gms | German Medical Science

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Indikatoren zur Patientensicherheit in der Pädiatrie: Evaluation von US-amerikanischen Pediatric Quality Indicators

Meeting Abstract

Search Medline for

  • Jürgen Stausberg - Prof. Dr. med. Jürgen Stausberg, Essen, Deutschland
  • Christoph Scheu - Klinikum St. Elisabeth Straubing, Straubing, Deutschland
  • Michael Melter - KUNO-Kliniken Regensburg, Regensburg, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP005

doi: 10.3205/15dkvf236, urn:nbn:de:0183-15dkvf2361

Published: September 22, 2015

© 2015 Stausberg et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund: Die zum Benchmarking von stationären Einrichtungen in Deutschland eingesetzten Qualitätsindikatoren weisen außerhalb von Neonatologie und Perinatologie keine spezifischen Module für Kinder und Jugendliche auf. Dies betrifft sowohl die Kennzahlen der verpflichtenden Verfahren nach § 137 Sozialgesetzbuch V als auch Kennzahlen weiterer Indikatorensets wie den German Inpatient Quality Indicators (G-IQI), den Patient Safety Indicators (PSI) der Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ) in deutscher Übersetzung, den Indikatoren des Vereins Qualitätsindikatoren für Kirchliche Krankenhäuser (QKK) oder den Kennzahlen des Verfahrens Qualitätssicherung der stationären Versorgung mit Routinedaten (QSR).

Fragestellung: Lassen sich aus dem Set der Pediatric Quality Indicators (PDI) der AHRQ geeignete Kennzahlen zur Patientensicherheit der stationären, pädiatrischen Versorgung in Deutschland ableiten?

Methode: Aus den 15 für einen Vergleich von Krankenhäusern vorgesehenen PDIs wurden in einer Vorauswahl drei Indikatoren identifiziert, die zum einen auf Grund einer fachlichen Einschätzung relevant erschienen sowie zum anderen eine statistisch belastbare Häufigkeit von Ereignissen erwarten ließen: PDI 8 - Perioperative Hemorrhage or Hematoma Rate, PDI 9 - Postoperative Respiratory Failure Rate, PDI 10 - Postoperative Sepsis Rate. Die Übertragbarkeit auf Deutschland wurde empirisch über die Kriterien Richtigkeit der Ergebnisse, Vollständigkeit der Daten, Statistische Unterscheidungsfähigkeit (Diskriminationsfähigkeit) und Verzerrungsunempfindlichkeit geprüft. Nach Ausschluss von gesunden Neugeborenen stand ein Datenbestand von 40.742 Behandlungsfällen unter 18 Jahren aus 40 Krankenhäusern zur Evaluation zur Verfügung. Die Fallzahl je Krankenhaus lag im arithmetischen Mittel bei 1.018,6 und im Median bei 378,5 (Minimum 12, Maximum 7032).

Ergebnisse: Unter den operierten Behandlungsfällen wiesen 1,7 % eine Blutung oder ein Hämatom (PDI 8) auf (185 von 10.861 Fällen). Damit lag das Ergebnis deutlich über dem Referenzwert der AHRQ von 0,49 %. Bei fast 60 % der betroffenen Fälle war als Hauptdiagnose eine Erkrankung des Rachens angegeben. Bei Beschränkung auf diese Versorgungssituation verblieben 2.799 Fälle von 24 Krankenhäusern mit 119 Ereignissen (4,3 %). Entsprechend der Erwartungen aus der Literatur scheint dies eine leichte Untererfassung anzuzeigen. Der Variationskoeffizient von 1,2 spricht für Unterschiede in der Vollständigkeit der Erfassung des Ereignisses. Im Boxplot fanden sich drei Ausreißer im Sinne einer hohen Diskriminationsfähigkeit. Eine respiratorische Insuffizienz (PDI 9) wiesen 43 von 10.896 eingeschlossenen Fällen auf (0,4 %). Von diesen Ereignissen waren 13 Krankenhäuser mit im Median 2 Fällen betroffen. Achtunddreißig der 43 Ereignisse traten in Kliniken mit mehr als 1.000 Behandlungsfällen unter 18 Jahren auf. Dort zeigte sich eine homogene Dokumentation mit einem Variationskoeffizienten von 0,87 bei gegebener Diskrimination mit zwei Ausreißern im Boxplot. Bei 11.687 eingeschlossenen Behandlungsfälle ergab sich nur bei 27 ein Verdacht auf eine nosokomiale Sepsis. Eine Auswertung der Hauptdiagnosen zeigte durchgehend das Vorliegen schwerster Grunderkrankungen.

Diskussion: Auch in der internationalen Literatur finden sich kaum Empfehlungen zu Indikatoren der Patientensicherheit bei Kindern und Jugendlichen. Ursächlich mögen hierfür die kleine Fallzahl, die Seltenheit von unerwünschten Ereignissen sowie eine große Heterogenität der Versorgungssituationen sein. Nur mit den PDI steht ein entsprechendes, auch in seiner Qualität empirisch untersuchtes Indikatorenset zur Verfügung. Von den drei hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf deutsche Verhältnisse analysierten Kennzahlen hat sich uneingeschränkt nur PDI 8 - Perioperative Blutung oder perioperatives Hämatom qualifiziert, wobei dies insbesondere für die Einschränkung auf Blutungen bei operativen Eingriffen am Rachen gilt. PDI 9 - Postoperative respiratorische Insuffizienz ist nur bei größeren Einrichtungen sinnvoll, wobei die Nutzbarkeit durch einen in der Literatur beschrieben niedrigen Anteil vermeidbarer Ereignisse eingeschränkt wird. Die nosokomiale Sepsis (PDI 10) ist zu selten für einen ratenbasierter Indikator. Insgesamt sind die PDI der AHRQ damit kaum zum Aufbau eines Indikatorensets zur Patientensicherheit der stationären pädiatrischen Versorgung in Deutschland geeignet.

Praktische Implikationen: Aus einer Analyse von drei der insgesamt 15 für den Vergleich von Krankenhäusern definierten PDI der AHRQ haben sich zwei mit Einschränkungen für eine Nutzung in Deutschland qualifiziert. Dies ist die Blutung nach operativem Eingriff am Rachen als Abwandlung des PDI 8 sowie die postoperative respiratorische Insuffizienz (PDI 9). Die Definitionen können über die Autoren bezogen werden.