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Risikofaktoren für die Verordnung potenziell ungeeigneter Medikamente bei Älteren
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Published: | September 28, 2016 |
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Hintergrund und Fragestellung: Schätzungen besagen, dass 6,5 % aller rund 20 Millionen Krankenhauseinweisungen pro Jahr auf unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAWs) beruhen [1]. Bei älteren Patienten könnten es bis zu 10 % sein [2], da sie aufgrund einer geänderten Pharmakokinetik und -dynamik besonders anfällig für UAWs sind. Polypharmazie erhöht ebenfalls das UAW-Risiko. Um UAWs bei Älteren möglichst zu vermeiden, wurde in den USA bereits 1991 eine Liste von potenziell ungeeigneten Medikamenten (PIMs) veröffentlicht [3]. Das Pendant für Deutschland ist die PRISCUS-Liste [4]. In aktuellen Studien konnte gezeigt werden, dass es eine Assoziation zwischen der Anwendung von PIMs und einem erhöhten Hospitalisierungsrisiko gibt [5], [6], [7], [8], [9]. Die Frage, welche Faktoren zur Verordnung von PIMs im hausärztlichen Setting führen, ist daher von großer Bedeutung.
Methode: Prospektive Kohortenstudie mit knapp 400.000 AOK-Patienten zwischen 65 und 97 Jahren (mittleres Alter 73,8 Jahre) der Region Baden-Württemberg. Auswertung von Abrechnungsdaten (§§295, 300 SGB V) für den Zweijahres-Zeitraum 2009 und 2010. Fallgruppe mit Abgabe eines PIM in mindestens einem Quartal des Beobachtungszeitraums. Die Kontrollgruppe bestand aus Patienten mit Abgabe eines Alternativmedikamentes gemäß PRISCUS-Liste. Eingeschlossen wurden ausschließlich AOK-Patienten, die in den Quartalen Q3 und Q4 2008 keine PIMs erhalten haben. Mögliche Risikofaktoren für die Verordnung von PIMs wurden jeweils in den 6 Monaten vor der ersten Apothekenabgabe erhoben und bei Bedarf gemittelt. Der Zusammenhang zur PIM-Verordnung wurde anhand eines logistischen Regressionsmodells überprüft, zunächst univariabel für insgesamt 16 Risikofaktoren, dann in einem multivariablen Modell mit den insgesamt 10 einflussreichsten Faktoren.
Ergebnisse: Die Fallgruppe bestand aus 79.041 Patienten, die Kontrollgruppe aus 313,296 Patienten. Im volladjustierten Regressionsmodell sind enthalten: Alter und Geschlecht, Vorliegen einer Pflegestufe, DMPs für Diabetes und KHK, mittlere Anzahl verschriebener Medikamente, mittlere Anzahl von Diagnosen gemäß ICD10, Vorliegen von kardiovaskulären Erkrankungen, von Anämie, von Erkrankungen der Niere und ableitenden Harnwege, jeweils anhand ICD10-Kodierung.
Das volladjustierte Modell zeigt, dass Frauen ein um 43 % erhöhtes Risiko tragen, ein PIM-Medikament verordnet zu bekommen. Das Risiko für eine PIM-Verordnung steigt auch mit der Zahl verordneter Medikamente (OR = 1.033) und mit der Zahl an ICD10-Diagnosen (OR = 1,027). Die Risikoerhöhung um 3,3 % pro Medikament entspricht einer Steigerung um 38% für 10 Medikamente (OR = 1.380), und die Risikoerhöhung um 2,7 % pro ICD10-Diagnose entspricht einer Steigerung um 30 % bei Vorliegen von 10 Diagnosen (OR = 1.301). Dagegen nimmt mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit für eine PIM-Verordnung ab, um bis zu 23 % in der höchsten Altersgruppe der 85- bis 97-jährigen (OR = 0.773). Bei Vorliegen einer Pflegestufe werden signifikant weniger PIMs verordnet (OR = 0,911), wie auch bei Teilnehmern am DMP Diabetes Typ 1 und 2 (OR = 0.764) oder dem DMP KHK (OR = 0.852). Kardiovaskuläre Erkrankungen (OR = 0,667) und das Vorliegen einer Anämie (OR = 0,853) sind mit weniger Verschreibungen von PIMs verknüpft, Erkrankungen der ableitenden Harnwege hingegen mit signifikant mehr (OR = 1,144).
Diskussion: Auch nach vollständiger Adjustierung tragen ältere Frauen ein deutlich erhöhtes Risiko für eine PIM-Verordnung, ebenso Patienten mit einer hohen Zahl an ICD10-Diagnosen und Polypharmazie-Patienten. Bei Patienten in einem DMP-Programm, bei Vorliegen einer Pflegestufe, bei kardiovaskulären Erkrankungen oder Anämien und bei hochbetagten Patienten scheint die PIM-Medikation zurückhaltender zu erfolgen. Wir interpretieren dies als Folge strukturierter Behandlungs- oder Betreuungsprogramme.
Praktische Implikation: Die Studienergebnisse legen nahe, mit Hilfe einer strukturierten Patientenbetreuung PIM-Verordnungen überall dort zu vermeiden, wo dies therapeutisch sinnvoll ist. Allerdings sollte die Qualität der Arzneimittelversorgung nicht allein auf das Vermeiden von PIM-Verordnungen reduziert werden, da andere Faktoren wie z.B. Polypharmazie oder die fehlende Adhärenz der Patienten zu weitaus gravierenderen Problemen führen können.
Literatur
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- Bergert FW, et al. ÄZQ. 2013.
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- Thürmann PA. MMW Fortschr Med. 2014.
- 3.
- Beers MH. Arch Intern Med. 1997.
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- Holt S, et al. Dtsch Ärztebl. 2010.
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- Endres HG, et al. PloS One. 2016.
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- Reich O, et al. PloS One. 2014.
- 7.
- Price SD, et al. Drugs Aging. 2014.
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- Albert SM, et al. Drugs Aging. 2010.
- 9.
- Henschel F, et al. Drugs – Real Worl Outcomes. 2015.