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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Best Practice für die Risiko-adaptierte Darmkrebs-Früherkennung: Praxisimplementierung FAMKOL-Studie

Meeting Abstract

  • Alexander Bauer - Martin-Luther-universität Halle-Wittengerg, Medizinische Fakultät, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Halle, Deutschland
  • Stephanie Boese - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Halle, Deutschland
  • Madeleine Ritter-Herschbach - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Halle, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP092

doi: 10.3205/15dkvf312, urn:nbn:de:0183-15dkvf3121

Published: September 22, 2015

© 2015 Bauer et al.
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Text

Hintergrund: Mit insgesamt rund 73.000 Neuerkrankungen und über 26.000 Todesfällen jährlich sind kolorektale Karzinome (ICD-10 C18-C20) die zweithäufigste Krebstodesursache in Deutschland [1]. Es ist deshalb entscheidend, das Potential der Früherkennung auszuschöpfen. Obwohl für die Vorsorgekoloskopie gezeigt wurde, dass sie ein sehr zuverlässiges Verfahren darstellt und in den S3-Leitlinien verankert ist, ist die Bereitschaft zur Teilnahme in der Allgemeinbevölkerung sehr begrenzt [6-8, 9]. Pro Jahr nehmen nur etwa 2-3% der anspruchsberechtigten Bevölkerungsgruppe diese Möglichkeit wahr, was über das 10-Jahres-Screeningintervall betrachtet einer Teilnahmerate von 20-30% entspricht. Erstgradig Verwandte von Patienten mit kolorektalem Karzinom haben ein 2-4-fach erhöhtes Risiko, ebenfalls an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken [1]. Im Sinne einer Optimierung der Darmkrebsfrüherkennung ist es von besonderer Bedeutung, in Risiko- und Hochrisiko-Kollektiven eine adäquate Teilnahme an Früherkennungsmaßnahmen, insbesondere an der Vorsorgekoloskopie, sicherzustellen. Bisher gibt es jedoch nur wenige Interventionsstudien, die auf eine Verbesserung des Inanspruchnahmeverhaltens bezüglich Vorsorgescreenings dieser Risikogruppe abzielen [12], so dass entsprechende Strategien zur Förderung der Teilnahme an Screeningmaßnahmen noch nicht vorliegen.

Fragestellung: Im Rahmen der Studie der FAMKOL-Studie wurde eine nicht-ärztliche, barrierebezogene Beratungsintervention bei Verwandten ersten Grades von Darmkrebspatienten entwickelt um einen Versorgungspfad für die zukünftige Regelversorgung ableiten zu können. Ziel der Studie ist es, im Sinne des Ziels 2b des nationalen Krebsplans, die Verdopplung der bisherigen Teilnahmerate an der Vorsorgekoloskopie auf 50% zu erreichen.

Methode (Studiendesign, Datenerhebung und -auswertung):

Studiendesign: Die prospektive, cluster-randomisierte FAMKOL-Studie wird in über 60 Kliniken deutschlandweit durchgeführt und im Dezember 2015 abgeschlossen sein. Nach erfolgter Randomisierung auf individueller Ebene werden Patienten mit kolorektalem Karzinom (Indexpatient) gebeten, Unterlagen an eligible erstgradig Verwandte (EGV) mit einer Einladung zur Studie weiterzugeben. Nach Rückmeldung erhalten EGV in der Interventionsgruppe zusätzlich eine pflegerische, barriere-bezogene Beratung im Vergleich zur Standardberatung mit Informationsbroschüren in der Kontrollgruppe.

Datenerhebung: Datenbasis für die Primäranalyse der Hauptstudie sind patientenbezogene Primärdaten und Patientenbefragungen. Für die Erstellung eines optimalen Versorgungspfades wurden leitfadengestützte Experteninterviews mit Kliniken hoher Rekrutierungs- sowie Rücklaufquoten durchgeführt.

Datenauswertung: Per Delphi-Verfahren wurde unter den Beteiligten eine interdisziplinäre Diskussion und abschließende Konsentierung durchgeführt.

Ergebnisse: Das Best Practice Beispiel zeigt auf, wie das in der Studie entwickelte Einladungsverfahren zur Vorsorgekoloskopie im klinischen Alltag mit hoher Effizienz implementiert werden kann. Im vorgestellten Versorgungspfad kann aufgezeigt werden, dass mit bereits vorhandenen Strukturen das FAMKOL-Konzept in die Regelversorgung integriert werden kann.

Diskussionen: Das Best Practice Modell zeigt mit der beispielhaften Umsetzung in der Regelversorgung bislang wenig ausgeschöpfte Potentiale nicht-ärztlicher Berufsgruppen auf. Die Implementierung muss aber auf die jeweiligen klinikspezifischen Strukturen angepasst und dann in die Routineabläufe überführt werden. Evidenzbasierte Beratungsinhalte bieten dazu eine wichtige Grundlage für die qualitätsgesicherte Information von Risikopersonen zum familiären Darmkrebsrisiko, nicht nur auf fachlicher, sondern auch auf sozialer und kommunikativer Ebene.

Praktische Implikationen: Um das nicht-ärztliche Personal für die effektive Einladung zur Darmkrebsvorsorge zu qualifizieren, ist ein praxisgerechtes, evidenzbasiertes Schulungskonzept notwendig, das durch die FAMKOL-Studie jetzt vorliegt. Die zusätzliche Qualifikation der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe zur umfassenden Aufklärung und Betreuung von Darmkrebspatienten und deren erstgradig Verwandten erweitert das Tätigkeitsfeld der Pflege im interdisziplinären Team.