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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Berichtete unerwünschte Ereignisse und deren Determinanten im Rahmen telemedizinischer Interventionen – systematischer Review und Meta-Analyse

Meeting Abstract

  • Stefanie Deckert - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland
  • Thomas Petzold - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland
  • Daniel Richter - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland
  • Jochen Schmitt - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP006

doi: 10.3205/15dkvf237, urn:nbn:de:0183-15dkvf2371

Published: September 22, 2015

© 2015 Deckert et al.
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Text

Hintergrund: Telemedizinische Versorgungskonzepte wurden in den vergangenen drei Dekaden vor dem Hintergrund der wachsenden Entfernung zwischen Patient und Versorger entwickelt und angewendet. National wie international werden sie vor allem in ländlichen Regionen eingesetzt. Vor einer flächendeckenden Implementierung muss neben der klinischen und ökonomischen Effektivität auch die Patientensicherheit telemedizinischer Versorgungskonzepte gewährleistet sein, indem vor allem keine unerwünschten Ereignisse (uE) bei der Anwendung auftreten. Bisher wurden berichtete uE bei telemedizinischen verglichen mit nicht-telemedizinischen Interventionen nicht systematisch untersucht.

Fragestellung(en): Wie häufig treten uE sowie andere unerwartete oder unbeabsichtigte, nicht durch die Krankheit bedingte Ereignisse (wie Schäden, Verletzungen, medizinische Fehler) in Randomisierten Kontrollierten Studien (RCTs) sowie Open Label Studien auf, die die Effektivität von präventiven, diagnostischen, therapeutischen und pflegerischen telemedizinischen Interventionen im Vergleich zu nicht-telemedizinischen Interventionen untersuchen? Welche Determinanten (Alter und Geschlecht der Studienteilnehmer) begünstigen bzw. minimieren in diesem Zusammenhang das Auftreten von uE?

Methode: Eine systematische Literaturrecherche erfolgte in den Datenbanken Medline und Embase (Suchzeitraum: 1.1.2005 bis 3.7.2014). Sowohl die Studienselektion als auch die Datenextraktion und die methodische Studienbewertung wurden unabhängig durch zwei Reviewer durchgeführt. Für die methodische Bewertung der inkludierten Arbeiten wurde das Risk of Bias Tool der Cochrane Collaboration angewendet. Die kumulativen und absoluten Häufigkeiten der aufgetretenen uE pro Studie wurden getrennt für die Interventions- und Kontrollgruppe angegeben. Anhand personenbezogener Inzidenzraten wurden mit Hilfe des Softwareprogramms R, auf der Grundlage eines Random Effects Models relative Risiken (RR mit 95% Konfidenzintervall (95% KI)) sowie der daraus resultierende Gesamtrisikoschätzer ermittelt.

Ergebnisse: Insgesamt konnten 31 Arbeiten (24 RCTs, 7 Open Label Studien) für die Beantwortung der Fragstellungen eingeschlossen werden. 58% dieser Studien wurden in den USA durchgeführt. Mehr als zwei Drittel der Publikationen (n=21; 68%) weisen ein hohes, 6 (19%) ein unklares, und 4 (13%) ein niedriges Bias-Risiko auf. Im Rahmen telemedizinischer und nicht-telemedizinischer Interventionen wurden zwischen 0 und 672 (kumulativ: 2.264 uE bei 4.399 Studienteilnehmern) bzw. 0 und 759 (kumulativ: 1.364 bei 2.978 Studienteilnehmern) uE Fälle berichtet. Die absolute Anzahl der uE pro Studienteilnehmer wurde in acht Studien angegeben. Diese wurden folglich in die quantitative Analyse einbezogen. Das RR, das innerhalb telemedizinischer verglichen mit nicht-telemedizinischen Interventionen uE auftreten, liegt bei 1.06 (95% KI: 0.82-1.37; I²=0%). Lediglich eine Studie ermittelte altersbezogene Effekte bzgl. des Auftretens von uE. Demzufolge traten bei den <60-Jährigen uE signifikant seltener in der telemedizinischen Interventionsgruppe auf. Das Geschlecht wurde als Determinante nicht untersucht.

Diskussion: Die verwendete Nomenklaturfür uE ist sehr uneinheitlich, die in diesem Zusammenhang angewendeten Definitionen sind meist nicht berichtet. Lediglich acht der 31 eingeschlossenen Studien berichteten die Anzahl der aufgetretenen uE pro Studienteilnehmer. Auch wenn diese acht Arbeiten kein erhöhtes Risiko für das Auftreten von uE im Kontext telemedizinischer verglichen mit nicht-telemedizinischer Interventionen berichteten, muss die darauf basierende Evidenz limitierend interpretiert werden. Auch muss bei dieser Risikoabschätzung von einer Ergebnisverzerrung bedingt durch einen Informationsverlust ausgegangen werden, da lediglich Studien in das Review eingeschlossen wurden, die uE als Outcome berichteten. Um das tatsächliche Risiko für uE abbilden zu können, muss im Rahmen publizierter Artikel, die sich inhaltlich mit telemedizinischen Interventionen auseinandersetzten, eine standardisierte Berichterstattung (Nutzen und Schaden) erfolgen.

Praktische Implikation: In zukünftigen Evaluationen telemedizinsicher Interventionen sollten Analysen und Berichtsstandards zur Sicherheit einfließen. Hierfür existieren bereits standardisierte Checklisten (z.B. CONSORT Harms). Aufgrund der limitierten Evidenzbasis sind konkrete Schlussfolgerungen zum Auftreten von uE im Rahmen telemedizinischer Interventionen nicht zulässig.