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Usability von elektronischen Patientenakten: Kein Weg führt am Nutzer vorbei
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Published: | September 22, 2015 |
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Hintergrund: Bei der Entwicklung von Software-Lösungen für das Gesundheitswesen ist die frühzeitige Einbeziehung aller Nutzergruppen unumgänglich. Scheitern Software-Entwicklungen im Gesundheitswesen, weil entscheidende Rahmenbedingungen des Versorgungsalltags außer Acht gelassen wurden, ist das nicht nur mit Frustration seitens der Anwender, sondern letztlich auch mit hohen finanziellen Risiken verbunden.
Das übergeordnete Ziel des hier vorgestellten Projekts ist, Strukturen und Prozesse zu etablieren, welche eine integrierte und sektorenübergreifende Versorgung von chronisch kranken Menschen ermöglichen. Zentraler Baustein für die Erreichung dieser Zielsetzung ist die Etablierung einer persönlichen, einrichtungsübergreifenden elektronischen Patientenakte. Dabei werden in einem „Entwicklungsprojekt“ der technische Aufbau der Software-Architektur und in einem „Anwendungsprojekt“ die Herausforderungen der Implementierung in der Versorgung von Patienten mit Darmkrebs in den Blick genommen.
Fragestellung: In der aktuellen Projektphase soll die Usability des Prototyps der elektronischen Patientenakte durch Patienten mit kolorektalem Karzinom evaluiert werden. Insbesondere die folgende Fragestellung steht im Fokus der Untersuchung: Erfüllt der Prototyp die Anforderungen von Patienten mit kolorektalem Karzinom hinsichtlich Usability, Design und Funktionalität? Zudem sollen weitere Aspekte, wie z.B. die Implementation des Prototyps in den Versorgungsalltag sowie Anforderungen an die Einrichtung der Patientenakte durch den Patienten betrachtet werden.
Methoden:
Studiendesign: Die Evaluation des Prototyps erfolgt in einem ersten Schritt unter Laborbedingungen. Um der Komplexität der Fragestellung gerecht zu werden, werden unterschiedliche Ansätze der qualitativen und quantitativen Methodik genutzt. Im Vorfeld der Datenerhebung wird ein Pretest mit drei Testnutzern durchgeführt, um die Gestaltung des Testszenarios sowie die Anwendbarkeit des ausgewählten Bewertungsinstruments für die Usability zu eruieren. Angestrebt wird eine Teilnehmerzahl von mindestens sechs und maximal zehn Patienten mit unterschiedlichem Bildungshintergrund.
Datenerhebung: Teilnehmende Beobachtung und „think-aloud-protocol“: Nach einer Einführung zu der Nutzung der Patientenakte werden die Testnutzer gebeten, unterschiedliche Aufgaben zu lösen. Diese sind Bestandteil eines Testszenarios, das derzeit entwickelt wird. Während der Bearbeitung der Aufgaben werden die Nutzer beobachtet und darum gebeten, laut auszusprechen, worüber sie bei den einzelnen Schritten nachdenken („think-aloud“).
System Usability Scale (SUS): Nach der Bearbeitung der Testaufgaben werden die Patienten gebeten, ihre Zufriedenheit mit Nutzerfreundlichkeit der Software anhand eines standardisierten Fragebogens einzustufen.
Fokusgruppen: Abschließend werden alle teilnehmenden Patienten zu einer Fokusgruppe eingeladen, um über ihre Eindrücke während der Testnutzung zu diskutieren. Außerdem werden weitere Entwicklungsmöglichkeiten und Verbesserungspotentiale des Prototyps thematisiert.
Datenauswertung: Die Mitschriften der teilnehmenden Beobachtungen werden bereinigt, kodiert und mit qualitativen Methoden entsprechend der Fragestellung analysiert. Der SUS ermöglicht die Berechnung eines Wertes, der ein Maß der Usability des Prototyps ist. Alle Fokusgruppen werden digital aufgezeichnet, transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.
Ergebnisse: Da die technische Entwicklung zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht vollständig abgeschlossen ist, werden Pretest und Testphase ab Juli 2015 durchgeführt. Erste Ergebnisse werden auf dem Deutschen Kongress für Versorgungsforschung präsentiert.
Diskussion: Im Rahmen des Kongresses wird auf Grundlage der präsentierten Ergebnisse das Studiendesign und mögliche Verbesserungspotentiale diskutiert. Im Fokus soll dabei die Eignung der gewählten Methodik zur Usability-Evaluation einer elektronischen Patientenakte stehen.
Da die Testung zunächst unter Laborbedingungen stattfinden wird, lassen sich verschiedene Szenarien, die im realen Versorgungsalltag auftreten können, nicht umfassend simulieren. Aus diesem Grunde ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Versorgungsrealität nur bedingt möglich.
Praktische Implikationen: Durch eine möglichst frühzeitige Einbeziehung von Patienten in den Entwicklungsprozess von Softwareprodukten wird gewährleistet, dass das System den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer entspricht.
Nachdem der Prototyp umfassend hinsichtlich seiner Usability untersucht wurde, werden die Ergebnisse dem Entwicklerteam gespiegelt. In Zusammenarbeit mit den technischen Entwicklern wird daraufhin eine Machbarkeitsanalyse zur Anpassung des Prototyps durchgeführt und die resultierenden Arbeitsschritte priorisiert. Nachdem der Prototyp entsprechend der erhobenen Nutzerbedürfnisse angepasst wurde, wird eine weitere Testung im realen Versorgungskontext angestrebt.