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Was wäre wenn in allen Krankenhäusern die gleichen Behandlungsentscheidungen getroffen würden wie in spezialisierten Zentren? Eine Untersuchung zum Potential der Thrombolysetherapie bei Hirninfarkt
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Published: | September 28, 2016 |
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Hintergrund: Die systemische Thrombolysetherapie ist wirksam in der Behandlung des akuten Hirninfarkts. Sie wird jedoch in unterschiedlichem Maße in der klinischen Routine angewendet. Thrombolyseraten variieren in Abhängigkeit sowohl der Patientencharakteristika als auch der Versorgungsstufen. In spezialisierten Zentren sind die Thrombolyseraten generell höher als in Krankenhäusern anderer Versorgungsstufen.
Fragestellung: Wie würden sich Thrombolyseraten und -zahlen in der akut-stationären Schlaganfallversorgung verändern, wenn in allen Krankenhäusern die gleichen Behandlungsentscheidungen (Thrombolyse vs. keine Thrombolyse) getroffen würden wie in spezialisierten Zentren?
Methode: Mit Daten der Baden-Württembergischen Geschäftsstelle Qualitätssicherung im Krankenhaus (GeQiK) von 36.901 Schlaganfallpatienten (Zeitraum 2008 bis 2012), die aufgrund klinischer Variablen für eine Thrombolysetherapie geeignet waren, wurde eine registerbasierte Beobachtungsstudie durchgeführt. Ein regressions-analytischer Ansatz unter Verwendung von robusten Poisson-Modellen mit Interaktionseffekten zwischen Versorgungsstufen (Schlaganfallzentrum, regionale Schlaganfalleinheit, lokale Schlaganfalleinheit und Versorgung ohne Schlaganfalleinheit) und patientenbezogenen Variablen wurde entwickelt und angewendet, um das Potential der Thrombolysetherapie bei einer den Schlaganfallzentren vergleichbaren Anwendung abschätzen zu können.
Ergebnisse: Insgesamt 10.901 (28.5%) der Patienten erhielten eine Thrombolysetherapie. Die Thrombolyserate variierte zwischen 44.0% (Schlaganfallzentrum) und 13.1% (keine Schlaganfalleinheit). Besonders Patienten im Alter >80 Jahre mit vorbestehenden Behinderungen (gemessen mittels modifizierter Rankin-Skala) hatten allgemein eine geringere Wahrscheinlichkeit mit einer Thrombolysetherapie behandelt zu werden. Interaktionen zwischen der Versorgungsstufe und dem Patientenalter, sowie dem Grad der vorbestehenden Behinderung, wie auch der Schlaganfallschwere (gemessen mittels National Institute of Health Stroke Scale, NIHSS), alle p < 0.0001, wurden beobachtet. Für eine mögliche Assoziation zwischen Thrombolyserate und Mortalität fand sich keine Evidenz. Die errechnete potentielle Anzahl Patienten mit Thrombolysebehandlung lag bei 16.039, d.h. um 52.8% höher als die tatsächliche Anzahl. Die geschätzten potentiellen Thrombolyseraten rangierten zwischen 41.9% (regionale Schlaganfalleinheit) und 44.6% (keine Schlaganfalleinheit).
Diskussion: Der methodische Ansatz berücksichtigt die Charakteristika der unterschiedlichen Patientenkollektive und erlaubt die Abschätzung einer „maximalen“ (an einem Benchmark orientierten) Anwendung einer Therapie. Differenzen in den Thrombolyseraten zwischen verschiedenen Versorgungsstufen erscheinen zum Großteil durch grundsätzlich unterschiedliche Behandlungsentscheidungen abhängig vom Patientenalter und von vorbestehenden Behinderungen erklärt zu sein.
Praktische Implikationen: Die Ergebnisse deuten an, dass die Thrombolyserate in der Schlaganfallbehandlung bei konsequenterer Anwendung deutlich erhöht werden könnte. Sie unterstützen auch Leitlinien-Empfehlungen, Patienten mit akutem Schlaganfall in Schlaganfalleinheiten zu versorgen.