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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Grundsätze für die Evaluation telemedizinischer Anwendungen – Ergebnisse eines systematischen Reviews und Konsens-Verfahrens

Meeting Abstract

  • Katrin Arnold - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland
  • Madlen Scheibe - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland
  • Olaf Müller - Carus Consilium Sachsen GmbH, Dresden, Deutschland
  • Jochen Schmitt - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP137

doi: 10.3205/16dkvf158, urn:nbn:de:0183-16dkvf1580

Published: September 28, 2016

© 2016 Arnold et al.
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Text

Hintergrund: Telemedizinisch unterstützte Versorgungsansätze werden in Deutschland bislang größtenteils im Rahmen von Modellprojekten betrieben. Der bisher zögerliche Übergang in die Regelversorgung kann unter anderem auf Defizite in der Evaluationspraxis dieser Anwendungen zurückgeführt werden.

Bislang wird der Großteil von TM-Projekten nicht evaluiert oder die Evaluationsergebnisse werden nicht oder nur teilweise veröffentlicht. Gleichzeitig werden Evaluationen mit sehr heterogener methodischer Qualität durchgeführt. Ohne methodisch solide und vollständig publizierte Evaluationen können die notwendigen Wirksamkeits- bzw. Kosteneffektivitätsnachweise für Entscheidungsträger und potenzielle Anwender nicht erbracht werden. Die Kumulation der Evidenz wird behindert.

Es existieren bereits Evaluationsrahmenkonzepte bzw. methodische Empfehlungen für die Evaluation von Telemedizin-Anwendungen. Diese sind jedoch nur selten Resultat eines evidenzbasierten und transparent nachvollziehbaren methodischen Vorgehens. Für adäquate, vergleichbare Evaluationen telemedizinischer Anwendungen fehlen bislang systematisch entwickelte, interdisziplinär akzeptierte und verbindliche Standards.

Diese Lücke zu schließen war Ziel der medizinischen Qualitätssicherung/Evaluation zum deutschlandweit größten Telemedizin-Projekt CCS Telehealth Ostsachsen (CCS THOS) (Laufzeit: 03/2014 – 06/2015), das aus dem Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) der Europäischen Union sowie aus Landesmitteln des Freistaates Sachsen (SA.35679 (2012/N) - Germany) gefördert wurde.

Fragestellung: Zielstellung war es, in einem systematischen, d.h. evidenz- und konsensbasierten, Vorgehen Evaluationsgrundsätze für die über die CCS THOS-Plattform laufenden Telemedizin-Anwendungen zu erarbeiten, welche anschließend zur Qualitätssicherung der Plattform eingesetzt werden. Ein Aufgreifen der Grundsätze durch andere Projekte und Initiativen aufgrund des anspruchsvollen methodischen Vorgehens war von Beginn an ausdrücklich beabsichtigt.

Methode: Auf der Grundlage eines systematischen Reviews zu Evaluations(rahmen)konzepten für telemedizinische Anwendungen (Suchzeitraum bis September 2014, Datenbanken Medline, Embase, HTA-Database, DARE, NHS EED) sowie einer zusätzlichen selektiven Literaturrecherche wurden Vorschläge für Evaluationsgrundsätze abgeleitet. Diese wurden anschließend einem formalen Konsensverfahren (nominaler Gruppenprozess) unter Beteiligung relevanter Interessengruppen (Kostenträger, Leistungserbringer, Vertreter der Gesundheitspolitik, Wissenschaftler) unterzogen.

Ergebnisse: 19 Arbeiten wurden in den systematischen Review eingeschlossen. Diese präsentierten entsprechend der vorab definierten Einschlusskriterien jeweils ein auf der Grundlage eines systematischen Reviews und/oder eines Konsensverfahrens erstelltes Evaluations(rahmen)konzept für telemedizinische Anwendungen. Die hieraus sowie aus der selektiven Literaturrecherche (25 Arbeiten) abgeleiteten Vorschläge für Evaluationsgrundsätze mündeten durch das formale Konsensverfahren in zehn konsentierten Grundsätzen, wovon acht einstimmig und zwei mit jeweils einer Enthaltung beschlossen wurden. Die Grundsätze beinhalten Kriterien für die Planung, Durchführung und Veröffentlichung von Telemedizin-Evaluationen und geben insbesondere Empfehlungen zu geeigneten Studiendesigns, Outcome-Parametern und einem adäquaten Berichtswesen.

Diskussion: Unter Verwendung eines stringenten evidenz- und konsensbasierten Vorgehens wurden Evaluationsgrundsätze erarbeitet, die zur Qualitätssicherung der über die CCS THOS-Plattform laufenden Anwendungen dienen und für alle Nutzer der telemedizinischen Infrastruktur verpflichtend sind. Durch den hinreichend allgemeinen Charakter ist deren Übertragbarkeit auf die Evaluation jeder Form von Telemedizin-Anwendungen gegeben und wird deren breite Berücksichtigung in der deutschen Telemedizin-Landschaft empfohlen. Die verabschiedeten Grundsätze sind in Deutschland die ersten, die auf evidenz- und konsensbasierter Grundlage entwickelt worden sind. Aufgrund der Erstellungsmethodik besitzen sie eine starke wissenschaftliche und gesundheitspolitische Legitimation.

Praktische Implikationen: Die entwickelten Grundsätze setzen Standards für regelhaft durchgeführte, methodisch adäquate und transparent berichtete TM-Evaluationen. Deren Beachtung trägt zu einem „lernenden“ Gesundheitssystem bei, in dem die Chance hoch ist, dass erwiesenermaßen effektive, innovative Versorgungsansätze in die Regelversorgung übergehen. Gleichzeitig wirken die Grundsätze bei weitreichender Implementierung einer Verschwendung von Ressourcen in der (Versorgungs-)Forschung entgegen, welche zum Beispiel durch die Vernachlässigung wichtiger Ergebnisparameter oder die Wahl ungeeigneter Forschungsdesigns- und Methoden entstehen.

Contributed equally: K. Arnold, M. Scheibe