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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Wie soziale Ungleichheiten den Behandlungs- und Versorgungsverlauf bei Diabetes Mellitus Typ-2 beeinflussen. Zwischenergebnisse einer qualitativen Studie aus Sicht der Patienten

Meeting Abstract

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  • Astrid Fink - Institut für Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle, Saale, Deutschland
  • Eva-Maria Fach - Institut für Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle, Saale, Deutschland
  • Maximilian Werner - Institut für Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle, Saale, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP033

doi: 10.3205/16dkvf175, urn:nbn:de:0183-16dkvf1753

Published: September 28, 2016

© 2016 Fink et al.
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Hintergrund: Soziale Ungleichheiten wirken auf die Gesundheit und die gesundheitliche Versorgung. Erkenntnisse über den Einfluss sozialer Ungleichheiten auf die Versorgung bei Diabetes Mellitus Typ-2 sind bislang bruchstückhaft, da häufig nur einzelne Versorgungssektoren (z.B. Akutklinik, Rehabilitation) analysiert wurden. Der Großteil der Studien folgt zudem einem quantitativen Ansatz, der oftmals beschreibende Ergebnisse zur Verfügung stellt, wobei offen bleibt, wo soziale Ungleichheiten entlang des Versorgungspfades auftreten und wie sie überhaupt entstehen.

Fragestellung: Ziel des Projektes ist es, im Rahmen einer qualitativen Studie den Einfluss sozialer Ungleichheiten auf die gesundheitlichen Versorgung bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ-2 zu explorieren. Die Studie richtet die Aufmerksamkeit auf die Perspektive der Patienten bei unterschiedlichen Versorgern und wird auch die bisherigen Erfahrungen der Patienten im Gesundheitssystem berücksichtigen. Folgende übergeordnete Fragestellungen stehen im Fokus der explorativen Studie:

Sind soziale Ungleichheiten mit dem Zugang, der Inanspruchnahme und der wahrgenommenen Qualität gesundheitlicher Versorgungsleistungen in den einzelnen Versorgungsphasen bei Diabetes mellitus Typ-2 assoziiert?

Lassen sich bestimmte Faktoren ermitteln, die den Effekt zwischen sozialen Ungleichheiten und Versorgungsungleichheiten vermitteln?

Methode: Die Studie ist eine qualitative Querschnittstudie. Bisher wurden 13 Patienten mit Diabetes mellitus Typ-2 eingeschlossen und persönlich interviewt. Um eine möglichst große Variation der Erfahrungen mit dem Zugang, der Inanspruchnahme und der Qualität der Versorgung in den Interviews abzudecken, wurden die Teilnehmer bei drei regelmäßig an der Versorgung von Diabetes mellitus Typ-2 beteiligten Akteuren (KKH, FA, HA) rekrutiert. Es werden weiterhin Patienten für die Studie rekrutiert, um eine theoretische Sättigung zu prüfen. Ein qualitativer Stichprobenplan wird angewandt und durch theoretisches Sampling ergänzt, um Männer und Frauen aus unterschiedlichen sozioökonomischen Gruppen bei verschiedenen Versorgern zu erreichen. Eingeschlossen werden erwachsene Patienten mit Diabetes mellitus Typ-2. Ausgeschlossen sind moribunde Personen. Für die semi-strukturierten qualitativen Interviews wurden im Interviewleitfaden offene Fragen und Gesprächsbereiche vorgegeben, die ohne Vorgabe einer Reihenfolge thematisiert werden. Die aufgezeichneten Interviews wurden transkribiert und mit der Software MAXQDA nach der Grounded Theory ausgewertet. Dieses qualitative Vorgehen verfolgt das Ziel, eng am erhobenen Material arbeitend, eine gegenstandsbezogene Theorie zu generieren, die darauf abzielt, menschliche Erfahrungen zur Aufdeckung sozialer Strukturen im Prozess praktischer Forschung offenzulegen. Sie ist damit geeignet, die subjektiven Perspektiven der Patienten mit Typ-2 Diabetes in ihrem eigenen sozialen und kulturellen Kontext aufzunehmen und für ein Verstehen der Wahrnehmung der Patienten im Prozess der gesundheitlichen Versorgung aufzuarbeiten.

Ergebnisse: In diesem Projekt werden Schlüsselstellen im Versorgungsverlauf identifiziert, an denen die Erfahrungen von Patienten unterschiedlicher sozialer Herkunft variieren. Hierbei sind bisher der Zugang zur Versorgung sowie die Ergebnisqualität (Zufriedenheit, gesundheitsbezogene Lebensqualität) hervorzuheben. Insbesondere variieren verschieden gelagerte Barrieren (iatrogen, träger- und rollenbedingt, infrastrukturell) und Förderfaktoren im Zugang und beeinflussen den Behandlungsverlauf. Zudem ist die Selbstmanagementkompetenz unterschiedlich stark ausgeprägt, welches sich auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität und Zufriedenheit auswirkt. Bedeutsam sind auch die subjektive Krankheitstheorie und die Arzt-Patient-Beziehung, die maßgeblich auf den Behandlungsverlauf wirken. Die bisherigen Ergebnisse stellen eine Grundlage für eine bessere Erklärung sozialer Ungleichheiten in der Versorgung dar.

Diskussion: Das qualitative Projekt widmet sich mit der Analyse sozioökonomischer Aspekte im Behandlungs- und Versorgungsverlauf beim Diabetes mellitus Typ-2 einer der vordringlichen klinischen Versorgungsfragen und legt erstmalig Erkenntnisse aus Sicht der Patienten über den Einfluss und mögliche Ursachen sozialer Ungleichheiten in der Versorgung beim Typ-2-Diabetes vor. Diese Studie berücksichtigt erstmalig unterschiedliche Versorgungsbereiche und stellt aussagekräftige Erkenntnisse über soziale Risikogruppen bereit.

Praktische Implikationen: Mit den Erkenntnissen über die moderierenden Aspekte zwischen sozialer Ungleichheit und Versorgungsungleichheiten können vorliegende theoretische Modelle zur Produktion von gesundheitlicher Ungleichheit erweitert bzw. konkretisiert werden. Nach der Theorienentwicklung (und Testung) können in einem weiteren Projekt Maßnahmen zur Reduktion der gesundheitlichen und sozialen Ungleichheiten bei Typ-2 Diabetikern und in der Versorgung anvisiert werden.