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Zusammenarbeit von Haus- und Zahnärzten: Ergebnisse einer Interviewstudie
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Published: | September 22, 2015 |
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Hintergrund: Vor dem Hintergrund evidenzbasierter Belege zum Zusammenhang von Mund- und Allgemeingesundheit stellt sich die Frage der Kooperation von Allgemein- und Zahnmedizinern bei der Versorgung von Patienten. Diese Kooperation kann anlassbezogen zum (zahn-)ärztlichen Tun aber auch präventiv inbesondere bei Patienten mit Diabetes, chronischen degenerativen Erkrankungen oder unter Medikation mit oralen Wechselwirkungen (inbesondere Bisphosphonate und Antidepressiva) ausgerichtet sein. Eine Überweisung zwischen beiden Arztgruppen ist durch die Trennung beider Versorgungsbereiche in Verwaltungnicht möglich. Dies schafft ein Hindernis in der interdisziplinären Versorgung, aber auch in der Möglichkeit Zuweisungen zentral und quantitativ auszuwerten.
Fragestellung: „Welches Wissen zu den Zusammenhängen zwischen Mund- und Allgemeingesundheit besteht bei Haus- und Zahnärzten; In wieweit kann es und wird es im Versorgungsalltag integriert?“
Der Vortrag fokussiert die Unterfragen:
- Was sind Anlässe für gegenseitige Patientenzuweisung?
- Wie gestaltet sich der Informationsaustausch für/bei Zuweisungen?
- Welche Ausprägung (Briefe, Telefonate, Treffen) nehmen die Kooperationen an ?
- Was bietet dabei der strukturelle Rahmen (Krankenkasse, Region)?
Methode: Es wurden Ärzte und Zahnärzte in drei Strukturregionen zufällig ausgewählt und telefonisch für ein ca. 15 minütiges Interview angefragt. Durch Informationssättigung wurden 28 von 30 geplanten Leitfadeninterviews wurden mit Haus- und Zahnärzten durchgeführt und durch ein Schreibbüro transkribiert. Die inhaltsanalytische Auswertung nach Mayring folgte induktiv und nach konsentierung des Kategoriensystems deduktiv sowie skalierend begleitend zu den Interviews durch 2 Zahnärzte und 2 Soziologen.
Ergebnisse: Zusammenhänge zwischen Mund- und Allgemeingesundheit sind teilweise bekannt führen aber nicht zu vielfältigen Kontakten.
Ein Kontakt beider Arztgruppen beruht fast ausschließlich auf Zuweisung von Patienten. Hausärzte schicken Patienten ohne direkten Kontakt zu Zahnärzten. Zahnärzte kontaktieren häufiger Hausärzte zur Nachfrage oder bevor sie Patienten schicken.
Dabei wird einem schriftlichen Austausch - auch mit dem Verweis darauf, daß dies nicht vorgesehen sei - kein Stellenwert beigemessen. Informationsträger ist daher maßgeblich der Patient.
Anlässe sind für Zahnärzte hauptsächlich Medikation und hierbei inbesondere der Gerinnungsstatus der Patienten vor invasiven Eingriffen – Für Hausärzte ist es die Feststellung eines desolaten Zahnstatus. Selten wird auch ein therapieresistenter Kopf- und Gesichtsschmerz (nach Abklärung durch andere Fachärzte) an den Zahnarzt verwiesen. Präventive Aspekte sowie Verknüpfungen zu Allgemeinerkrankungen insb. Diabetes spielen nur für wenige Kollegen eine Rolle in der täglichen Praxis. Kollegiale Rücksprachen zu Krankheitsbildern hängen maßgeblich von einem „persönlichen Kennen“ ab. Ein zusätzliches Kontaktfeld bietet die Versorgung in Altenheimen. Als maßgeblicher Einflußfaktor konnte eine Abgrenzung der Mundhöhle bzw. des Zahnärztlichen Berufsbildes identifiziert werden. Begleitet wird dieses Verhalten von den Fremdbildern der jeweils anderen Berufsgruppen und deren (zahn-)ärztlicher Tätigkeiten und Kompetenzen.
Diskussion: Der interdisziplinären Patientenversorgung von Haus- und Zahnärzten stehen Hindernisse im a) Wissenstransfer sowie b) der administrativen Abwicklung entgegen. Wesentlich sind jedoch die Einstellung des/r jeweiligen Arztes/in, die häufig - von Selbst- und Fremdbildern bestimmt - Einfluss auf die Patientenversorgung nehmen kann. Der geringe Vernetzungsgrad beider Arztgruppen wird mit Verweis auf die Vielzahl von Ärzten der jeweils anderen Gruppe als nicht ausbaufähig betrachtet. Verlässlich sind hier für die Versorger vornehmlich einzelne „persönliche Kontakte“.
Praktische Implikationen: Ein verbesserter Wissenstransfer könnte durch gemeinsame Fortbildungen beider Arztgruppen zu einer erhöhten Sensibilisierung führen. Allerdings sollte auch der Schnittflächenunterricht im Studium der Medizin und Zahnmedizin ausgebaut werden und an den Hochschulen eine "artifizielle" Trennung der Fachrichtungen in der Lehre vermieden/ reduziert werden. Vertiefend bietet es sich an, diese Inhalte in die Facharztausbildung zu integrieren.
Häufigere Abbildung in Leitlinien sowie die Einbeziehung der Zahnmedizin in Leitlinienentwicklung zur Schaffung allgemeiner Akzeptanz und über „persönlichen Kontakt“ hinaus. Resultierend könnte ein Früherkenner-Gedanke für Prävention auf beiden Seiten umgesetzt werden.
Modellprojekte zur Systemnovellierung von Prävention und Patientenzuweisungen für einzelne Erkrankungskomplexe etwa von Diabetes & Parodontits wären hilfreich, ebenso wie die Qualifikation von VERAHs und Spiegelpositionen auch im zahnmedizinischen Bereich begleitet von einer Evaluation zur Interventionsprävalenz und Kosten-Nutzen-Analyse.