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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Ergebnisvorstellung der Pilotstudie zur Einführung von Gruppensprechstunden für Hypertoniker in Deutschland

Meeting Abstract

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  • Benedikt Simon - Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE), Köln, Deutschland
  • Peter T. Sawicki - Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP162

doi: 10.3205/15dkvf273, urn:nbn:de:0183-15dkvf2731

Published: September 22, 2015

© 2015 Simon et al.
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Hintergrund: Die hausärztliche Versorgung in ländlichen Regionen ist in Gefahr. Während die Zahl betreuungsintensiver chronisch Erkrankter, die besonders viele und besonders zeitintensive ärztlichen Kontakte benötigen, steigt, geht die Hausärztezahl zurück. Die Folgen dieses Auseinanderdriftens sind bereits vielerorts spürbar.

Reaktionen hierauf sind finanzielle Anreize für Praxisgründung auf dem Land oder die Verlagerung ärztlicher Tätigkeiten auf Praxispersonal. Bei der Lösungssuche bisher außen vor geblieben ist der eigentliche Kern der hausärztlichen Versorgung, die Sprechstunde.

Ein revolutionärer Ansatz, der in Ländern mit ähnlichen Strukturproblemen eingesetzt wird, sind Gruppensprechstunden (GS) für chronisch Erkrankte. GS sollen Einzelsprechstunden (ES) ersetzen, GS-Patienten sollen nur bei dringenden Beschwerden den Arzt für ES separat aufsuchen. Reviews zeigen

  • Effizienzgewinne in der Versorgung
  • Verbesserungen med. Outcomes
  • gesteigerte Zufriedenheit von Patienten
  • gesteigerte Zufriedenheit von Ärzten

Fragestellung: Lassen sich GS für behandlungsintensive, chronisch erkrankte Patienten grundsätzlich auf Deutschland übertragen?

Methode: In einer RCT wurden GS von zwei sachsen-anhaltinischen Hausärzten eingeführt. Über 12 Monate wurden je Arzt 2 konstante Gruppen à 12 behandlungsintensiver Hypertoniker (>140/90 mmHg, >55 Jahre, >10 Praxisbesuche im vergangenen Jahr) alle 2 Monate zu GS eingeladen. Die Kontrollgruppe (KG), je Praxis 24 Patienten, wurde in ES behandelt.

Ablauf GS: GS bestehen aus 5 Phasen, die wichtigsten sind die der Diskussion und die der Behandlung: Tabelle 1 [Tab. 1].

In der Diskussionsphase diskutieren Patienten unter ärztlicher Leitung über eigene Erfahrungen und Herausforderungen in Bezug auf ihre chronische Erkrankung und Therapie. Ziel ist, sie durch partnerschaftliches Lernen mit- und voneinander zu mehr Selbstverantwortung im Umgang mit der Erkrankung zu befähigen.

In der Behandlungsphase findet die Patientenversorgung im Gruppensetting statt, da alle Patienten den Ausführungen des Arztes zu einzelnen Patienten beiwohnen können sie gleichermaßen von den Erläuterungen profitieren.

Ergebnisse:

Patientenzufriedenheit: Die Teilnahme der Patienten entsprach in 3 von 4 Gruppen dem Zielwert von durchschnittlich 10 Patienten pro GS. Nur in Gruppe B1 nahmen Patienten unregelmäßiger teil (Tabelle 2 [Tab. 2]).

Patienten bewerteten GS im abschließenden Fragebogen positiv. 77% gaben weiterhin an, von der Diskussion in der Gruppe profitiert zu haben, 72% glauben, dass es den anderen Patienten ebenso erging. 75% würden erneut an GS teilnehmen; 85% GS weiterempfehlen (Tabelle 3 [Tab. 3]).

Versorgungseffizienz: GS dauerten für 10-12 Patienten 70-90 Minuten. Dies bedeutet ein Effizienzgewinn für die Ärzte, da diese besonders behandlungsintensive Patienten in ES vor Studienbeginn, länger als die in Deutschland durchschnittlichen 7,8 Minuten benötigten.

Über das Studienjahr suchten Patienten, welche regelmäßig an den GS teilnahmen (Gruppen B2, C1 und C2), den Arzt nur 1-2-mal für separate ES auf. Dies geschah ausschließlich bei unmittelbar behandlungsbedürftigen Beschwerden (Tabelle 4 [Tab. 4]).

Arztzufriedenheit: Beide Ärzte äußerten sich positiv zu GS, behandeln Studienpatienten über das Studienende hinaus in GS und haben ihr GS-Angebot erweitert.

Diskussion: Die Ergebnisse der Pilotstudie sind auf 2 Ärzte und 48 GS-Patienten beschränkt. Dennoch deutet sich bereits an, dass GS auch in Deutschland, wie in Reviews und Studien aus anderen Ländern belegt, zu Effizienzgewinne in der Versorgung sowie zu Zufriedenheit von Patienten und Ärzten führen:

Patienten haben GS als Alternative zur ES angenommen, sie bewerten GS positiv, erscheinen regelmäßig und suchen ES nur in dringenden Fällen auf. Die Ärzte sind auch von der Vorteilhaftigkeit überzeugt, führen ihr GS-Angebot nicht nur weiter, sondern weiten es aus.

GS sind auf Deutschland grundsätzlich übertragbar.

Praktische Implikationen: Für Hausärzte sind die Ergebnisse der Pilotstudie eine Einladung GS selber anzubieten, für die Akteure der ambulanten Versorgung sind sie eine Einladung gemeinsam eine umfangreichere Studie durchzuführen.