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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Wege invasiv langzeitbeatmeter Patienten durch das Versorgungssystem – Ist-Stand und Perspektiven aus Akteurssicht

Meeting Abstract

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  • Yvonne Lehmann - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Berlin, Deutschland
  • Susanne Stark - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Berlin, Deutschland
  • Michael Ewers - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Berlin, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocFV65

doi: 10.3205/16dkvf110, urn:nbn:de:0183-16dkvf1103

Published: September 28, 2016

© 2016 Lehmann et al.
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Hintergrund: Im Auftrag des AOK-Bundesverbandes wurde eine explorativ-deskriptive Studie zu „Versorgungsangeboten für invasiv langzeitbeatmete Patienten unter regionalen Gesichtspunkten“ (VELA-Regio) durchgeführt. Anlass dieser Untersuchung war, dass das aktuelle Versorgungsangebot für diese Patienten schwer zu überblicken ist. Beklagt werden uneinheitliche Versorgungsstrukturen, undurchsichtige Wege der Patienten durch das Versorgungssystem, wenig transparente – und in Teilen fragwürdige – Handlungspraktiken in einzelnen Bereichen sowie ungenügende Qualitätsstandards und Kontrollmöglichkeiten.

Fragestellung: In der qualitativ-empirischen VELA-Regio-Studie wurde unter anderem der Teilfragestellung nachgegangen, welche Versorgungswege invasiv langzeitbeatmete Patienten durch das Versorgungssystem in vier ausgewählten Regionen beschreiten. Herauszufinden galt es, ob ausgewiesene Versorgungspfade identifizierbar sind und ob sich diese zwischen den Untersuchungsregionen (Hof, Schwerin, Tübingen, Berlin) unterscheiden. Ziel ist es, Bedarf an und Möglichkeiten einer gezielten Versorgungsplanung und Versorgungssteuerung für diese spezielle Patientengruppe aufzuzeigen.

Methode: Es wurden 13 leitfadengestützte Experteninterviews (Hof: 2, Schwerin: 4, Tübingen: 3, Berlin: 4) mit insgesamt 22 Personen durchgeführt. Als Experten gelten hier in Anlehnung an Meuser & Nagel (1991, 2009) zum einen Personen, die in einem organisatorischen oder institutionellen Gesamtzusammenhang Verantwortung für die Steuerung der Versorgung invasiv langzeitbeatmeter Patienten tragen. Zum anderen wurden Personen eingeschlossen, die über einen privilegierten Zugang zu Informationen über diese Patientengruppe und deren Versorgungspfade verfügen. Im breit angelegten Sample wurden die Perspektiven von Ärzten, Pflegenden und Sozialarbeitern in unterschiedlichen Funktionen aus Weaning- und Beatmungszentren, Rehabilitationskliniken, spezialisierten Pflegediensten und -heimen, Haus- und Facharztpraxen sowie von Seiten der Kostenträger und des MDK erfasst. Die Auswertung der transkribierten Interviewdaten erfolgte inhaltlich strukturierend, wobei die Kategorien der Ergebnisdarstellung auf deduktiv-induktivem Weg gebildet wurden.

Ergebnisse: Die befragten Experten gewähren weit reichende Einblicke in die derzeitigen Versorgungsangebote für und die Wege von invasiv langzeitbeatmeten Patienten in den vier Regionen. Erwartungsgemäß hebt sich Berlin mit einem dichten und differenzierten Netz spezialisierter Versorgungsangebote deutlich von den anderen Untersuchungsregionen ab. Bemerkenswert ist aber, dass in der Metropolenregion vergleichbare quantitative und qualitative Versorgungsdefizite beklagt werden, wie in den weniger reichhaltig ausgestatteten Mittelstädten oder ländlichen Regionen. In großer Übereinstimmung sehen die Experten das Versorgungsgeschehen von intransparenten und häufig sekundären, v.a. monetären Interessenlagen der daran beteiligten Akteure sowie von Fachkräftemangel und Professionalisierungsdefiziten überlagert. In Leitlinien beschriebene Patientenpfade, Zuweisungsprozesse und Zuständigkeiten sind den Experten bekannt, sie werden aber aufgrund unzureichender rechtlicher Verankerung als wenig bindend wahrgenommen. Insofern werden sie in erfahrungsbasierter, häufig informell geprägter Netzwerkarbeit individuell und regional unterschiedlich ausgestaltet. Ob die invasiv langzeitbeatmeten Patienten zur richtigen Zeit, im richtigen Setting die richtige Versorgung erhalten, entscheidet dann vornehmlich das Engagement einzelner Akteure. Die im Einzelfall beschrittenen Versorgungswege erweisen sich dadurch als hochgradig zufallsabhängig.

Diskussion: Die gewonnenen Erkenntnisse verdichten die anekdotischen Hinweise aus dem Feld auf eine in hohem Maße insuffiziente Versorgungssituation invasiv langzeitbeatmeter Patienten. Sie lassen auf einen erheblichen Problem-, Innovations- und Handlungsdruck schließen. Es verdichtet sich der Eindruck, dass die häufig schwerstkranken, kommunikativ stark eingeschränkten, vulnerablen Patienten im fragmentierten und sektorierten Versorgungssystem einer organisierten Unverantwortlichkeit und hochgradigen Beliebigkeit ausgesetzt sind. Aus Expertensicht wurde zur Lösung dieses Problems wiederholt eine von Partikularinteressen unabhängige, zentrale Steuerungs-, Monitoring- und Kontrollinstanz für die Versorgung dieser speziellen Patientengruppe gefordert.

Praktische Implikationen: Um den skizzierten Fehlentwicklungen und Versorgungsdefiziten für invasiv langzeitbeatmete Patienten begegnen zu können, bedarf es einer datengestützten und am Versorgungsbedarf orientierten Konzept- und Strukturentwicklung. Mit der VELA-Regio-Studie werden Erkenntnisse erarbeitet, die diesen Prozess unterstützen und die Diskussion über die (Weiter-)Entwicklung gleichermaßen bedarfsgerechter wie patientenzentrierter Angebotsstrukturen für invasiv langzeitbeatmete Patienten vorantreiben können.