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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Organisational learning in patient care – trigger events on micro, meso, and macro level

Meeting Abstract

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  • Lars Rölker-Denker - Universität Oldenburg, Fakultät VI - Medizin und Gesundheitswissenschaften, Department für Versorgungsforschung, Oldenburg, Germany
  • Andreaes Hein - Universität Oldenburg, Fakultät VI - Medizin und Gesundheitswissenschaften, Department für Versorgungsforschung, Oldenburg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV171

doi: 10.3205/17dkvf020, urn:nbn:de:0183-17dkvf0204

Published: September 26, 2017

© 2017 Rölker-Denker et al.
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Hintergrund: Organisationales Lernen (OL) ist ein wichtiges Konzept, um dem gewachsenen Informations- und Wissensbedarf sowie den dynamischen Umwelten der Gesundheitsversorgung zu begegnen. OL beschreibt die Fähigkeit einer Organisation zur Fehleridentifikation und Fehlerkorrektur sowie zur Veränderung der organisationalen Wissensbasis mit dem Fokus auf Problemlösungs- und Handlungskompetenzen [1]. Die Umwelt einer Versorgungsorganisation (VO) lässt sich mit dem Makro-/Meso-/Mikroebenenmodell (MMMEM) beschreiben, wobei eine VO grundsätzlich der Mesoebene zuzuordnen ist. Weitere Akteure auf Mesoebene sind andere VOen aber auch Nicht-VOen wie Selbstverwaltungen, Selbsthilfegruppen und Verbände [2]. Das MMMEM umfasst auf Makroebene das Gesundheitssystem als Ganzes inklusive politischer, staatlicher und gesellschaftlicher Akteure, auf Mikroebene findet die Patienten-Interaktion (Arzt-Patient, Pflege-Patient, etc.) und die Interaktion des Personals statt [3], [4].

Fragestellung: Lernimpulse (LI) des OL können auf VOen aus allen Bereichen des MMMEM einwirken. Ziel dieser Arbeit ist es, diese systematisch zu erfassen und VOen hinsichtlich möglicher Lücken zu sensibilisieren.

Methodik: Im Rahmen einer Literaturstudie zum OL im Gesundheitswesen wurde eine Suche in Pubmed durchgeführt. Suchterm war „organisational learning“, Suchzeitraum die letzten 10 Jahre. Es wurden 77 Publikationen identifiziert, nach Abstractauswertung konnten 48 Publikationen eingeschlossen werden, 7 Publikationen widmeten sich den LI des OL, zzgl. Ergänzungen durch Handrecherche.

Ergebnisse: Auf Makroebene wurden keine expliziten LI identifiziert. Auf Mesoebene muss zwischen intra-organisationalen Lernprozessen und inter-organisationalen Lernprozessen unterschieden werden. Typische Systeme innerhalb von VO sind zunächst Critical Incident Reporting Systems (CIRS), die der Erfassung von kritischen Vorfällen durch das Personal dienen [5]. Weitere Ansätze sind Best bzw. Good Practice Ansätze und Systeme wie Betriebliches Vorschlagswesen [6]. Auch aus klinischen Konferenzen (Fall- und Radiologiekonferenzen, interdisziplinäre Fallbesprechungen in Geriatrie und Onkologie) können LI entstehen [7]. Auf inter-organisationaler Lernebene existiert das Benchmarking. [8] und [9] beschreiben ein auf Befragungen basiertes Benchmarking zwischen Brustzentren. Weitere LI entstehen aus inter-organisationalen Fallkonferenzen, insbesondere in der Rehabilitation und Überleitung [10]. Auf Mikroebene finden sich während [11] oder zeitlich nach der Behandlung [12] geäußerte Patienten- und Angehörigenbeschwerden, geäußert auf allen Organisationsebenen [13]. Zunehmend werden Patienten- und Angehörigenbeschwerden nicht in der direkten Kommunikation mit der VO formuliert, sondern auf Social Media Kanälen öffentlich verbreitet (Arztbewertungsportale, soziale Netzwerke). Hier kann es für die VO sinnvoll sein, ein gezieltes Social Media Monitoring zu betreiben [6]. Hinzukommen selbst initiierte Verfahren wie das Appreciative Inquiry, ein gemeinsamer Workshop mit Patienten, Angehörigen und Personal [14] oder die Erfassung von Leitlinienkonformität ([15] für die Neurologie). LI auf Mikroebene können auch ohne unmittelbaren Patientenkontakt entstehen, also Lernen auf Basis von informellen Gesprächen, bspw. im Rahmen des sog. „Flurfunks“ (en: watercooler effect) [16].

Diskussion: Zunächst ist festzuhalten, dass wissenschaftliche Arbeiten LI, wenn auch nicht originär, zu OL hauptsächlich auf Mikro- und Mesoebene untersuchen, die Makroebene als Auslöser OL scheint noch nicht in hinreichendem Maße betrachtet worden zu sein, hier besteht Forschungsbedarf. Auf Mikroebene wurden hauptsächlich patientensicherheitsrelevante Events und Beschwerden, auf Mesoebene Fehlermanagement, Fallkonferenzen und Benchmarking adressiert. Diese sind vergangenheitsorientiert, zur Weiterentwicklung von OL wären auch zukunftsorientierte LI wichtig, hier besteht ebenfalls Forschungsbedarf.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse können VOen helfen, ihre vergangenheitsorientierten Rückmeldekanäle zu optimieren, bspw. durch Berücksichtigung neuer Kanäle (wie einer Appreciative Inquiry) oder der Erweiterung bestehender Kanäle (Beschwerdemanagement).


Literatur

1.
Vahs. Organisation. Schäffer-Poeschel; 2015.
2.
Offermans. Prozess-/Ressourcensteuerung [...]. Springer; 2011.
3.
Hollederer, et al. Gesundheitswesen. 2015;77:232.
4.
Schwartz, et al. Public Health. 2012:555.
5.
Bohnet-Joscko, et al. Z Orthop Unfall. 2011;149:301.
6.
Sujan, et al. Clin Risk. 2015;21(1):7.
7.
Rölker-Denker, et al. eKNOW. 2015;53.
8.
Kowalski, et al. Geburtsh Frauenheilk. 2011;71:67.
9.
Ansmann, et al. Gesundheitswesen. 2016. DOI: 10.1055/s-0042-102882 External link
10.
Rölker-Denker, et al. Healthinf. 2015: 312.
11.
Ward, et al. BMC HSR. 2011;11:130.
12.
Gillespie, et al. BMJ Qual Saf. 2016. DOI: 10.1136/bmjqs-2015-004596 External link
13.
Reader, et al. BMJ Qual Saf. 2014;23:678.
14.
Trajkovski, et al. J Child HC. 2015;19: 239.
15.
Hasenbein. Praxiswissen. PhD TU Berlin; 2006.
16.
Waring, et al. J Health Org Man. 2010;24: 325.