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Herausforderungen bei der Abbildung des Indexfalles bei Modell- und Kontrollkliniken im Rahmen einer sekundärdatenbasierten Evaluationsstudie (EVA64)
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Published: | September 28, 2016 |
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Hintergrund: In der EVA64-Evaluationsstudie wird routinedatenbasiert eine bundesweite und kassenübergreifende Evaluation von Modellvorhaben zur psychiatrischen Versorgung (gemäß §64b SGB V) unternommen. Der §65 SGB V verpflichtet zu einer bundesweit einheitlichen gesetzlichen Evaluation dieser Vorhaben. Bis zu 94 Gesetzliche Krankenkassen sind an der Evaluation beteiligt. Damit handelt es sich um das bisher größte kassenübergreifende Projekt. Im Rahmen der Evaluation werden Modellkliniken mit Kontrollkliniken ähnlicher Struktur verglichen, um Aussagen u.a. zur Wirksamkeit und Effizienz der Modellvorhaben treffen zu können. In die Studie werden alle Patienten eingeschlossen, die nach Start des jeweiligen Modellvorhabens in einer dieser Modell- bzw. Kontrollklinken wegen einer definierten psychiatrischen Indexdiagnose stationär in einer psychiatrischen Abteilung bzw. in einer Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) behandelt worden sind.
Fragestellung: Es soll die Frage geklärt werden, wie sich der Indexfall einer psychiatrischen Behandlung abbilden lässt. Der Indexfall stellt die erstmalige (teil-)stationäre oder ambulante (PIA)-Behandlung im Modellzeitraum dar. Zu seiner Identifikation müssen verschiedene denkbare Fallkonstellationen beachtet werden. Damit verbunden ist die adäquate Abbildung der dazugehörigen Prä- und Postzeiträume für medizinische Leistungen in den verschiedenen Versorgungssektoren.
Methode: Planmäßig werden alle Krankenkassen im Herbst 2016 Daten liefern, einzelne konnten für den ersten Zwischenbericht eine erste Datenlieferung auf das Frühjahr 2016 vorziehen. Es werden sowohl die Daten des ambulanten und stationären Sektors inklusive der PIA-Leistungen als auch Arbeitsunfähigkeits-, Arzneimittel- und Heilmitteldaten für einen fünfjährigen Zeitraum je Klinik zur Verfügung stehen. Zusätzlich wird pro Patient ein individueller Präzeitraum von zwei Jahren abgebildet, um Prä-Postvergleiche bzgl. der Wirksamkeit von Modellvorhaben vornehmen und inzidente von prävalenten Behandlungsepisoden unterscheiden zu können. Eine konsentierte Datensatzbeschreibung gewährleistet einen kassenübergreifend einheitlichen anonymisierten Datensatz. Die 16 psychiatrischen Indexdiagnosen basieren auf ausgewählten 4- bzw. 5-Stellern der ICD-10-Klassifikation. Die o.g. Einschlusskriterien werden bereits bei den Dateneignern während der Datenziehung angewendet. Für die Evaluation muss in allen Sektoren und sektorenübergreifend der zeitliche Bezug zu Beginn und Ende des Indexfalls hergestellt werden, um die richtige Zuordnung aller Einzelleistungen zu Prä- und Postzeiträumen zu gewährleisten. Das methodische Vorgehen sowie die Fallstricke werden vorgestellt.
Ergebnisse: Bei der Definition des Indexfalles müssen u.a. Verlegungsketten definiert werden. Dabei ist aufgrund der Fragestellung die Unterscheidung zwischen somatischen und psychiatrischen Episoden von Bedeutung sowie der Übergang zwischen der ambulanten (inkl. PIA) und stationären Versorgung. Ausgehend vom Indexfall wird ein Präzeitraum von zwei Jahren sowohl patientenindividuell als auch kalenderjahrbezogen definiert, um die Zeit vor der Modellphase abbilden und inzidente von prävalenten Ereignissen abgrenzen zu können. Zusätzlich werden unterschiedlich lange Postzeiträume definiert, ebenfalls patientenindividuell als auch über alle Patienten hinweg kalenderjahrbezogen. Diese werden durch jährliche Datenlieferungen schrittweise erweitert. Hierbei stellt die anonymisierte Datenlieferung eine Herausforderung sowohl bei den Dateneignern als auch bei den Forschern dar, da alle Daten zzgl. des neuen Jahres jedes Jahr erneut, unter Gewährleistung der Anwendung des gleichen Anonymisierungsalgorithmus, gezogen werden müssen.
Diskussion: Die genaue Abbildung des Indexfalles zzgl. des Prä- und Postzeitraumes bildet die Basis für die Evaluationsstudie. Um den Zeitraum für die a-priori definierten Kosten- und Effizienzanalysen entsprechend abbilden zu können, müssen verschiedene zeitliche Perspektiven bedacht werden. Da der Indexfall i.d.R. nicht zum 1.1. eines Jahres beginnt, müssen neben den für die gesundheitsökonomischen Analysen wichtigen Jahrgangsscheiben auch geeignete patientenindividuelle Zeiträume gebildet werden, um die Wirksamkeit der Modellvorhaben beurteilen zu können. Hierbei stellt zudem der Umgang mit ein- und ausstrahlenden Fällen eine Herausforderung dar.
Praktische Implikationen: Routinedaten bieten tiefgreifende Informationen, um sowohl prospektive als auch retrospektive versorgungsrelevante Zeiträume abzubilden, um gleichzeitig ein anspruchsvolles epidemiologisches Forschungsdesign umzusetzen und um das Manko fehlender oder wenig valider Patientenangaben zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen in vielen Primärdatenquellen zu minimieren. Daher sind Routinedaten für die Evaluation von Modellvorhaben eine unverzichtbare Datenquelle, besonders wenn ca. 80% der Gesetzlichen Krankenkassen an dem Vorhaben, wie bei EVA64, beteiligt sind.