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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Bundesweit einheitliche wissenschaftliche Evaluation von Modellvorhaben nach §64b SGB V (EVA64) – Studiendesign

Meeting Abstract

  • Anne Neumann - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland
  • Enno Swart - Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg, Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie (ISMG), Magdeburg, Deutschland
  • Dennis Häckl - WIG2 Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • Denise Küster - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland
  • Roman Kliemt - WIG2 Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • Stefanie March - Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg, Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie (ISMG), Magdeburg, Deutschland
  • Katrin Arnold - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland
  • Thomas Petzold - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland
  • Jessika Weiß - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie, Dresden, Deutschland
  • Andrea Pfennig - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Dresden, Deutschland
  • Jochen Schmitt - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP135

doi: 10.3205/16dkvf156, urn:nbn:de:0183-16dkvf1561

Published: September 28, 2016

© 2016 Neumann et al.
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Text

Hintergrund: An der Versorgung der Patienten mit psychischen Erkrankungen sind Akteure unterschiedlicher Professionen beteiligt. Dies ist Voraussetzung dafür, dass den vielfältigen Versorgungsbedarfen entsprochen werden kann, bedingt jedoch eine enge und effiziente Zusammenarbeit. Schnittstellen sind ein grundlegendes Problem in der psychiatrischen Versorgung. Zudem ist die Finanzierung des psychiatrischen Versorgungssystems zersplittert. Seit 2012 bietet §64b SGB V die Möglichkeit einer Weiterentwicklung bestehender auf sektorenübergreifende, patientenzentrierte Versorgung ausgerichteter Modelle. §65 SGB V verpflichtet zur Evaluation dieser Modelle. Gemeinsames Merkmal aller Modellprojekte ist dabei die Bildung eines Gesamtbudgets aus stationärem Krankenhausbudget und den Erlösen der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA). Das Krankenhaus ist in der Wahl der Behandlungsform grundsätzlich frei und kann die Behandlung an den Bedürfnissen des Patienten ausrichten.

Fragestellung: Ziel der Evaluation ist die Messung von Effektivität, Kosten und Effizienz von Modellvorhaben nach §64b SGB V zur Verbesserung der Versorgung von Personen mit psychischen Erkrankungen. Studiendesign sowie erste Ergebnisse werden vorgestellt.

Methode: Als Datengrundlage der Analyse werden Angaben von insgesamt 94 gesetzlichen Krankenkassen zur ambulanten und (teil-) stationären Versorgung (inkl. PIA), zur Versorgung mit Arznei- und Heilmitteln sowie zu Arbeitsunfähigkeit herangezogen. Alle Patienten, die bei einer im Projekt beteiligten gesetzlichen Krankenkasse versichert sind und aufgrund einer von 16 definierten psychischen Erkrankungen bzw. Erkrankungsgruppen innerhalb des Evaluationszeitraums in einem Modellkrankenhaus behandelt wurden bzw. werden, werden mit Patienten der Regelversorgung verglichen. Geeignete Kontrollkliniken werden anhand von Daten der Strukturierten Qualitätsberichte gemäß §137 SGB V und Indikatoren des Bundesinstituts für Bau-, Stadt und Raumforschung (INKAR-Daten) mittels a priori definierter Kriterien ausgewählt. Analysiert werden Anzahl und Dauer stationärer Aufenthalte, Häufigkeit und Intensität ambulanter Leistungen sowie der Verordnung von Arznei- und Heilmitteln, sektorenübergreifende Kontinuität, Kontaktabbrüche zum psychiatrischen Versorgungssystem, Arzt- / Krankenhaus-Hopping, Arbeitsunfähigkeit, Wiederaufnahmeraten, Komorbiditäten, Mortalität, Erkrankungsprogression und Leitlinienadhärenz. Kosten und Effektivität der Modell- und Regelversorgung werden anhand von Kosten-Effektivitätsanalysen untersucht. Es werden die Auswirkungen der Verträge sowohl auf die kinder- und jugendpsychiatrische als auch auf die erwachsenenpsychiatrische Versorgung untersucht. Der Evaluationszeitraum umfasst die ersten vier Jahre jedes Modellvorhabens und ein weiteres Jahr des Follow-up. Hinzu kommen als Prä-Evaluationszeitraum patientenindividuell zwei Jahre vor der ersten Behandlung in einer Modell- oder Kontrollklinik.

Ergebnisse: Bis Ende 2015 wurden 13 Modellprojekte in die Evaluation eingeschlossen. Bis Ende 2016 werden weitere Modellkliniken in die Evaluation aufgenommen. Für jede Modellklinik werden jeweils bis zu 10 Kontrollkliniken ausgewählt. Die ersten Zwischenergebnisse aus der Evaluation von Effektivität, Kosten und Effizienz werden ab 2017 vorliegen.

Diskussion: Die Evaluation komplexer Interventionen im Gesundheitswesen ist eine Hauptaufgabe der Versorgungsforschung und stellt die Basis für die evidenzgeleitete Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung dar. Evaluationen sollten geeignete, möglichst strukturgleiche Kontrollgruppen untersuchen, um Verzerrungen zu vermeiden. Grundvoraussetzung für das hier beschriebene Evaluationsvorhaben ist die transparente und objektive Identifikation geeigneter Kontrollklinken. Dafür fehlte bisher ein Algorithmus, so dass dieser als einer der ersten Schritte des Evaluationsvorhabens entwickelt wurde. Der gewählte Algorithmus hat sich als praktikabel und zielführend erwiesen, um basierend auf Routinedaten geeignete Kontrollkliniken für die vorab definierten Modellkliniken zu identifizieren. In den nächsten Jahren werden Effektivität, Kosten und Effizienz für jedes Modellprojekt einzeln und abschließend alle Modellprojekte zusammen evaluiert. Zudem erfolgt eine Meta-Analyse über alle Modellprojekte zum Abschluss der Studie.

Praktische Implikationen: Das Projekt EVA64 untersucht bundesweit die Effizienz, Kosten und Effektivität von Modellprojekten zur optimierten Versorgung von Patienten mit psychischen Erkrankungen. Das indirekte Ziel des Systems der Modellprojekte ist, dass nicht die Patienten in ein vorgegebenes Behandlungsmuster eingepasst werden müssen, sondern dass sich die Behandlung flexibel an den Patienten ausrichten kann. Sollten sich die Modellprojekte als effizient und kosteneffektiv gegenüber der Regelversorgung herausstellen, könnte diese Evaluation Argumente für die Neustrukturierung der Regelversorgung liefern.