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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Neuausrichtung der sozialpsychiatrischen Versorgung für psychisch erkrankte, erwachsene Menschen in Hamburg – Fluch oder Segen?

Meeting Abstract

  • Johanna Baumgardt - Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg, Department Soziale Arbeit, Hamburg, Deutschland
  • Gesa Mayer - Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg, Department Soziale Arbeit, Hamburg, Deutschland
  • Anneke Wiese - Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie, Hamburg, Deutschland
  • Tim Ellermann - Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg, Department Soziale Arbeit, Hamburg, Deutschland
  • Matthias Nauerth - Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie, Hamburg, Deutschland
  • Dieter Röh - Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg, Department Soziale Arbeit, Hamburg, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP093

doi: 10.3205/15dkvf313, urn:nbn:de:0183-15dkvf3131

Published: September 22, 2015

© 2015 Baumgardt et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Die VN-Behindertenrechtskonvention deklariert u.a. die unabhängige und selbstbestimmte Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft als Leitziele einer auf Inklusion abzielenden Politik. Inwieweit die sozialpsychiatrischen Leistungen (insbes. Teilhabeleistungen des SGB XII) in Deutschland diesen sowie weiteren modernen, psychiatriepolitischen und fachlichen Leitideen entsprechen, ist gegenwärtig nicht bekannt. Vor diesem Hintergrund werden im Rahmen der vorgestellten Studie die biopsychosoziale Gesundheitslage sowie die gemeinde- und sozialpsychiatrische Versorgungssituation psychisch kranker, erwachsener Menschen untersucht. Im Fokus steht dabei die Einführung der ambulanten Sozialpsychiatrie (ASP) in Hamburg, die seit 2014 zu maßgeblichen Veränderungen in der Ausgestaltung der ambulanten Betreuung seelisch behinderter bzw. chronisch psychisch kranker Menschen geführt hat.

Fragestellungen:

  • Wie sind Status Quo und Entwicklung der biopsychosozialen Gesundheitslage von ASP-Nutzer_innen?
  • Welchen Einfluss hat die Einführung der ASP auf deren Nutzer_innen?
  • Wie beeinflusst ASP die Möglichkeit dieser Personengruppe, ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben in der Gesellschaft führen zu können?
  • Welche Herausforderungen ergeben sich für die Leistungserbringer hinsichtlich des neuen Leistungsspektrums der ASP?

Methode: Anhand eines Mixed-Method-Designs sollen Veränderungen unterschiedlicher Outcome-Parameter erhoben, vergleichend ausgewertet und aufeinander bezogen werden. Im Rahmen einer quantitieren Längsschnittstudie werden hierfür ASP-Nutzer_innen in Form eines Ex-Post-Facto-Designs befragt. Die Erhebung findet an drei Messzeitpunkten (t1-t3) mit einem Abstand von jeweils 8 Monaten statt: t1 = Erfassung von soziodemographischen Daten, ICD-Diagnose, Inklusion und Hilfeform; t1-t3: Einsatz standardisierte und validierter Fragebögen (OXCAP-MH, GAF, EPAS, MANSA, SCL-K-9, KLIBB). Die Auswahl der Probanden aus der Kohorte „ASP-Nutzer_innen mit Eingliederungsbescheid“ (n=1000) erfolgt mittels einer mehrstufigen zufälligen Stichprobenziehung aus der Grundgesamtheit (n=5648). Da die Größe der Kohorte „ASP-Nutzer_innen ohne Eingliederungsbescheid“ unbekannt ist, erfolgt deren Auswahl durch die Leistungserbringer, insofern die Nutzer_innen zu t1 Leistungen in Anspruch nehmen.

Um methodisch auf die „nicht-kontrollierbaren“ Kontextfaktoren zu reagieren, wird darüber hinaus eine qualitativ-heuristische Querschnittsstudie realisiert. Hierfür werden zwischen t2 und t3 leitfadengestützte Interviews mit ASP-Nutzer_innen (n=25) sowie operativ tätigen Mitarbeiter_innen bzw. Leitungs- und Planungsverantwortlichen der Leistungserbringer der Stichproben-Kohorte (n=20) geführt. Die Auswahl der Befragten erfolgt durch ein Extremgruppensample auf Basis der Ergebnisse der quantitativen Studie. Durch die inhaltliche Fokussierung auf den gleichen Gegenstandsbereich soll eine vertiefende Analyse durch die Rekonstruktion des Strukturzusammenhangs der parallel gemessenen Phänomene erfolgen, der die systematischen Effekte des Hilfesystems erschließen hilft.

Ergebnisse: Aktuell liegen keine Ergebnisse vor, da die 1. Erhebung im Juni 2015 stattfinden wird. Zum Zeitpunkt des DKVF wird diese Erhebung abgeschlossen und ausgewertet sein, so dass deren Ergebnisse dann präsentiert werden können.

Diskussionen & Limitationen: Da hinreichende Daten zur Überprüfung der Wirkungen moderner, integrativer und partizipativer Versorgungsleistungen weitgehend fehlen, stellt die Studie einen Einblick in die „blackbox“ der gemeinde- und sozialpsychiatrischen Hilfen in Deutschland dar.

Da auf Grund struktureller Gegebenheiten aktuell weder eine RCT-Studie noch ein klassisches Prä-Post-Design möglich ist, wird hilfsweise ein Vergleich zwischen den Bundesländern Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern der beschriebenen Indikatoren angestrebt.

Praktische Implikationen: Durch die vorgestellte Studie wird zum einen eine erste Bewertung der Auswirkung und Zielerreichung der ASP in Hamburg möglich. Zum anderen können auf Basis der Ergebnisse Ableitungen für eine Weiterentwicklung der bestehenden Versorgungsform sowie mögliche Übertragungen auf andere Regionen, die Veränderungen bzgl. Struktur und Leistungsspektrum der ambulanten Sozialpsychiatrie anstreben, gezogen werden. Des Weiteren dient die vorgestellte Erhebung der Vorbereitung einer bundesweiten Studie zur sozialpsychiatrischen Versorgung mittels ambulanter, teilstationärer und stationärer Leistungen des SGB XII. Da vergleichbare Daten oder validierte Analysemethoden zu dem beschriebenen Gegenstandsbereich bisher nicht vorliegen, erscheint die vorgestellte Vorgehensweise zudem sinnvoll für die Entwicklung von Forschungsinstrumenten, die zu einem späteren Zeitpunkt zu Zwecken der differenzierten Wirkungsmessung eingesetzt werden könnten.