Abstract

  • Adina Dreier-Wolfgramm - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Universitätsmedizin Greifswald, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Greifswald, Germany
  • Bernhard Norbert Michalowsky - Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., Greifswald, Germany
  • Johannes Hertel - Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., Greifswald, Germany
  • Jochen René Thyrian - Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., Greifswald, Germany
  • Diana Wucherer - Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., Greifswald, Germany
  • Ina Zwingmann - Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., Greifswald, Germany
  • Wolfgang Hoffmann - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Universitätsmedizin Greifswald, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Greifswald, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV162

doi: 10.3205/17dkvf042, urn:nbn:de:0183-17dkvf0422

Published: September 26, 2017

© 2017 Dreier-Wolfgramm et al.
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Text

Hintergrund: In Deutschland sind derzeit mehr als 1.5 Mio. Menschen an einer Demenz erkrankt. Die bedarfsgerechte Versorgung der Betroffenen und die Entlastung der (pflegenden) Angehörigen erfordern innovative Konzepte. Für die ambulante Versorgung und das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern erfolgte daher die Entwicklung des Dementia Care Management Konzeptes im Rahmen der DelpHi-MV Studie (Demenz: lebensweltorientierte und personenzentrierte Hilfen in Mecklenburg-Vorpommern). Das Konzept beinhaltet u.a. ein (1) Baselineassessment incl. der Erstellung eines Hausarztbriefes mit Versorgungsempfehlungen, (2) Interventionen in drei Säulen (Versorgungs- und Behandlungsmanagement, Medikationsmanagement Angehörigenunterstützung) sowie ein (3) jährliches Follow-up. Speziell qualifizierte Pflegefachpersonen übernehmen die Funktion des Dementia Care Managers (DCM). Sie führen das Baselineassessment durch und arbeiten während des Interventionszeitraums von zwölf Monaten eng mit dem Hausarzt, den Betroffenen, Angehörigen und weiteren Akteuren (z.B. Facharzt, Pflegedienst und Apotheke) zusammen.

Fragestellung: Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit folgenden Fragestellungen: (1) Welche Versorgungsempfehlungen werden von der DCM an den Hausarzt getätigt?, (2) Besteht ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Empfehlungen und dem Gesundheitszustand der Menschen mit Demenz? und (3) Welche Versorgungsempfehlungen werden am häufigsten vom Hausarzt an die DCM übertragen? Ziel ist es, die Arbeitsteilung von Hausarzt und Pflegefachperson in der ambulanten Demenzversorgung zu beschreiben und damit einen Beitrag zur künftig optimierten Zusammenarbeit beider Professionen zu leisten.

Methode: Die Analyse erfolgt im Rahmen der hausarztbasierten, clusterrandomisierten Interventionsstudie DelpHi-MV bei den 323 Probanden der Interventionsgruppe, die die Baselinebefragung abgeschlossen haben. Das Dementia Care Management wird in einem computergestützten Interventionsmanagementsystem (IMS) dokumentiert. Grundlage der Analyse bilden die Daten der Baselineerhebung, die von den DCMs für die Erstellung eines Hausarztbriefes mit Versorgungsempfehlungen genutzt werden. Diese Daten wurden zur deskriptiven Analyse und multivariablen Regression einbezogen.

Ergebnisse: Für die 323 Probanden wurden insgesamt 1.578 Versorgungsempfehlungen von den DCMs an die Hausärzte getätigt (durchschnittlich 4.89 Empfehlungen pro Proband). Die häufigsten Empfehlungen erfolgten zur pflegerischen Behandlung (n=580) (z.B. Beantragung einer Pflegestufe), sozialrechtlichen Beratung und Unterstützung (n=378) (z.B. Erstellung einer Vorsorgevollmacht) sowie (c) zur pharmazeutischen Behandlung/Betreuung (n=231) (z.B. Indikationsprüfung Antidementiva). Probanden, die mehr Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens aufweisen, haben eine höhere Anzahl an Empfehlungen (p<0.024). Das Monitoring von Probanden bei Mobilitätseinschränkungen und Sturzrisiko (n=106), die Information der Probanden zur Demenzerkrankung (n=44) und die Wiederverschreibung von Pflegehilfsmitteln (n=26) sind die drei medizinischen Tätigkeiten, die am häufigsten vom Hausarzt an die DCM delegiert wurden.

Diskussion: Für die DelpHi-MV Studie wurden durchschnittlich 4.89 Versorgungsempfehlungen pro Proband identifiziert. Dabei konnte kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Fortschreiten der Demenzerkrankung und der Anzahl der Versorgungsempfehlungen nachgewiesen werden. Dennoch führt insbesondere die Zunahme von Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens tendenziell zu einem Anstieg der Versorgungsempfehlungen. Die Hausärzte akzeptieren im hohen Maße die Empfehlungen der DCM (86.7% von insgesamt 1.578 Empfehlungen). Dabei werden insbesondere Aufgaben zur pflegerischen Versorgung, der sozialrechtlichen Beratung und zur Angehörigenunterstützung vom Hausarzt an die DCMs übertragen. Die Möglichkeit des Hausarztes, spezifische medizinische Tätigkeiten an die DCM zu delegieren werden von den beteiligten Hausärzten genutzt. So werden rund ein Viertel der delegierbaren ärztlichen Tätigkeiten auch tatsächlich vom Hausarzt an die DCMs delegiert. Diese Erkenntnisse können genutzt werden, um die künftige Arbeitsteilung von Hausärzten und Pflegefachpersonen in der ambulanten Demenzversorgung zu spezifizieren.

Praktische Implikationen: Die Hausärzte bewerten die Empfehlungen der DCMs als hilfreich und beschreiben die Zusammenarbeit als entlastend. Somit ist von einem Beitrag zur Optimierung der Versorgung von Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen auszugehen.