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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Optimierung des Antibiotikaverordnungsverhaltens bei akuten Atemwegsinfekten in der Primärversorgung – eine Prozessdarstellung zur Entwicklung eines E-Learning-Prototyps

Meeting Abstract

  • Christian Helbig - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
  • Anna Köchling - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
  • Andreas Ahlfeldt - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
  • Anja Wollny - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
  • Annette Diener - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
  • Gregor Feldmeier - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
  • Attila Altiner - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP157

doi: 10.3205/15dkvf268, urn:nbn:de:0183-15dkvf2685

Published: September 22, 2015

© 2015 Helbig et al.
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Text

Einführung: In Deutschland verschreiben HausärztInnen bei akuten Atemwegsinfektionen in ca. 50% der Fälle ein Antibiotikum. Nicht-indizierte Antibiotikaverordnungen sind mitverantwortlich für zunehmende bakterielle Resistenzen, die derzeit eine der größten globalen Herausforderungen darstellen.

In einer dreiarmigen cluster-randomisierten kontrollierten Interventionsstudie wird untersucht, ob Antibiotikaverordnungen bei Erwachsenen und Kindern mit akuten Atemwegsinfektionen mit Hilfe einer multifacettierten Intervention gesenkt werden können.

In der Studie wurden 36 von 124 in die Interventionsarme randomisierten ÄrztInnen mit Webinaren (webbasierten interaktiven Seminaren) fortgebildet. 68 TeilnehmerInnen erarbeiteten die Inhalte per interaktiver DVD und wurden telefonisch instruiert und befragt. Die Webinare bildeten die Grundlage für die Entwicklung eines E-Learning-Moduls (electronic learning, EL), welches im Rahmen der Studie als „Booster“ eingesetzt wird und später für die Breitenimplementation nutzbar sein soll.

EL wird häufig mit einer inflexiblen, wenig ansprechenden Darstellung von Lehrinhalten assoziiert und sehr kritisch betrachtet. Die zahlreichen Vorteile geraten dabei in den Hintergrund.

Der Konzeptions- und Umsetzungsprozess von (kompetenzorientierten) Interventionen wurde in der Literatur bisher selten nachgezeichnet und ist Ziel dieses Beitrags. Für den Fall der Annahme als Vortrag kann das EL-Modul demonstriert werden.

Forschungsfrage: Wie kann ein EL zur ärztlichen Kompetenzentwicklung im Umgang mit patientenseitiger Antibiotikaerwartungshaltung umgesetzt werden?

Methode: Inhaltliche Basis für das EL waren die Webinare. Deren Kernstück bildete ein Kommunikationstraining entlang einer filmisch simulierten Situation in der Haus- und Kinderarztpraxis. Unterschiedlich anspruchsvolle Konsultationsverläufe wurden sequenziell abgespielt und durch die Referierenden eingeleitet, konkretisiert und mit direkten Einschätzungsfragen verbunden.

Im Charakter von Fokusgruppendiskussionen wurden die Inhalte hierbei auf Eignung und Akzeptanz hin pilotiert. Ergänzt durch eine Recherche von Best Practice Beispielen im Bereich EL ergaben sich u. a. folgende Kriterien für die Konzeption des EL-Prototyps: Die kompetenzorientierten Lernziele der Webinare – das Wahrnehmen patientenseitigen Drucks und das ergebnisoffene Ansprechen der Antibiotikaerwartungshaltung durch die ÄrztInnen – sollten aufgegriffen werden. Das Modul sollte multimedial gestaltet sowie technisch einfach und zeitlich flexibel anwendbar sein. Außerdem sollte der EL-Prototyp per Feedbackerfassung die formale und zielgruppenspezifische Einsatzmöglichkeit evaluieren.

Praktisch umgesetzt wurde das EL im Wesentlichen mit der EL-Entwicklungssoftware Adobe Captivate 8 und Standardgrafikprogrammen.

Ergebnis: Filme, Audiokommentare und Feedbackfragen sind die multimedialen Bausteine des EL-Moduls.

Lebensnahe Filme und Audiokommentare führen durch das EL und vermitteln eine authentische und persönliche Atmosphäre. Die Storyboards und Tonaufnahmen setzte das Studienteam um. Die Filme wurden hingegen mit professionellen SchauspielerInnen und einem TV-erfahrenen Regisseur und Kameramann realisiert.

Integrierte Fragen und Feedbackfunktionen schaffen Interaktivität und fokussieren die kompetenzorientierten Lernziele. Dabei wird u. a. die eigene Einschätzung im Kontext zu denen der anderen TeilnehmerInnen (der Webinare) als Feedback zurückgemeldet.

Primär wurde das EL für eine nicht technikaffine Zielgruppe entwickelt. Daher ist das Modul mit einer intuitiven Bedienung ausgestattet.

Bisher haben bereits 66% der InterventionsärztInnen den EL-Prototyp durchgeführt. Die Teilnahmequote ist damit größer als bei der Webinarintervention (29%). Die Einschätzung des Gesamteindrucks des EL-Prototyps mit durchschnittlich 4,4 von möglichen 5 Sternen weist zudem auf eine hohe Akzeptanz hin.

Diskussion: Im Vergleich zum Webinar reduzierte die vielseitige Flexibilisierung die personellen und finanziellen Interventionskosten. Daneben bezog das EL bestehende Studienmaterialien mit ein und bot in Anbetracht der Teilnahmequote womöglich Bedingungen, die dem Arbeitsalltag der ÄrztInnen entgegenkamen.

Ohne die initial durchgeführten Webinare wäre die Entwicklung des EL in der jetzt realisierten Form nicht möglich gewesen.

Praktische Implikationen: Die Entwicklung eines hochgradig elaborierten EL-Moduls ist aufwändig, aber auch durch ein interdisziplinäres universitäres Team umsetzbar.

Modifizierte EL-Module könnten auch in die Ausbildung von Studierenden und WeiterbildungsassistentInnen einbezogen werden. Speziell Studierenden kann frühzeitig ein realitätsnaher Einblick in Konsultationssituationen gegeben und dieser als didaktische Diskussionsgrundlage genutzt werden.