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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Die Evaluation des Behandlungskonzepts AOK-proReha: Eine Anwendung der Propensity Score Matching-Methode

Meeting Abstract

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  • Erik Farin-Glattacker - Universitätsklinikum Freiburg, Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Freiburg, Deutschland
  • Johannes Hauer - Universitätsklinikum Freiburg, Institut QM und Sozialmedizin, (jetzt Klinik für Tumorbiologie der Universität Freiburg), Freiburg, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP094

doi: 10.3205/15dkvf314, urn:nbn:de:0183-15dkvf3143

Published: September 22, 2015

© 2015 Farin-Glattacker et al.
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Hintergrund: Das Behandlungskonzept AOK-proReha der AOK Baden-Württemberg legt für „Zustand nach Implantation von Hüftgelenksendoprothesen“ und „Zustand nach Implantation von Kniegelenksendoprothesen“ fest, welche therapeutischen Maßnahmen in welcher Intensität während der Rehabilitation und Nachsorge angewendet werden sollten. Ab Mai 2008 wurde das Behandlungskonzept routinemäßig in von der AOK Baden-Württemberg belegten orthopädischen Rehabilitationskliniken umgesetzt; zur Zeit wird das Behandlungskonzept in 54 Einrichtungen angewandt.

Fragestellung: Der Beitrag berichtet von einer Studie, die eine wissenschaftliche Bewertung von AOK-proReha in der Routineversorgung vornahm. Da es sich um ein praxisnahes Projekt der Versorgungsforschung handelte, mussten zwei Einschränkungen berücksichtigt werden: Es gab weder die Möglichkeit einer randomisierten Zuweisung, noch war es möglich, in den AOK-proReha-Einrichtungen eine Prä-Messung vor Einführung des Behandlungskonzepts vorzunehmen. Aus diesem Grund wurde ein Vergleich mit einer historischen Kontrollgruppe vorgenommen. Diese bestand aus Rehabilitanden nach Hüft- und Knie-TEP aus 73 orthopädischen Rehabilitationseinrichtungen, die am QS-Reha®-Verfahren der gesetzlichen Krankenkassen teilgenommen haben (vgl. Farin et al., 2009).

Methode: Als generisches Instrument zur Messung der Reha-Effekte wurde von den Patienten zu drei Messzeitpunkten (Reha-Beginn t0, Reha-Ende t1, 6-Monats-Katamnese t2) der IRES-Fragebogen ausgefüllt. Ferner wurden mit dem SMFA-D spezifische Beeinträchtigungen erfasst. Die Patientenzufriedenheit wurde mit einem Fragebogen erfasst, der eine Modifikation des Instruments von Raspe et al. (1997) darstellt. Von den Behandlern wurde ein ärztlicher Dokumentationsbogen bearbeitet.

Bei der Propensity Score Matching-Methode werden diejenigen Kovariaten identifiziert, von denen vermutet wird, dass sie Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe abbilden. Mit Hilfe dieser Variablen wird ein logistisches Regressionsmodell gebildet, das die Vorhersage der Zugehörigkeit zu Interventions- oder Kontrollgruppe ermöglicht. Teilnehmer der Interventions- und Kontrollgruppe, die einen ähnlichen Propensity Score aufweisen, können somit als vergleichbar angesehen werden. Mit Hilfe dieser Vorgehensweise wurden für die AOK-proReha-Patienten „Zwillinge“ mit entsprechendem Propensity Score aus der Kontrollgruppe identifiziert.

Ergebnisse: Kurzfristig (bei Reha-Ende) gibt es zwischen Interventions- und Kontrollgruppe bezüglich keiner der IRES- und SMFA-Skalen Unterschiede. Auch 6 Monate nach der Reha zeigen sich bei Hüft-TEP-Patienten keine signifikanten Unterschiede. Bei Knie-TEP-Patienten erzielen die Teilnehmer von AOK-pro Reha jedoch bei fünf der neun Skalen (somatische Gesundheit, psychisches Befinden, Schmerzen, Funktionsfähigkeit im Alltag, Gesamtscore) signifikant höhere Effekte als die Personen aus der Kontrollgruppe. Dieser Effekt zeigt sich auch auf der Ebene der nicht-adjustierten Effektstärken. Während z.B. bei Knie-TEP die mittelfristige Effektstärke bei somatischer Gesundheit in der AOK-pro Reha-Gruppe 0.84 beträgt, erreicht sie in der Kontrollgruppe nur 0.55. Bei der Patientenzufriedenheit gab es wiederum bei beiden Diagnosen keine signifikanten Unterschiede.

Diskussion: Bei dem Vergleich zwischen Interventions- und Kontrollgruppe ist zu berücksichtigen, dass in der AOK-proReha-Gruppe die Dauer der Rehabilitation zwei Tage kürzer war und dass die Patienten eine kürzere postoperative Verweildauer im Akutkrankenhaus aufwiesen. Diese beiden säkular bedingten Phänomene, die vermutlich zu einem Nachteil der AOK-proReha-Gruppe geführt haben, konnten durch die hier angewandten statistischen Kontrollverfahren nicht beseitigt werden. Hinzu kommt, dass die Kontrollgruppe aus Einrichtungen bestand, die freiwillig am damals noch nicht verpflichtenden QS-Reha®-Verfahren teilgenommen haben. Die Stärken der Studie bestehen darin, dass sie eine moderne Methode zur Wirkungsevaluation verwendet hat und auf einen großen Vergleichsdatenpool zurückgreifen konnte. Die Evidenz ist jedoch geringer ist als bei einem gut durchgeführten RCT.

Praktische Implikationen: Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass die Ergebnisse der Evaluation des Behandlungskonzepts AOK-proReha positiv ausfallen. Die Standardisierung hat zu keinem Nachteil geführt, teilweise sind sogar höhere Effekte zu verzeichnen. Unsere Studie erlaubt keine Aussage zur Frage, ob die medizinische Rehabilitation generell wirksam ist, da keine unbehandelte Vergleichsgruppe zur Verfügung stand.

Danksagung: Die Autoren danken dem Projektförderer (AOK Baden-Württemberg), den 17 an der Datenerhebung beteiligten Rehabilitationseinrichtungen und allen Patientinnen und Patienten, die für unsere Studie Fragebögen bearbeitet haben.